In der Gruppentherapie: PHARAOH - "Be Gone"

23.04.2008 | 18:46

Es gibt keinen tollen traditionellen Metal in der Neuzeit mehr? PHARAOH haben diese These mit ihren bisherigen Werken "After The Fire" und "The Longest Night" meisterlich widerlegt. Ob sie mit "Be Gone" dort anknüpfen können, haben wir unter der Lupe begutachtet.

Bislang waren mir PHARAOH nur vom Namen her geläufig. Bereits nach der ersten Umdrehung dieser Scheibe, die hochwertigen Power Metal mit einigen Progressive-Metal-Elementen bietet, war ich schwer von ihr angetan. Mit zunehmender Hördauer wuchs sie sogar noch. Die Songs bieten viel Abwechslung und glänzen zum einen durch den charismatischen, unverwechselbaren Gesang von Tim Aymar (ex-CONTROL DENIED) und zum anderen durch feine Gitarrenarbeit. Treibende Uptempo-Abschnitte sind ebenso präsent wie supermelodische, gediegene Nummern, die weitab von klitscheetriefendem Euro-Tralala-Metal mitreißen und verblüffen. Das Songmaterial ist durchgehend als weit überdurchschnittlich zu klassifizieren. Besonders genial klingen aus meiner Sicht das schnelle 'Rats And Rope' und das mit einem Götter-Refrain gekrönte 'No Remains'. Auch 'Red Honor' und 'Cover Your Eyes And Pray' reißen mit und überzeugen mittels einprägsamer, sehr gelungener Gitarren-Leads. Lediglich 'Buried At Sea' hält das qualitativ sehr hohe Niveau der anderen Titel nicht ganz, ist aber nichtsdestoweniger als gelungen zu bezeichnen.

Auch wenn ich keinen Vergleich zu den beiden Vorgängeralben ziehen kann, so ist "Be Gone" auf alle Fälle ein Werk, das durch kompositorischen Facettenreichtum bei zumeist hervorragender Melodieführung glänzt und einen hohen Spannungsfaktor besitzt. Langeweile kommt auch nach zigfachem Hören dieses Albums nicht im Entferntesten auf. Kein einziger schwacher Song ist zu verbuchen. Meiner Meinung nach ist "Be Gone" ein heißer Aspirant auf eine der Top-10-Scheiben des Jahres 2008 im traditionellen Metal-Genre. Unbedingt antesten!
[Martin Loga]

PHARAOH bieten auf "Be Gone" eine geile Mischung aus altbekanntem Power Metal der Sorte RUNNING WILD in den Achtzigern, einer gehörigen Portion NWoBHM (vor allem die Leads erinnern an das unverkennbare Spiel von MAIDENs Adrian Smith) und teils flächigen bis sphärisch-progressiven Einschüben, wie man sie von den ruhigen DREAM THEATER-Momenten kennt. Dabei kommt ein extrem unterhaltsames Album heraus, das in seinen Stimmungen absolut ausbalanciert durch die neun Tracks flaniert und zu keiner Sekunde langweilig wird.

Ein reinrassiger Power-Metal-Hit ist zum Beispiel 'No Remains', eine Nummer, die vor überschäumenden (Twin)-Klampfen-Leads und Eierschneiderduellen fast birst und deren brillanter Refrain dem äußerst eingängigen Griffbrettgewichse die hymnische Headbangerkrone aufsetzt. In selbige Kerbe bolzen reinrassige Pommesgabelrecker wie 'Red Honor' und 'Dark New Life', Power-Metal-Granaten mit Sinn und Verstand und einem großen Herz für Detailverliebtheit und Abwechslungsreichtum. Apropos Abwechslung: Der Opener 'Speak To Me' ist ein Vorzeigebeispiel für die hohe Kunst durchdachten Komponierens. Obwohl die Nummer vordergründig eingängig ins Ohr fließt, finden sich auch noch nach zwanzig Durchläufen genug Feinheiten und instrumentale Technikschmankerl, die einem ein Langweiligwerden der Scheibe unendlich schwermachen.

Es gibt aber nicht durchweg schwere Powerkost, sondern auch heavy swingende Einschübe wie etwa 'Cover Your Eyes And Pray', das den Ohren völlig MAIDEN-lastig schmeichelt. Den sauberen Kontrast dazu bildet die recht raubeinige Röhre von Sänger Tim, der zwar immer an seinen Grenzen trällert, dabei aber sowohl im Shouting als auch in den cleanen Harmonien eine gute Figur macht.

