JAPANISCHE KAMPFHÖRSPIELE: Interview mit Christof Kather

31.08.2006 | 19:20

Die Krefelder Grindpunk-Band mit dem bemerkenswerten Namen JAPANISCHE KAMPFHÖRSPIELE (kurz: JAKA) veröffentlicht Anfang September ein Best-Of-Album mit dem Titel "Früher war auch nicht alles gut". Anlässlich dessen stellt sich Sänger und Drummer Christof Kather, gleichzeitig verantwortlich für die Texte der Combo, meinen Interviewfragen und beweist dabei zuweilen einen subtilen Humor...

Erika:
Angesichts der Tatsache, dass sich eure am 04.09.2006 erscheinende CD mit euren Werken der Jahre 1998 bis 2002 befasst, möchte ich mit einer Frage zum Beginn eurer musikalischen Arbeit starten. Ich habe gelesen, dass ihr eure ersten Songs im Internet präsentiert habt und darüber quasi entdeckt wurdet. Wer ist denn da auf euch aufmerksam geworden und wie schnell entwickelten sich die Dinge so, dass ihr schließlich mit einem Label arbeiten konntet?

Christof:
Unseren ersten ernst zu nehmenden Deal hatten wir 2003 bei Bastardized. Bei denen sind wir heute noch. Wer uns zuerst entdeckt hat, weiß ich nicht. Das Internet ist ja unheimlich anonym. Ich tippe auf Roberto Loos. Oder Jens Vorbrink. Das Internet ist aber nicht nur anonym, sondern auch unübersichtlich und gar nicht einschätzbar. Ich bin auch heute noch immer wieder erstaunt, wie viele Leute auf unseren Konzerten nicht nur uns, sondern auch unsere Songs
und Texte kennen. Egal, wo wir spielen.

Erika:
Die Songs auf der neuen CD, quasi eine Art Best-Of-Scheibe sind nicht remastered worden, sondern werden erneut so
veröffentlicht, wie ihr sie seinerzeit erstmals aufgenommen habt. Warum das? Hat der teils etwas garagenartige Sound eine Bedeutung für die Aussage eurer Musik?

Christof:
Nö. Aber Remastern hätte keinen Sinn gemacht... und so schlecht ist der Sound gar nicht, bedenkt man einmal, dass wir den Großteil mit 8-Spur und Audiotape aufgenommen haben. George Lukas hätte seine Starwars-Scheiße besser auch unremastered gelassen. Remastern killt den Charme.

Erika:
Wie kam es überhaupt dazu, eine solche CD mit "gesammelten Werken" herauszugeben?

Christof:
Ganz einfach: Die ersten CDs sind vergriffen und die Nachfrage ist immer noch da. Wir hatten die alten Sachen zwar jahrelang zum Gratisdownload im Netz stehen, dachten aber, die Leute haben den Kram auch mal in guter Qualität verdient. Auch wenn "Früher war..." nicht remastered ist, so sind die Aufnahmen dennoch qualitativ höherwertiger als zisselnde Mp3s.

Erika:
Grindpunk ist nach meiner Auffassung ein recht extremer Stil, selbst im Metalgenre. Eure Texte erscheinen mir trotz oder gerade wegen der bizarren Assoziationen, die sie wecken, fast expressionistisch. Seht ihr euch selbst als Künstler?

Christof:
Natürlich! Was ist man denn sonst, wenn man nicht anders kann als Musik, Texte, Bilder zu machen? Und das ungeachtet des eigenen Kontostands. Einen goldenen Schwanz verdienen wir uns mit dem Zirkus jedenfalls nicht. Den Titel Künstler würde ich nur Bands absprechen, die eher einen Job erledigen, gefällig sind und sich pushen lassen. Sowas gibt es auch, klar. Bei JAKA kommt aber alles von Herzen. Was expressionistisch heißt, weiß ich leider nicht.

Erika:
Was steht bei der musikalischen Arbeit im Vordergrund? Spaß und Unterhaltung durch Mucke, die ordentlich knallt oder der Anspruch, Auseinandersetzungsbereitschaft mit gesellschaftskritischen Texten zu wecken?

Christof:
In erster Linie Spaß und Unterhaltung durch Texte, die ordentlich knallen. Der musikalische Anspruch war bei uns leider immer etwas zu sehr gehoben. Inzwischen sind wir aber vernünftig geworden und haben gelernt, dass einfache Arrangements die Texte noch besser knallen lassen. Mir selbst gefallen die letzten beiden Aufnahmen - die Split mit POOSTEW und die bald erscheinende Split mit BATHTUBSHITTER - am besten. Unsere alten Sachen, einschließlich "Hardcore aus der ersten Welt", sind mir musikalisch zu verkrampft. Zum größten Teil jedenfalls.

Erika:
Sehr ihr eure Musik als politisch an?

Christof:
Bisher waren die Songs eher witzig gemeint. Die nächste Platte beschäftigt sich aber zwischen den Zeilen mit der Frage, was mehr Anstand hat: Frauentausch auf RTL2 oder selbstgebastelte Bomben in Trolleys auf Bahnsteigen.

Erika:
Seid ihr selbst in anderen gesellschaftlichen Zusammenhängen politisch aktiv?

Christof:
Nicht, dass ich wüsste.

Erika:
Wie entstehen hinsichtlich der Texte Ideen für die verwendeten Szenarien?

Christof:
Durch die so genannte Cut-up-Technik. Deswegen sind JAKA-Texte nie zu persönlich. Hoffe ich. Die Schnipsel, aus denen ich später die Texte zusammenklebe, kommen überall her. Manche Infos lese oder höre ich, manche erlebe ich am eigenen Leib...

