Interview mit Luca Turilli (LT's RHAPSODY), Teil 2

07.07.2012 | 13:00

Hier der zweite Teil des Interviews mit Luca Turilli, der die Lyrics von "Ascending to Infinity" beleuchtet und sich als Gitarrist sehr bescheiden sieht.

Luca, steigen wir doch mal etwas tiefer in "Ascending To Infinity" ein. Du hast ja gesagt, dass es eine große Erleichterung ist, nicht mehr an diese große "Emerald Sword Saga" gefesselt zu sein. Titel wie 'Excalibur' oder 'Dark Fate Of Atlantis' lassen aber vermuten, dass es sich wieder um Fantasy-Themen dreht.

 

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Oh, nein, nein, nein! Die Titel sind eher als Metaphern zu verstehen. Im Grunde habe ich diese narrative Technik des Symbolismus ja schon bei der "Emerald Sword Saga" sehr gerne benutzt. Es gab vordergründig zwar die Fantasy-Story, doch dahinter haben die Lyrics immer schon ein doppelte Bedeutung gehabt. Klar, Leute die RHAPSODY nicht so gut kennen, denken schnell, daß "Emerald Sword" halt die Geschichte vom Schwert des Emerald ist. Aber so meinen wir das nicht.

 

Luca schlägt wieder einen größeren Bogen ein:

Interessanterweise haben Alex (Staropoli) und ich uns bei einem Kurs für 'mental dynamics' kennen gelernt, wo man lernt, die Energien um sich herum zu kanalisieren und Kraft zu gewinnen um die Ziele in seinem Leben zu erreichen und seinen Geist weiter zu entwickeln ('spritual evolution'). Es geht hier auch und vor allem um ungemein positive Dinge, um Respekt, um Freundschaft, um Liebe, alles Dinge, an die ich sehr stark glaube. Solche Dinge stellen das Fundament der Message dar, die wir RHAPSODY vermitteln wollen. Während aber bei der "Emerald Sword Saga" jede Menge versteckter Messages zu finden waren, gehe ich jetzt aber direkter und offener vor, um über diese Dinge zu sprechen. Nimm zum Beispiel den Song 'Dante’s Inferno' (Anm. TB: Das ist ein Teil von Dante Alighieris  "Göttlicher Kömödie" aus dem 14ten Jahrhundert, die die Reise Dantes durch die Hölle beschreibt, bevor er durch das Fegefeuer (purgatorio) geht und schließlich Erlösung (paradiso) erfährt). Hier versuche ich, diese Allegorie ins wahre Leben zu übertragen. Im Text dreht es sich um die Tragödie eines Menschen, der durch ein Verbrechen die Person, die er am meisten liebt, verliert. Es geht darum, wie er sich Vorwürfe macht, weil er nichts tun konnte, um die Tat zu verhindern und sich schuldig fühlt. Er geht wie Dante durch eine furchtbare emotionale Hölle, die sich wie das Fegefeuer anfühlt. Der Song geht dann aber auch darum, wie er wieder seine emotionale Stärke gewinnt und es schafft, sich nicht mehr schuldig zu fühlen und das furchtbare Schicksal zu akzeptieren, sozusagen wie Dante seine Erlösung zu finden.

Ein anderes Beispiel ist 'Clash Of The Titans', ein Titel, der sich ja sehr nach Fantasy anhört. In Wirklichkeit hört man bei dem Song aber Geräusche des modernen Kriegs und  das Rotorflattern eines Helikopters. Was ich hier zu Ausdruck bringen will, ist der Clash zwischen Instinkt und Vernunft, ein Aspekt, von dem ich glaube, dass er die menschliche Evolution bestimmt. Denn die Vernunft ist das Element des menschlichen Geistes, welches die animalischen Triebe lenken und zähmen muss, doch es gibt immer wieder Momente, wo der Instinkt über Vernunft herrscht, vor allem im Fall von Kriegen und um diesen Kampf geht es in dem Song.

Dann haben wir ja noch das Mini-Konzept, welches die Songs 'Ascending To Infinity', 'Dark Fate Of Atlantis' und dem langen Song 'Of Michael The Archangel And Lucifer’s Fall' umfasst und wieder etwas mehr in die Fantasy-Richtung geht. Dort verarbeite ich nämlich alle diese Dinge, die mich so sehr faszinieren wie Astronomie, Science Fiction, Quantentheorie, Multiversum-Theorien, parallele Universen, Astraltore und solche Dinge, versuche dies aber auch mit religiösen Aspekten zu verbinden und einen Link zwischen Science Fiction und Religion zu schaffen. Hier sind die Lyrics wirklich ziemlich 'strange' und sehr mysthisch und erschaffen zusammen mit den gregorianischen Chören eine dunkle, graue Atmosphäre. Etwas sehr spezielles, wie ich finde.


BandDas klingt ja alles interessant und es lohnt sich wohl sehr, das Album zusammen mit dem Booklet zu geniessen und darin zu schmökern.

Eine andere Frage, wer ist eigentlich für die weibliche Stimme auf "Ascending To Infinity" verantwortlich?

