KRISIUN: Interview mit Moyses Kolesne

01.01.1970 | 01:00

"Works Of Carnage" nennt sich das neue Werk der Krawallbrüder von KRISIUN, und stellte sich - oh Wunder - mal wieder als eine Offenbarung in Sachen traditioneller, technisch angehauchter Death Metal heraus. Weg von der kreativen Sackgasse, hin zu abwechslungsreicherem Songwriting, untermauert von einem wahrhaft mörderischen Sound - viel besser geht's nicht mehr.
Momentan steckt das äußerst tourfreudige Trio in den Vorbereitungen zu einer ausgiebigen US-Tour, bevor Anfang 2004 wieder europäische Bühnen verwüstet werden. Flitzefinger Moyses Kolesne stand mir auf virtuellem Wege Frage und Antwort:

Rouven:
Wie üblich die neugierigste Frage vorweg: Wie hat die Musik-Welt das neue Album aufgenommen?

Moyses:
Das Feedback war bisher überwältigend positiv. Wir haben Tonnen an Reviews gesehen, und die meisten loben "Works Of Carnage" in den höchsten Tönen, sprechen von einem der besten Death Metal-Alben der letzten Zeit. Größere Magazine wie das Terrorizer oder Metal Maniacs sprachen sogar vom "Album des Jahres". So weit wir das mitbekommen gefällt auch unseren Fans die Scheibe richtig gut.

Rouven:
Meiner bescheidenen Meinung nach haben KRISIUN mit "Works Of Carnage" das absolute Meisterwerk in ihrer Karriere abgeliefert. Kannst du dich damit anfreunden?

Moyses:
Nun, wir haben die letzten Jahre fast nur mit Touren und Aufnehmen verbracht, da war es klar, dass wir uns auch musikalisch weiterentwickeln würden. Das neue Album ist definitiv ein großer Schritt nach vorne, vielleicht die größte Entwicklung, welche die Band bisher durchgemacht hat. "Works Of Carnage" sehen wir auf jeden Fall als eine gut gelungene Evolution der Band an.

Rouven:
Der Vorgänger "Ageless Venomous" war musikalisch, wie sollte es anders sein, über alle Zweifel erhaben, war dafür aber mit einer recht miesen Produktion versehen, welche den Hörgenuss ein wenig schmälerte.
Bei "Works..." habt ihr jedoch wieder einen famosen Sound auf Silikon gezaubert - wie kommt das?

Moyses:
Naja, "Ageless Venomous" haben wir nur ein Jahr nach "Conquerors Of Armageddon" aufgenommen, und das war für uns in kreativer Hinsicht schon eine Hetzerei. Wieso das ganze dann so chaotisch wurde, weiß ich auch nicht mehr. Wir haben uns selbst eine Menge unnötigen Stress gemacht, hatten viele Live-Shows, haben nebenher das Material geschrieben und haben die Produktion des Albums selbst in die Hand genommen. Es waren auch einige Drogen im Spiel, muss ich zugeben, und das hat uns wohl vom Endresultat und vor allem vom Sound der Platte zu sehr abgelenkt.
Jetzt hatten wir uns dazu entschlossen, uns komplett auf das Songwriting und das Einspielen zu konzentrieren, weshalb wir wieder einen Produzenten mit an Bord hatten. Ich denke mal dass das ein entscheidender Grund ist, wieso die Produktion des Albums wirklich gut geraten ist.

Rouven:
Viele Leute würden sicherlich CANNIBAL CORPSE, MORBID ANGEL oder auch neuere, jüngere Truppen wie HATE ETERNAL, DYING FETUS, DECAPITATED oder VADER als die "Kings of Death Metal" bezeichnen - wo seht ihr euch in diesem Kontext?

Moyses:
Weißt du, es wird immer jemanden geben, der dir Sachen wie "Ihr seid die Kings" sagen wird - und darauf scheißen wir ehrlich gesagt. Das Einzige, was uns interessiert, ist unsere Musik. Und das nicht als Wettbewerb mit Anderen, sondern als etwas Spirituelles, als ganz bestimmtes Feeling, als körperliche Ausdauerleistung und so weiter. Wenn wir uns mit anderen Bands wirklich messen wollten, dann wäre unsere Musik auf Dauer langweilig und eigentlich unhörbar. Natürlich werden wir auch von einigen neuen Leuten als die führende Kraft in der "New Wave of Death Metal" bezeichnet, und wir haben Mitte der Neunziger einige richtig krasse Alben aufgenommen, zu einem Zeitpunkt, als es sehr schlecht um das Genre stand, zu einer Zeit, als es weder NILE noch HATE ETERNAL gab. Glücklicherweise hat sich die Szene aber wieder stabilisiert und ist jetzt stärker als jemals zuvor.

Rouven:
Ihr habt ja wirklich einen Arsch voll Shows nach dem Release der letzten Scheibe gespielt - was liegt euch mehr, kleinere Clubs oder größere Open Air-Shows? Und gibt es für KRISIUN so etwas wie ein "Lieblingsland"?

Moyses:
Am besten sind die Auftritte, bei denen wir keine Fehler machen und eine Menge Spaß mit dem Publikum haben. Da ist es dann egal, ob das ein kleines Sauloch oder eine riesige Bühne ist, das ist so oder so großartig. Wir lieben es einfach, live zu spielen, und das ist die treibende Kraft hinter KRISIUN. Ganz egal wo.

