KATAKLYSM: Interview mit Maurizio Iocono

01.01.1970 | 01:00

Das neue Album von KATAKLYSM "Serenity In Fire" war schon eine Weile draußen, als die Kanadier auf der No-Mercy-Tour mit CANNIBAL CORPSE und HYPOCRISY im hessischen Münster-Breitefeld Station machten. Im gemütlichen Tourbus ließ sich der bullige und etwas müde Shouter Maurizio Iocono geduldig von mir ein Loch in seinen Bauch fragen.

CARSTEN:
Erste Frage, Maurizio: Ihr habt einen neuen Schlagzeuger in der Band. Wie kam es dazu?

MAURIZIO:
Als wir die Christmas-Festivals 2002 beendet hatten, entschloss sich unser Ex-Drummer Max, seine Karriere zu ändern und sich mehr um seine Familie zu kümmern. Also entschloss er sich, die Band zu verlassen. Es war eine sehr schwierige Zeit für uns, aber weißt du, manchmal muss es einfach weitergehen. Wir kamen nach Hause zurück und begannen, einen Drummer zu suchen. Da waren viele gute, die wir uns ansahen, aber jemand rief mich an und sagte: "Hey, you have to check this guy out! Sein Name ist Martin und er ist einfach ein phänomenaler Drummer." Also gingen wir zu seinem Haus, wo er auch übte. Wir sahen ihn spielen und sagten: "That's it! You're in the band." So fing es an, dann entwickelte sich eine Freundschaft und wir haben inzwischen eine enge Beziehung. Das ist uns sehr wichtig, das macht eine Band aus. Er ist ein großartiger Drummer, er ist jung, hat viel Energie und Feuer.

CARSTEN:
Das erste Mal, als ich "Serenitiy In Fire" hörte, dachte ich "was für ein Schlagzeug". Speziell über 'Blood On The Swans' sagte ich, "jetzt zerstört er alles". Beide Daumen hoch, aber was sagst du über das Resultat?

MAURIZIO:
Wir wollten einen verrückten Song wagen, den die Leute nicht von uns erwartet haben. Ich denke, 'Blood On The Swans' war eine Möglichkeit, ihn als sehr schnellen Schlagzeuger vorzustellen und zu sagen: "Wir können die schnellsten Songs der Welt machen, wenn wir wollen." Sein Blastspeed bei diesem Song ist übrigens "one-hand-role". Normalerweise spielt man so etwas ja mit zwei Händen. Er macht es mit einer Hand und setzt die Basedrums zwischen jeden Schlag. So etwas hab ich noch nie in meinem Leben zuvor gesehen. Es klingt wie ein Maschinengewehr! Ich denke, es ist einer der härtesten und schnellsten Songs aller Zeiten. Er ist kaum aufzuhalten, es ist echt cool. Nur als wir mit den Aufnahmen fertig waren und uns den Song anhörten, dachten wir, dass es wohl viele nicht glauben werden, weil es so wahnsinnig ist. Also entschlossen wir, während jeder Show Drumsoli einzulegen, damit es jeder selbst sehen kann. Ich denke, es ist cool, ihn auf diese Weise vorzustellen. It's fucking crazy!

CARSTEN:
In meiner Review hab ich geschrieben, dass sich die Drums wie ein M-16 anhören. (Maurizio lacht zustimmend.) Aber die Gitarren sind auch sehr gut, speziell in 'For All Our Sins' und 'Under The Bleeding Sun'. Klingt für mich wie guter alter schwedischer Death Metal. Würdest du zustimmen?

MAURIZIO:
Hm, wir wurden wirklich vom schwedischen Stil beeinflusst. Die meisten schwedischen Bands, von denen wir Anfang der Neunziger beeinflusst wurden, wie ENTOMBED und DISMEMBER, mögen wir sehr. Aber ich denke, J.F. (Gitarrist Jean-Francois Dagenais) ist sehr von den englischen Bands beeinflusst, und speziell IRON MAIDEN ist seine Lieblingsband. Er nimmt einige dieser Melodien und transformiert sie in einen Song. Klingt vielleicht etwas nach schwedischem Nu, weil wir, denke ich, das Selbe machen, weißt du: Einflüsse von den melodischen Bands der Vergangenheit aufnehmen und in einen Song transformieren. Das sind zwei sehr technische, melodische Songs, die wir da auf "Serenity In Fire" gemacht haben. Und ich denke, es ist ein Markenzeichen von KATAKLYSM, so etwas auf jedem Album zu haben. Wir sind eine Band, die viele verschiedene Variationen von Musik habt. Wir wollen nicht zu viel von einem haben, sondern eine Balance kreieren. Ich denke, so funktioniert das am besten bei uns.

