Interview mit IHSAHN

19.01.2010 | 12:59

IHSAHN hat mit "After" ein Album veröffentlicht, das dem Prog-Fan genauso gut reinlaufen dürfte wie den Verehrern seines Lebenswerks. Wir nutzten die Gelegenheit, um mit Ihsahn zu sprechen.

Meine Beichte, dass ich normalerweise nicht viel mit Black Metal, IHSAHN und EMPEROR zu tun hatte und "After" sehr stark finde, erfreut Ihsahn. "Das freut mich sehr zu hören, denn bisher habe ich immer irgendwie mit dem Schatten meiner Vergangenheit zu kämpfen gehabt. Wenn "After" jetzt auch neue Leute erreicht, ist das für mich definitiv ein Fortschritt. Ich meine, viele Leute glauben immer noch, dass ich meine beste Musik mit 17 Jahren gemacht habe, aber das ist etwas, was ich nicht wirklich glauben kann. Heute bin ich 34. In der Zeit habe ich mich als Musiker unglaublich verbessert. Ich hatte schon immer Ideen und Visionen, wie meine Musik klingen soll und heute bin ich näher an diesen Visionen als jemals zuvor." Dazu gehört auch die Sprengung gängiger Grenzen und das Einbauen von Jazz und schrägem Saxophon in das Gesamtkunstwerk. "Es ist bislang nicht so oft vorgekommen, dass ein Saxophon in dem Raum gespielt wurde, in dem ich mich gerade aufhielt. Und ich mag das Saxophon schon seit vielen, vielen Jahren. Es hat so etwas Melancholisches. Von daher wollte ich schon lange etwas mit Saxophon machen. Der Grund warum es diesmal geklappt hat, ist einfach, dass ich über verschlungene Pfade in meiner direkten Umgebung auf Jorgen Munkeby von SHINING gestoßen bin, der das Instrument genau so spielt, wie ich es mir vorstelle. Er hat diesen chaotisch-experimentellen Jazz-Stil, das war eine unglaubliche Erfahrung. Vorher hatte ich schon die Befürchtung, dass es ein Risiko ist, das Saxophon einzubauen, weil ich auch keine Erfahrung bei der Produktion des Instruments habe. Es hätte auch wie eine Parodie klingen können. Etwas, das einfach übergestülpt wurde und nichts mit dem Rest der Musik zu tun hat. Aber es hat zum Glück einwandfrei geklappt."

Die nötigen Haken, die der Hörer braucht, um dem progressiven Gestrüpp folgen zu können, geben die noch häufiger eingestreuten cleanen Vocals. "Ich versuche mich natürlich auf jedem Album beim Gesang zu verbessern, ohne dabei aber gleich zu sauber zu klingen. Meine Musik soll ja nicht wie DREAM THEATER klingen. Aber wenn man nicht gerade ein erfahrener und gelernter Jazz-Sänger ist, folgt man natürlich immer Melodien, die dadurch auch sehr zugänglich klingen." Das ist auch nötig, immerhin besteht die Rhythmussektion nach wie vor aus den SPIRAL-ARCHITECT-Frickelkönigen Asgeir Mickelson (dr.) und Lars Norberg (b.). Eine echte Band wird diese Verbindung aber wohl nicht. "Lars habe ich erst einmal in meinem Leben gesehen, als ich mit IHSAHN eine Show gespielt habe. Mit einer komplett anderen Backingband. Aber sie sind natürlich unglaublich gute Musiker und für mich war es nach "AngL" klar, dass ich wieder mit den beiden arbeiten würde."


Generell bleibt Ihsahn auch lieber Studiomusiker, der gelegentlich auf Festivals spielt. "Ja, im Studio fühle ich mich am wohlsten. Ich kann neue Ideen ausprobieren, kreativ sein, bin bei der Familie und schlafe in meinem eigenen Bett. Das Tourleben war nie etwas für mich. Man sieht seine Familie nicht, schläft kaum, um einen herum sind lauter Betrunkene, man ist am nächsten Tag immer fertig, fühlt sich schmutzig und verbringt die meiste Zeit des Tages damit auf den Gig zu warten und nichts Produktives zu tun. Das macht mir keinen Spaß. Ich spiele lieber auf einigen ausgesuchten Festivals als Headliner und erreiche auch dadurch eine Menge Leute und habe gleichzeitig etwas Unvergessliches, von dem ich noch meinen Enkeln vorschwärmen kann. Ich lebe jetzt seit 18 Jahren von meiner Musik auf die Weise, wie ich es liebe und ich hoffe, dass es auch immer so bleiben wird."

Die schwere Krise, in der die Musikindustrie steckt, verfolgt Ihsahn daher natürlich mit großer Skepsis und Neugier. "Ja, es wird natürlich immer schwieriger Musik zu verkaufen. Erst haben die kleinen Musikläden geschlossen, dann folgten die ersten kleinen Labels und vor kurzem auch die ersten größeren. Niemand braucht mehr professionelle Studios, weil man das zu Hause machen kann, keiner veröffentlicht mehr Demos, sondern immer schon fertige Alben. Die Musiker versuchen ihre Geld also über Konzerte zu verdienen, spielen mehr und mehr Shows, verlangen mehr und mehr Gage und die Booker mehr und mehr Geld. Daran wird dann auch die Clubszene irgendwann zugrunde gehen. Das ist wie eine Kettenreaktion, die die Musikszene kaputt machen wird. Da bin ich schon glücklich, dass meine Musik zu einem Subgenre gehört, wo die Fans die Musik noch wirklich schätzen und bereit sind dafür zu bezahlen und sich dann zu Hause hinsetzen mit einem hübschen Cover und den Texten in der Hand und aufmerksam das Produkt genießen. Ich kann mir nicht mal vorstellen, wie mein Leben ohne Musik aussehen würde."

Redakteur:
Peter Kubaschk

Login

Neu registrieren