Rouven:
Manch einer würde euch für die Highspeed-Adaption von VENOMs 'In League With Satan' vielleicht "Ketzerei" vorwerfen - wieso habt ihr euch dazu entschlossen, diesen Kultsong im typischen KRISIUN-Speed aufzunehmen?

Moyses:
Als VENOM das Album "Black Metal" rausgebracht haben, war das so etwas wie der Startschuss für das extreme Metal-Genre. Der Opener und Titeltrack war das schnellste Stück Musik, das eine Band zu diesem Zeitpunkt je aufgenommen hatte. Die Jungs waren damals die extremste und schnellste Band, da gab es noch keine SLAYER oder METALLICA. VENOM haben den Standard gesetzt, und Bands wie SLAYER folgten dann, genau wie unzählige andere Bands danach.
Wieso sollte das jemand als "Ketzerei" ansehen? Wer auch immer das behauptet, hat absolut keine Ahnung von der Materie.
Ich habe VENOM '86 live gesehen und verstehe mich gut mit den Jungs - und ich weiß, dass sie dieses Highspeed-Gebolze lieben.

Rouven:
Wenn man jemandem "Death Metal" an den Kopf wirft, so kommt oftmals als Antwort, dass diese Musik primitiv wäre, ohne Ideen, Stagnation seit Jahren, Einfallslosigkeit die Szene beherrsche und so weiter.
Was würdest du solchen Leuten antworten?

Moyses:
Die Musik ist wie die Mathematik: Zahlen, und zwar unendlich viele davon. Man könnte von Stagnation sprechen, wenn alle oder viele Bands nur einen gewissen stilistischen Weg gingen, was aber definitiv nicht der Fall ist. Aber gerade der Death Metal hat sich doch enorm weiterentwickelt, nicht nur in punkto Aggression und Brutalität, vor allem auch im technischen Bereich, und du findest immer wieder Einflüsse vom Blues oder Jazz, mit denen die Bands etwas Neues kreieren, und das, obwohl die Stile an sich schon ziemlich lange existieren.

Rouven:
Mittlerweile sind KRISIUN ja eine richtig große Nummer im Biz. Mit wem würdet ihr euch gerne Mal die Bühne teilen, wenn ihr die freie Auswahl hättet?

Moyses:
Eigentlich mit jeder Band die irgend eine Art von Metal spielt. Aber natürlich träumen wir auch davon, mal mit VENOM, BLACK SABBATH oder MOTÖRHEAD auf der Bühne zu stehen.

Rouven:
Ich behaupte einfach mal frei aus dem Bauch heraus, dass MORBID ANGEL einen gewissen Einfluss auf euch hatten - wie auf so viele Death Metal-Truppen. Wie gefällt dir denn das neue Album?

Moyses:
Wir lieben MORBID ANGEL, das ist einfach eine großartige Band. Leider habe ich das neue Album bisher noch nicht hören können.

Rouven:
So weit ich informiert bin, werden wir Europäer KRISIUN gegen Anfang 2004 wieder livehaftig erleben können. Stehen da schon genauere Termine und Support-Bands fest?

Moyses:
Leider kann ich dir dazu noch nicht mehr sagen. Wir kommen definitiv Anfang des nächsten Jahres nach Europa, aber mehr wissen wir auch noch nicht. Jetzt steht erstmal eine lange Amerika-Tour an, auf die wir uns auch sehr freuen.

Rouven:
"Works Of Carnage" macht ein wenig den Eindruck eines Konzept-Albums, da alle Tracks irgendwie ineinander übergehen - steht etwas wie ein textliches Konzept dahinter?

Moyses:
Alle unsere Alben haben eine Verbindung zwischen der Musik und den Texten, und so auch das neue Album. Da sollte sich aber jeder ein eigenes Bild darüber machen.

Rouven:
Wo siehst du die Band in fünf oder zehn Jahren? Welche Ziele wollt ihr mit KRISIUN noch erreichen?

Moyses:
Die Band am Leben erhalten, genauso das Verlangen, Death Metal zu spielen. Viel unterwegs und auf der Bühne sein, an Orten spielen, die wir bisher noch nicht besucht haben. Und weitere Alben aufnehmen. Das sind und waren bisher immer unsere Ziele, und die werden wir auch in Zukunft verfolgen.

Rouven:
Meine Lieblingsfrage: Wenn eure Band eine Pizza wäre, welcher Belag müsste drauf sein?

Moyses:
Menschenfleisch, haha!

Rouven:
Welche fünf Scheibletten drehen sich momentan am meisten in deinem CD-Player?

Moyses:
SLAYER - Reign In Blood
VENOM - Black Metal
MOTÖRHEAD - Orgasmotron
MORBID ANGEL - Covenant
JOHN MCLAUGHLIN - Shakty

Rouven:
Zum Abschluss, noch irgendwelche "letzten Worte" an unsere Leser?

Moyses:
Mega-Fucking-Grüße und Dank an all die Leute, die uns seit Jahren unterstützen, wir sind verdammt froh darüber und respektieren euch - see you on the road!

Redakteur:
Rouven Dorn

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