Tja, ich will's nicht zu lang machen, es kommen ja schließlich noch ein paar Schreiberlinge. Unterm Strich eine glatte Empfehlung an alle Metaller, die Härte mit Anspruch, Druck gepaart mit Streicheleinheiten sowie Melodien ohne Kitsch und Pathos mögen.
[Alex Straka]

Es gibt viel zu wenige Bands, die es schaffen, traditionellen Metal zu spielen, ohne dabei antiquiert zu klingen, und bei dem man sich nicht während des ersten Durchlaufs wünscht, das (viel!) bessere Original zu hören. PHARAOH gehören zu dieser raren Spezies, denn immerhin haben sie neben einem großartigen Sänger auch noch Songs, die nicht wie ein x-beliebiger Klon von IRON MAIDEN oder alten FATES WARNING klingen, um hier mal die beiden vorherrschenden Einflüsse zu nennen. Hier gibt es druckvollen, stark produzierten, manchmal gar mit modernem Riffing ('Speak To Me') versehenen Heavy Metal, der mit massig eingängigen Hooks und stilvollen Refrains glänzt. Zwar fehlt auf "Be Gone" ein Soon-to-be-Classic wie 'By The Night Sky' vom Vorgänger, aber solange es Glanztaten der Marke 'No Remains' oder 'Buried At Sea' gibt, ist das nur ein klitzekleiner Makel. Alttraditionalisten müssen hier genauso zugreifen wie Fans von knackigem Metal der Marke NOCTURNAL RITES oder TAD MOROSE. Zwingend.
[Peter Kubaschk]

Es war beim KIT VI, als mich Sir Lord Doom geradezu drängte, "The Longest Night" von PHARAOH zu kaufen. Da ich den Gesang von Tim Aymar schon bei CONTROL DENIED toll fand, nahm ich die Scheibe auch mit, und ich habe es seither nie bereut. Im Gegenteil, das Album wurde von Durchlauf zu Durchlauf immer stärker, und ein Song wie 'By The Night Sky' ist eh für die Ewigkeit gemacht. Zwei Jahre später melden sich PHARAOH mit ihrem inzwischen dritten Album zurück, und die Messlatte für "Be Gone" hängt extrem hoch. Doch schon mit dem Opener 'Speak To Me' werden sämtliche Zweifel zerstreut: PHARAOH vereinen Tradition und Moderne in hervorragender Weise, und vor allem Gitarrist Matt Johnsen weiß Akzente zu setzen. Mit den beiden folgenden Stücken sind die US-Amerikaner auch weiterhin recht flott unterwegs, wobei 'Dark New Life' ein paar Durchläufe mehr braucht, um sich im Gehörgang richtig festzusetzen. Aber auch 'No Remains' hat Langzeitqualitäten: Hört man anfangs vor allem die BLIND GUARDIAN-Einflüsse heraus, so entpuppt sich die Nummer später als einundert Prozent PHARAOH. Mit 'Red Honor' geht es dann vergleichsweise geradlinig weiter, ehe es bei 'Buried At Sea' wieder vielschichtiger wird: Hier und da gibt es progressive Einschübe, so dass sich die Instrumentalfraktion immer wieder auszeichnen kann. Aber auch Sänger Tim Aymar kann zeigen, was er draufhat. Ja, und dann ist da noch dieser Refrain, der einen gar nicht mehr loslässt. 'Rats And Rope' ist dann wieder relativ kompakt ausgefallen, doch bei den letzten drei Stücken sind die progressiven Elemente wieder da - bei 'Cover Your Eyes And Pray' und 'Telepath' noch eher verhalten, beim abschließenden Titelsong sogar sehr vordergründig. An der power-metallischen Grundausrichtung ändert dies aber gar nichts, und so sprechen diese Songs wie auch das ganze Album sämtliche Metal-Traditionalisten an, die sich bewusst sind, dass wir inzwischen das Jahr 2008 schreiben. Besser kann man in den Achtzigern verwurzelten Heavy Metal nicht in die Moderne transportieren.
[Martin Schaich]