CARSTEN:
Ich fand es auch passend, dass Peter Tägtgren bei 'For All Our Sins' mitsingt.

MAURIZIO:
Nun, Peter war schon lange ein guter Freund von uns. Wir sind ein paar Mal zusammen getourt, und er kam nach Kanada, um eine Show mit DIMMU BORGIR in Montreal zu spielen. Und wir – ein Freund und ich haben eine Organisations-Company – buchten ihn. Und während er kam, mixten wir gerade unser neues Album und fragten ihn, ob er ein paar Guestvocals singen will. Er sagte "gib mir ein Bier und ich mach es". Es war cool und wir hatten eine gute Zeit während den Aufnahmen.

CARSTEN:
Werdet ihr den Song auch heute Abend spielen und wird Peter euch dabei unterstützen?

MAURIZIO:
Wir würden gerne, aber Peter singt nur einen kleinen Part. Er würde also auf der Bühne gar nichts machen während eines Songs, der sechs Minuten dauert. Wir werden es vielleicht noch machen, aber nur ein oder zwei Mal, am Ende der Tour. Als Special beim letzten Konzert. Und wir wollen die Scheinwerfer nicht von HYPOCRISY nehmen. Peter mit uns zu sehen bevor er spielt, ist etwas verwirrend. Also haben wir uns entschlossen, den Song auf dieser Tour nicht zu spielen. Aber wir werden später dieses Jahr wiederkommen und dann spielen wir ihn, im nächsten Set.

CARSTEN:
Er singt also nur einen kleinen Teil?

MAURIZIO:
Er singt den Chorus mit mir.

CARSTEN:
Ah, den Chorus. Ich konnte seine Stimme nämlich nicht so ganz heraus hören.

MAURIZIO:
Wir haben etwas ähnlich Stimmen. Ich singe "for all our sins", dann kommt "we live to die". Dann wechseln wir uns beim Schreien ab. Das ist er, aber der ganze Rest bin ich.

CARSTEN:
Jetzt weiß ich bescheid. Wäre aber sehr interessant, das live zu sehen.

MAURIZIO:
Yeah, ich weiß, ich weiß. Wir werden es sicherlich eines Tages machen, da bin ich sicher.

CARSTEN:
Was ich beim neuen Album auch mochte, war der klare Sound. Aber ich habe gehört, dass ihr es in einem kleinen Studio gemixt habt. Also habe ich mich über den guten Sound gewundert.

MAURIZIO:
In einem kleinen Studio gemixt?

CARSTEN:
Ich habe – im "Legacy", glaube ich – ein Zitat von dir gelesen, das Studio sei in der tiefsten kanadischen Pampa. Ihr hätten mir Jeeps dort hinfahren müssen.

MAURIZIO:
Ja, stimmt, aber es ist kein kleines Studio. Es heißt "Wildsound Studio" und liegt zwar mitten in den Wäldern, aber es ist ein großes Studio mit viel Equipment. Wir haben unsere letzten drei Alben dort gemixt. Es klappte gut für uns, also beschlossen wir, diesen Weg auch weiter zu gehen.

CARSTEN:
Ich habe sogar schon Meinungen gehört, der Sound sei zu klar. Aber das denkst du wahrscheinlich nicht.

MAURIZIO:
Das denke ich auch nicht. Ich denke, es ist cool, weil man alles hören kann. Wozu ein Album billig produzieren, um nach Underground zu klingen, oder so was? Ich will eine starke Produktion, so dass jeder alles hören kann. Es ist eine Geschmackssache. "Shadows And Dust" hatte vielleicht etwas mehr Gitarren, aber dafür nicht dieses Schlagzeug und Basedrum, das dieses Album hat. Man kann nie ein perfektes Album haben, aber wir geben unser Bestes. Wenn Leute sich das anhören, ist es stark, weißt du.

CARSTEN:
Ich bin deiner Meinung.

MAURIZIO:
(grinst) Cool.

CARSTEN:
Wie war es denn für J.F., das Album zu produzieren?

MAURIZIO:
Ich denke, das ist jetzt eine natürliche Sache für ihn geworden. Er kennt die Band so gut, er spielt in der Band, also ist es sehr einfach für uns, mit ihm zu arbeiten. Etwas, das wir nicht ändern wollen. Und er kennt auch schon den Sound der Band. Wir sind sehr glücklich, ihn zu haben. Denn ich denke, er ist inzwischen einer der besten Produzenten im Metal. Er hat auch MALEVOLENT CREATION und MISERY INDEX produziert und die klingen wirklich killermäßig. Ich meine, er hat ein sehr gutes Gehör für Musik.