Die Sopranstimme ist wieder von Bridget Fogle, die schon früher bei uns gesungen hat. Sie singt normalerweise in Musicals und ist dort sehr bekannt.

Was ich Dir aber noch sagen wollte, ist dass dies das erste Album ist, wo wir nicht mit Sascha Paeth arbeiten. Wir wollte eben auch auf dieser Ebene etwas frischen Wind reinbringen, also haben wir das Produzenten-Team gewechselt und einen neuen Sound-Engineer gefunden, Sebastian Roeders, der ja auch für den Live-Sound von KREATOR verantwortlich ist.

 

Sicherlich keine schlechte Wahl, ich finde "Ascending To Infinity" soundtechnisch wirklich überaus gelungen. Okay, ich denke zu "Ascending To Infinity" ist somit alles gesagt.

Kommen wir zu einem anderen Punkt. Luca, ich möchte ein wenig mit Dir über Dich als Gitarristen reden.  Ich höre ja sehr gerne diese neoklassischen Melodien und Dein Spiel erinnert desöfteren auch an YNGWIE MALMSTEEN. Und Du hast ja sogar eine eigene Gitarrenschule, "Neoclassical Revelations". Wie siehst Du Dich denn so unter diesen Gitarrengrößen, wie viel übst Du, wie schwer sind die Sachen, die Du da spielst?

Also ich sehe mich eigentlich hauptsächlich als Komponist und ich halte mich nicht für einen guten Gitarrenspieler. Eigentlich habe ich viel mehr Spaß, Keyboard zu spielen. Früher habe ich zusammen mit Alex am Keyboard arrangiert, aber er hatte immer das finale Wort, heute finde ich es einfach toll, allein dafür verantwortlich zu sein, ich genieße das Keyboardspiel sehr! Zum Beispiel 'Tormento E Passione' wurde komplett auf dem Piano komponiert. Bei RHAPSODY habe ich mich zwar immer als Gitarrist präsentiert aber in Wahrheit fühle ich mich als Komponist und eher lausiger Gitarrist.

 

Das finde ich jetzt erstaunlich. Deine Soli hören sich bei aller Melodie so schnell und irgendwie total komplex und schwierig an.

 

Klar, schwierig vielleicht, aber frag mich mal, was ich auf Blues oder Jazz improvisieren soll, da wäre ich wirklich nicht gut, während die großen Maestros einfach alles können, immer auf dem technisch höchsten Niveau sind und fit in allen Stilen. Ich bin, sagen wir mal, durchschnittlich gut in den Dingen, die ich wirklich spielen will und halte mich auf dem Level, dass ich in der Lage bin, meine Songs zu komponieren. Klar, früher fuhr ich voll auf Marty Friedmann, Yngwie Malmsteen und Jason Becker ab, übte acht Stunden am Tag, um mir die Technik draufzupacken. Aber ganz ehrlich, es gab auch Jahre, in den ich meine Gitarre niemals angefasst habe bis vielleicht eine Woche vor der Tour! In der Zeit, wo wir dann mit RHAPSODY die ganzen Probleme hatte, habe ich aber wieder häufiger zur Gitarre gegriffen. Ich habe die ganzen alten Tabulaturen wieder rausgekramt. Du musst wissen, ich habe früher viel Zeit verbracht, klassische Partitionen für Gitarre zu transkribieren, Paganini, Vivaldi, Chopin, Bach u.v.m. das hat fast mehr Zeit gekostet als das Spielen selber. Die Idee, warum ich diesen Kurs angeboten habe, war eher, jungen Gitarristen einen einfacheren Start zu geben und meine Tabulaturen zur Verfügung zu stellen.

 

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Das ist schon aller Ehren wert. Ich habe schon erlebt, dass junge Gitarristen sich geehrt fühlen, wenn man ihnen sagt, sie klingen nach Dir!

 

Haha, ein interessanter Aspekt hierbei mag sein, dass viele Gitarristen vielleicht eher für die Solos die sie komponiert haben, berühmt sind als für ihre technischen Fähigkeiten. Ich finde manchmal, bei allem Respekt für schnelles Spiel und Technik, dass solche Musik sich fast wie Lärm anhört, und die verliert dann schnell das faszinierende Element. Die Berühmtheit eines Gitarristen korreliert vielleicht auch oft mit dem Bekanntheitsgrad des Songs, beispielsweise erwähnen viele das Solo von 'Unholy Warcry', was aber noch lange nicht bedeutet, dass diese Gitarristen – ich eingeschlossen – dann auch gut sind, haha!

 

Hast Du schon das neue Soloalbum von JEFF LOOMIS gehört?

 

JAAA, das ist wirklich 'amazing', natürlich! Ich bin ja total süchtig nach dieser sweep-Technik und diesen ganzen Arpeggios und es erinnert schon sehr an Marty Friedmann oder Jason Becker.

 

Damit ist jetzt Zeit, die Vergangenheit von RHAPSODY nochmal Revue passieren zu lassen. Im dritten Teil wird Luca über Höhe- und Tiefpunkte reden und gibt zu jedem Album ein Statement ab, was es ihm retrospektiv heute bedeutet. So stay tuned!

Redakteur:
Thomas Becker

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