Uh ja, Gitarren! PHARAOH (nicht zu verwechseln mit den ehemals unter dem Namen REGENBOGEN laufenden Ostrockern) geben einem zurück, was man vielleicht in den letzten Jahren vermisst haben könnte: originelle Gitarren, eingängige Refrains und eine unverkrampfte Herangehensweise, die die Songs einfach zu einem Erlebnis werden lassen. Und auch wenn nichts davon unvorhersehbar oder gar innovativ ist, so ist doch jeder Song fast schon ein garantierter Klassiker, der wahrscheinlich bei jedem Konzert der Band das Publikum in eine schreiende Menge verwandelt. Songs wie 'Speak To Me', 'Red Honor' oder 'Buried At Sea' haben alle Refrains, die zünden, eine enorm dominante Gitarrenfront, Soli über Soli, die sich an einfallsreichen Versgitarren vorbeizwängen, sowie eine raue, teilweise an Bruce Dickinson erinnernde Stimme, was zusammen eine Platte ergibt, die mich jedes mal die Augen schließen und die Zunge genießerisch über die Lippen gleiten lässt, sofern mir das wilde Kopfschütteln dazu die Zeit lässt. Songs, bei denen man sich eine Zeitmaschine wünscht oder zumindest ein Konzert der Jungs, um die Gelegenheit zu haben, sich zu diesen unheimlich gelungenen, originellen und irgendwie auch frisch klingenden Gitarrenwänden eine zweite Haut aus Schweiß zu erbangen.
[Lars Strutz]

Das dritte Werk von PHARAOH hat vom Start weg ein kleines Handicap. Im Gegensatz zu dem Meisterstück "After The Fire" liegt die Messlatte aufgrund der Erwartungen der PHARAOH-Kenner ziemlich hoch. Denn das erste Werk war eine völlige Überraschung, die man Tim Aymar nach der ganz großen CONTROL DENIED-Scheibe zwar zugetraut, aber von der man nicht zu hoffen gewagt hatte. Die zweite Platte "The Longest Night" war immerhin eine mit Spannung erwartete Bestätigung, aber jetzt wollen wir genau das Gleiche zum dritten Mal: perfekten Power Metal mit Schmiss und Melodie auf einem schwindelerregenden Niveau. Eben genau wie vorher. An einer solchen Klippe sind schon ganz andere zerschellt, nicht aber PHARAOH. "Be Gone" ist tatsächlich Teil drei dieser phantastischen Erfolgsgeschichte und genauso gut wie der Vorgänger. Gitarrenläufe und bravouröse Gesangsmelodien lassen die Songs ins Ohr gehen, die treibende Rhythmussektion lässt keinen Kopf ungebangt, und die Soli sind durchweg überzeugend. Es gibt keinen Ausfall; Anspieltipps zu nennen, wäre Quatsch, denn hier sitzt jeder Ton. Aktuell finde ich "After The Fire" zwar noch knapp stärker, aber das liegt sicher an ... siehe oben. Eine Metalsammlung ist ein Witz ohne die drei PHARAOH-Scheiben.
[Frank Jaeger]

Im Gegensatz zu manchem Mittherapeuten dieser Gruppe kann ich an die dritte Scheibe der Pharaonen aus den Vereinigten Staaten recht unbefangen herangehen, weil ich die beiden Vorgänger nie komplett gehört habe, sondern nur auszugsweise. Deshalb hatte ich im Vorfeld keine allzu übermenschlichen Erwartungen an die Band um den ehemaligen Schuldiner-Kollaborateur Tim Aymar und konnte mich ganz entspannt auf das Album einlassen. Dabei muss ich sagen, dass mich die Scheibe ruckzuck in Beschlag genommen hat und noch immer weiter wächst, weil sowohl die Gitarren ohne Ende braten, die Refrains umgehend zünden, es die Band aber trotzdem perfekt versteht, ihre Songs mit dermaßen vielen kleinen, aber wirkungsvollen Kabinettstückchen zu spicken, dass der Hörer auch beim x-ten Durchlauf noch Sachen in Songs entdeckt, die er meinte, schon komplett auswendig zu kennen.

Gespannt bin ich auf die Reaktionen der True-Metal-Affectionados, die ja bisher stets große Stücke auf PHARAOH hielten, sich nun aber mit der Tatsache konfrontiert sehen, dass ihre Faves sich für das neue Album recht ausgiebig von einem ihrer Lieblings-Feindbilder haben inspirieren lassen. Nein, nicht von irgendwelchen Emos, sondern von den vier Jungs aus Krefeld, die sich gerne mit Drachen, Barden, Hobbits und Elben befassen. So kommen bei etlichen Stücken schon sehr deutliche BLIND GUARDIAN-Vibes durch, sei es bei der Art der Chöre, bei einigen Hooklines oder auch bei den Gitarrenharmonien. Ganz besonders mag etwa 'No Remains' als Beispiel für dieses neue Element dienen.