Erika:
Habt ihr Bezüge zu anderen Formen von sprachlicher Kunst, eventuell zu Gedichten, moderner Lyrik, absurdem Theater oder ähnlichem?

Christof:
Nein. Schule versaut die Originalität. Und meine Definition von Schule reicht sehr weit. Ich interessiere mich sehr wenig für das, was andere machen. Nicht, weil ich das besonders chic fände, sondern weil ich einfach so bin. Wenn es um Texte-basteln geht, bin ich sehr autistisch.

Erika:
Wie seid ihr generell zur Musik gekommen? Gibt es eine bildungsbürgerliche Vergangenheit mit dem klassischen Blockflöten- oder Klavierunterricht aus der Grundschule? (Manch einen hat das ja so verprellt, dass er im späteren Leben nie wieder einem Instrument näher getreten ist. ;-) )

Christof:
Ich hatte früher Klavierunterricht. So richtig bildungsbürgerlich mit Schlägen ins Genick, wenn ich mich verspielte. Vielleicht daher auch meine Abneigung gegen alles, was mit Schule zu tun hat. Bony kann alle Instrumente spielen. Unterricht hatte er als Kind zuerst am Schlagzeug. Die anderen Bandmitglieder kommen zum Glück aus Elternhäusern, in denen man die Kinder in Ruhe gelassen hat. Weshalb sie auch alle sehr locker und unbefangen sind
im Umgang mit anderen Menschen. Da kann man dann auch schon mal über fehlendes Knigge-Wissen hinweg sehen.

Erika:
Bewegen sich eure musikalischen Interessen heute nur im
Metal-/Grind-Bereich oder interessiert ihr euch auch noch für Veröffentlichungen anderer Richtungen?

Christof:
Interessieren ist zuviel gesagt. Ich finde aber alles andere als Metal besser zum Hören. Metal ist Sport. Wenn die Texte allerdings gut sind, ist der Sound auch mir egal.

Erika:
Soweit ich weiß, habt ihr eure künstlerische Karriere in NRW, im nicht gerade als Metropole zu bezeichnenden Krefeld begonnen.

Christof:
Das ist ja gerade das Gute. So konnten wir zugleich Lehrer und Schüler in unserer eigenen Schule sein. Ohne ständig abgelenkt zu werden.

Erika:
Wie kreativ ist die Grind- und Metalszene aus eurer Sicht in
Deutschland generell?

Christof:
Gute Bands aus Deutschland heißen z. B. DAS KRILL, KEITZER, DEAD FLESH, FASHION, ASIFLASH oder MAGGOT SHOES. Metalcore ist nicht nur in Deutschland doof.

Erika:
Wie beurteilt ihr als gesellschaftskritische Musiker die Vermarktung der Metalszene in Deutschland?

Christof:
Wir haben uns jüngst von Silentstagnation-records getrennt, weil die zu Business-mäßig drauf waren. Dort hatten wir zwei Splits herausgebracht, und dann gemerkt, dass es denen - gelinde gesagt - nur ums Geld ging. Da wir aber Musik nicht für, sondern gegen Geld machen, war eine weitere Zusammenarbeit undenkbar. Vermarktung finde ich generell scheiße. Geld macht Menschen zu Arschlöchern.

Erika:
Nun zu euren Songs selbst: Ich war ehrlich gesagt überrascht, wie melodiös sie insgesamt sind. Nun bin ich nicht unbedingt mit dem Grind-Genre verwachsen ;-), aber das hat mir ganz gut gefallen. Nicht nur wegen des letzten, versteckten Tracks eurer Scheibe hatte ich bei manchen Riffs den erfreulichen (!) Eindruck, Kerry King ziehe an meinem inneren Auge vorbei. Daher die Frage nach den musikalischen Einflüssen: Seid ihr dem Thrash zugeneigt oder habt ihr mehr alte Punk-Platten im Schrank stehen?

Christof:
Wir haben früher beide Arten von Musik gehört. Heavy und Metal. Aber eigentlich nur, um unsere Eltern zu ärgern. Seit wir nicht mehr zu Hause wohnen, können wir endlich auch schöne Musik hören. Unsere Einflüsse rühren aber in der Tat auch heute noch aus der Heavy und Metal Phase. Punk? Ich liebe ihn bzw. ich verehre ihn. Ganz natürlich für einen Neospießer.

Erika:
Wie kam es zu der Idee, 'Raining Blood' zu covern?

Christof:
Das wollte der Daniel (Ex-Gitarrist v. JAKA - Anm. d. Verf.) damals unbedingt covern.

Erika:
Im Herbst kann man euch auf einigen Gigs im Bundesgebiet live sehen. Gibt es auch Termine im Ausland?

Christof:
Zur Zeit nicht. Aber Pläne für solche.

Erika:
Wie bewertest du euer Echo außerhalb Deutschlands? Habt ihr Fans im europäischen Ausland?

Christof:
Nicht nur im europäischen. Dank myspace eigentlich auf der ganzen Welt. Weiß auch nicht, was die an uns so toll finden. Ist sicher vor allem der Kraut-Bonus.

Erika:
So, zum Abschluss gibt es noch die Möglichkeit loszuwerden, was euch wichtig ist...

Christof:
Ich kann da jetzt nur für mich sprechen. Die anderen sind ja gerade nicht da. Wichtig ist mir, dass die nächste JAKA gut wird. Auch wenn sie sich dadurch schlechter verkaufen wird als vielleicht erwartet.

Erika:
Vielen Dank für deine Geduld beim Beantworten meiner Fragen und für euren weiteren Weg meine guten Wünsche!

Christof:
Danko! Wenn du noch weitere Fragen hast bzw. sich noch weitere aus den Antworten ergeben - feel free to write again. I love interviews!

Redakteur:
Erika Becker
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