CARSTEN:
Habt ihr eigentlich je darüber nachgedacht, euch von Peter Tägtgren produzieren zu lassen?

MAURIZIO:
(grinst) Schweden ist weit weg, Mann. Außerdem würde ich J.F. hintergehen, der ja mein Gitarrist ist. Eines Tages werden wir vielleicht mal was co-produzieren, ich weiß nicht.

CARSTEN:
Zu 'As I Slither' habt ihr ja einen Videoclip gedreht. Worum geht's darin?

MAURIZIO:
Das Lustige ist, dass wir den Clip drehten, bevor das Album fertig war. Wir machten es in Las Vegas, als wir auf Tour waren. Wir hatten die gute Chance, einen Clip mit einem bekannten Produzenten zu drehen. Wir haben die Möglichkeit bei einer unserer Shows in Las Vegas wahrgenommen und es wurde wirklich ein richtig gutes Video. Wir haben es mit vielen Kameras geschossen, die selben, die in den "Star Wars"-Filmen benutzt werden. Es war eine wirklich coole Sache, die wir da gemacht haben. Es gibt der Audienz die Chance, KATAKLYSM zu sehen, wie wir live sind. Die Sache wurde wirklich gut gemacht, ich bin happy damit.

CARSTEN:
Kannst du mir auch etwas über die Texte erzählen?

MAURIZIO:
Ja, es geht um Positivität und Negativität, um die Mitte zwischen beiden Welten. Es geht um die Hauptbalance. Jeder Song hat eine andere Geschichte, aber es dreht sich immer um die Kämpfe zwischen Gut und Böse. Wenn jemand sein Leben gut gelebt hat, aber Probleme mit Drogen hat, ist das negativ und positiv, denn manchmal brauchst du beides, um deine genau Bedeutung im Leben zu wissen. Wenn man zu viel Gutes im Leben bekommt, weiß man es nicht zu würdigen, und wenn man schlecht wird, kann man nicht richtig darauf reagieren. Ich bin sehr philosophisch mit meinen Texten, ich möchte keine Sachen machen, die die Leute nicht in Beziehung bringen oder nicht verstehen können. Für mich ist es wichtig, eine hintergründige Botschaft zu geben. Ich rede auch über die Welt, aber ohne politisch zu sein, denn das mag ich nicht. Ich gebe meine Meinung wieder, aber die Leute sollen selbst in den Texten suchen. Es ist grundsätzlich das, worin wir leben, in "Serenity In Fire". Heiterkeit und Feuer, zwei Gegensätze, die zusammen gehören.

CARSTEN:
Und was denkst du, wie berühmt KATAKLYSM mit einem Album wie "Serenity In Fire" werden kann?

MAURIZIO:
Hm, weiß ich nicht. Wir haben nie darüber nachgedacht, wie berühmt wir werden. Wir tun, was wir tun müssen, und es wird größer und größer. Ich denke, "Serenity In Fire" hat alle Elemente, die man im Metal braucht. Es hat Melodien, es hat Technik, hat Speed, hat Power. Das Teil hat alles in einem Album! Das Coole an "Serenity In Fire" ist: Wir können Songs wie 'Blood On The Swans' machen, die verrückt sind. Aber Songs wie 'As I Slither' sind packender, und wenn die Leute sich davon mitreißen lassen, können wir einiges erreichen.

CARSTEN:
Wie war eigentlich die No-Mercy-Tour bisher?

MAURIZIO:
Es war phänomenal für uns, die Tour war ein großer Erfolg für KATAKLYSM. Ich könnte gar keine bessere Reaktion der Öffentlichkeit erwarten, es war wirklich unglaublich. Jede Nacht nur Chaos, speziell wenn wir die deutschen und österreichischen Termine spielten. Und sogar gestern in Straßburg, es war verrückt in Frankreich. Hier in Europa war es das bisher größte für KATAKLYSM.

CARSTEN:
Und nach dieser Tour spielt ihr eine weitere mit CANNIBAL CORPSE?

MAURIZIO:
Nein, das war nur geplant, also für Amerika. Wir werden hier noch zwei Wochen mit ihnen spielen, und dann kommen wir Ende Juni, Juli mit CROWBAR wieder. Das sind zwei verschiedene Extreme im Metal, zwei Wochen mit Berlin am Ende. Dann kommt das With-Full-Force-Festival. Und derzeit planen wir noch eine Europa-Tour für Oktober.

