KATAKLYSM: Interview mit Jean-François Dagenais

16.01.2009 | 10:19

Für die Hyperblast-Kanadier KATAKLYSM war 2008 sicherlich ein Jahr, in dem sie sich endgültig an der Szene-Spitze etabliert haben: Dank einem starken elften Studioalbum, Festivalauftritten und Touren mit DIMMU BORGIR, MORBID ANGEL und MARDUK.

22 Stationen haben die franko-kanadische Todesblei-Truppe bis Weihnachten durch Europa geführt, die "Metalfest-Tour" mit MORBID ANGEL und MARDUK war schon die fünfte Konzertreihe eines erfolgreichen Jahres. Dabei dürfte der Höhepunkt bereits im Sommer das Summer-Breeze-Festival in Dinkelsbühl gewesen sein, wo 25.000 Kehlen den Painstage-Headliner anfeuerten. Auch ihr Landsmann Stéphane Paré, seinerseits noch Sänger bei QUO VADIS, ließ sich diese grandiose Show nicht entgehen. "Ich hab ihn schon seit unserer gemeinsamen Tour 2007 nicht mehr gesehen", strahlte KATAKLYSM-Gitarrist und Produzent Jean-François Dagenais, kurz J.F. genannt. "Er wohnt im Süden Montreals, ich hingegen nördlich." Was in kanadischen Weiten gerechnet schon eine ziemliche Distanz sein kann. Inzwischen ist der gute Stéphane nach seinem Ausstieg bei QUO VADIS auf der Suche nach einem neuen Betätigungsfeld - an KATAKLYSM dürfte er allerdings nicht einen Gedanken verschwenden: Dort sitzt Sänger Maurizio Iacono fest im Sattel, läuft bei jedem Konzert zu neuer Hochform auf, hilft Crowdsurfern mit seinen muskulösen Armen auf die Bühne, post mit ihnen - und lässt so die einst noch als mittelmäßigen Geheimtipp gehandelten Konzerte der Kanadier seit ein paar Jahren schon zu einem Erlebnis werden.

Als dieses Spektakel in der Adventszeit auch wieder in unseren Breitengraden zu sehen war, dürften die vergleichsweise geringen Entfernungen zwischen den Auftrittsorten in Deutschland, Frankreich oder Österreich Maurizios Kondition sogar noch zu Gute gekommen sein. Kein tagelanges Rumgegurke im Nightliner wie in der kanadischen Heimat. Wie erkannte schon mal ein Eishockey spielender Landsmann im Dienste der Frankfurt Lions ganz richtig: "Wenn wir hier solang zu Auswärtsspielen fahren würden, wie in Kanada, stünden wir wahrscheinlich in Moskau." J.F., der als Kanadier natürlich auch die Eishockey-Begeisterung im Blut stecken hat, schmunzelt angesichts dieses Vergleichs. Zumal der frühere Quebec-Nordiques-Fan selbst als kleiner Junge mal auf dem Eis stand. "Mein Vater hat mir die Begeisterung in die Wiege gelegt. In Kanada ist Eishockey eine Religion, jeder träumt hier in seiner Kindheit davon, mal in der NHL zu spielen." Glücklicher Weise war für J.F., als er seine erste Gitarre in den Händen hielt, die Sportbegeisterung passé. Zumal sein Vater als Anhänger der Montreal Canadians ohnehin nie besonders von der Fan-Leidenschaft seines Sohnes angetan war.

Zurück zur musikalischen Gegenwart: Abgesehen vom bereits angesprochenen Summer Breeze hatten die Franko-Kanadier vergangenes Jahr einen weiteren großen Auftritt in ihrer Heimat Montreal, bei dem fünf Kameras die moshende Menge für den aktuellen Video-Clip zu 'Blood In Heaven' einfing. Dabei hatte die Band ursprünglich den Titelsong des "Prevail"-Album im Sinn. "Aber 'Prevail' kommt live schon so gut an, dass man diesen Song nicht zusätzlich pushen muss", lässt Sänger Maurizio auf der Bandhomepage wissen. "Stattdessen haben uns viele Fans nach einem Video-Clip zu 'Blood In Heaven gefragt. Also dachten wir, warum nicht, schließlich dreht sich bei uns alles um die Fans." So rockt der Quebec-Vierer durch einen vergleichsweise ruhigeren, aber auch melodischen Song, verglichen mit einem Album, auf dem die Blastbeats wieder deutlich mehr dominieren als auf dem Vorgänger "In The Arms Of Devastation". Nach zweijährigem Touren wollten J.F. und Co. die Live-Energie verstärkt auf das Album packen. "Man versteht die Songs besser, wenn man sie live erlebt", erklärt der Gitarrist. "Wir wollten nicht "In The Arms Of Devastation" Teil 2 aufnehmen, sondern ein Album mit einem eigenen Charakter."

So nahm man sich im Studio auch die befreundeten Musiker Pat O'Brian (CANNIBAL CORPSE) und Dave Linsk (OVERKILL) zur Seite und drosch das Ergebnis allein der nordamerikanischen Nachbarschaft fast 150 Mal live um die Ohren. Wobei besonders Auftritte in den US-amerikanischen Bundesstaaten für die Kanadier immer eine besondere Würze haben dürften. "Wir kappeln uns gerne, das war schon immer so", meint Monsieur Dagenais und erinnert schmunzelnd an eine Tour der selbstironischen Landsmänner STRAPPING YOUNG LAD: "Die haben als Intro 'Blame Canada' aus "South Park" laufen lassen." Rivalitäten kennt er zudem aus der eigenen Heimat: "Wir aus dem französisch sprechenden Teil dissen uns auch mit dem englischsprachigen Teil, besonders im Eishockey."

Weniger komisch findet es der Franko-Kanadier jedoch, wenn er sich die Außenpolitik der US-Amerikaner der vergangenen Jahre ansieht: "Ich schau schon gar keine Nachrichten mehr, da reg ich mich nur auf. Ich möchte mich mit positiven Dingen umgeben und zieh mir lieber einen Cartoon rein." Oder er konzentriert sich auf seinen Job als Produzent. "Ich bin der einzige von uns, der so masochistisch ist, dass er noch nebenher arbeitet", meint Jean-François. Schließlich können seine Mitstreiter Maurizio Iacono, Max Duhamel und Stéphane Barbe inzwischen ganz gut von der Band leben. "Aber für mich ist das eine Leidenschaft. Man hat zwar einen 12-Stunden-Tag, wenn man auch die eigene Band produziert, ist aber auch umso stolzer auf das Album."

Redakteur:
Carsten Praeg

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