CARSTEN:
Ich frage deshalb nach CANNIBAL CORPSE, weil wohl viele Bands Angst haben, mit euch aufzutreten. Und dasselbe habe ich glaub ich auch schon über die CORPSE gehört. Ihr scheint also das ultimative Packet zu sein.

MAURIZIO:
(lacht) Ja, das denke ich auch. Ich meine, diese Gerüchte über Bands, die Angst vor uns haben, ich weiß nicht, ob es wahr ist. Für uns ist es in Amerika sehr hart, Touren zu spielen. All die großen Bands wollen uns nicht haben. Da gibt es Bands, die haben gerade mal ein Viertel der Platten wie KATAKLYSM verkauft, aber sind auf jeder Tour dabei. Aber wir können nicht auf Tour, wir müssen immer alles selber machen. Diese Gerüchte gehen zwar in Amerika rum, aber das kümmert mich nicht. Wir machen unser eigenes Ding, und niemand kann uns stoppen.

CARSTEN:
Glaubst du, ihr könnt mal den Bekanntheitsgrad von CANNIBAL CORPSE erreichen?

MAURIZIO:
Das wird die Zeit zeigen. Aber darauf spekuliere ich nicht. Wenn es etwas ist, das natürlich passiert, dann o.k.. Für mich sind CANNIBAL CORPSE Legenden ihres Stils, sie haben etwas kreiert. Wir respektieren das. Und wenn wir jemals so bekannt werden sollten, würde ich nicht nein sagen. So lange wir nicht unseren Stil betrügen, wäre ich glücklich, wenn wir das schaffen.

CARSTEN:
Noch kurz zu euch persönlich: Du lebst ja in Chicago. Lebt der Rest der Band noch in Kanada?

MAURIZIO:
Sie leben dort und haben verschiedene Jobs. Ich arbeite ja hauptsächlich in Chicago und habe dort jetzt auch eine Familie. J.F. ist Produzent und Martin Schlagzeuglehrer in Kanada. Wir bleiben aber stets in Kontakt und ich sehe sie oft.

CARSTEN:
Ihr habt also keine Probleme, in Kontakt zu bleiben.

MAURIZIO:
Nein, nein, überhaupt nicht. Mit dem Computer ist das sehr einfach. Wir reden miteinander im Internet und schicken anschließend Musik-Files. So arbeiten wir. Sie spielen Musikteile ein, ich kriege das ganze als Setlist auf CD und arbeite dann daran. Kein Problem, so haben wir das gemacht, bevor wir zusammenkamen und an den Songs gearbeitet haben.

CARSTEN:
O.k., eine letzte Frage: Du hast das "With Full Force" bereits angesprochen, wo ihr auch schon vor zwei Jahren gespielt habt. Wie war es denn damals und was erwartest du von diesem Mal?

MAURIZIO:
Das letzte Mal war es unser erstes richtiges Open-Air-Festival, und wir waren wirklich glücklich, dort zu sein. Wir waren aufgeregt und wurden sehr gut behandelt. Ich denke, es gibt eine großartige Organisation beim With Full Force. Es war eine unglaubliche Erfahrung, und es war echt cool, beim letzten Mal schon so viele Leute bei KATAKLYSM zu sehen. Dieses Mal spielen wir auf der Hauptbühne, und es ist noch aufregender für uns, zurückzukommen und den Fortschritt zu sehen. Und wenn es so ähnlich wird wie das letzte Mal für uns beim Wacken, dann werde ich mehr als glücklich sein. Denn Wacken war wirklich unglaublich, all die Leute, die da waren und uns unterstützt haben. Wir ziehen unser Ding durch und arbeiten hart, und solang die Leute uns unterstützen, sind wir glücklich. Und wir werden alles tun, was wir können, um weiter top zu sein.

CARSTEN:
O.k., dann dank' ich dir.

MAURIZIO:
Ich danke dir, hat mir gefallen.

Aktueller Nachtrag: Von den oben genannten Terminen ist inzwischen wohl leider nur KATAKLYSMs Auftritt beim "Up From The Ground"-Festival übrig geblieben. Dabei hatte ich mich nach dem genialen Vorgeschmack beim "No Mercy" (lest meinen Konzertbericht!) schon so aufs "With Full Force" gefreut.

Redakteur:
Carsten Praeg

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