Doch um die Skeptiker gleich zu beruhigen: Ihr braucht keine Angst zu haben, dass sich die Jungs in überambitionierten Arrangements, kopflastigem Songwriting und klinischer Produktion verlieren. Sie haben sich die melodische Eingängigkeit und die Fähigkeit, Hymnen zu schreiben, draufgepackt, ohne den nötigen Biss und die Aggression zu verlieren, so dass ich überzeugt bin, dass nach einigen Hördurchläufen auch die alten Fans überzeugt werden können. Denn diese Band vereint auf "Be Gone" wirklich das Beste aus den Gegenpolen des progressiven US Metals und des deutschen Melodic Metals.
[Rüdiger Stehle]

Mit "The Longest Night" gelang PHARAOH vor zwei Jahren ein rundum geniales Album, dem der Klassiker-Status schon jetzt sicher ist. Diese unvergleichliche Mischung aus IRON MAIDEN, klassischem US Metal und gediegenem Progressive Metal eroberte mein Herz und meine Seele damals im Sturm. Extrem hoch lag also die Messlatte für den Nachfolger "Be Gone". Stilistisch gibt es nur minimale Veränderungen zu verzeichnen. Die neue Scheibe wirkt insgesamt komplexer, dichter und auch etwas dunkler. Mit 'Speak To Me' haben PHARAOH einen sehr starken, aber auch mutigen Opener gewählt, weil dieser vielschichtige Song ein paar Durchläufe braucht, um wirklich mächtig zu zünden. Matt Johnsens Gitarrenarbeit ist wieder mal von einem anderen Stern, voller sprudelnder Kreativität und in äußerst angenehmen, eindringlichen Klangfarben. Etwas eingängiger und hymnischer wird es dann mit 'New Dark Life'. Ganz groß kommt der famose Uptempo-Kracher 'No Remains'. Leider wird aber spätestens hier auch deutlich, dass Sänger Tim Aymar stimmlich schon mal besser drauf war, an vielen Stellen fehlt es ihm an Ausstrahlung und dem letzten Quäntchen Power. Desselben Eindrucks konnte ich mich schon beim eher durchwachsenen Keep-It-True-Gig der Jungs nicht erwehren. Das soll allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass PHARAOH auf "Be Gone" wieder mal fast ausnahmslos hervorragende Songs ('Red Honor', Rats And Rope', 'Telepath' – Hell, YEAH!) am Start haben und weiterhin zu den besten Metal-Acts der Gegenwart gehören. Den direkten Vergleich gewinnt für mich im Moment aber "The Longest Night", weil mich diese Platte einfach mehr mitgerissen hat. Ist allerdings möglich, dass ich das in einem Jahr oder so anders sehe, denn "Be Gone" wächst bestimmt mit der Zeit noch.
[Martin van der Laan]

Im Gegensatz zum Zweitling "The Longest Night", welcher sich bei mir erst nach einer längeren Vorglühphase zum absoluten Dauerblockierer im Player mausern konnte, zündet "Be Gone" sofort. Die Songs wirken kompakter, ohne dass PHARAOH dabei von ihrer bisherigen Linie abweichen würden. Nach wie vor regieren überragende, zumeist doppelläufige Gitarrenmelodien, die oberflächlich betrachtet an IRON MAIDEN erinnern. In Wirklichkeit sind es aber THIN LIZZY, die an einigen Ecken Pate gestanden haben. Ich verweise nur auf das atmosphärisch-getragene 'Buried At Sea', welches mit sieben Minuten Länge eh schon auffällig wird. Ein Song, der schon beim ersten Durchlauf aufhorchen lässt, dann aber genügend Details beherbergt, um mit jedem weiteren Hören neue Feinheiten preiszugeben. Und genau das ist es, was PHARAOH von vielen Leidgenossen positiv abhebt: Die Kompositionen wirken einerseits oberflächlich eingängig ('No Remains', 'Cover Your Eyes And Pray'), sind danach aber derartig detailverliebt, dass sie sich auch bei endloser Rotation nicht abnutzen, oder sie klingen anfänglich leicht sperrig ('Red Honor', 'Telepath' oder 'Rats And Rope') und entpuppen sich erst mit einiger Zeit zu fantastischen Ohrbalsamierern. Als Sahnehauben liefern PHARAOH obendrein mit dem genialen Titelsong, dem pfeilschnellen 'Dark New Life' und dem superben Opener 'Speak To Me' Songs für den metallischen Himmel. Kniefall-Musik halt. Obwohl ein Überhammer wie 'By The Night Sky' dieses Mal zu fehlen scheint, ist es der Band um Tim Aymar gelungen, mit "Be Gone" die dritte Wundertüte in Folge einzuspielen. Kinder, unterstützt diese Band und kauft die Alben. Besseren Heavy Metal werdet ihr in diesem Jahr kaum geboten bekommen!
[Holger Andrae]

Redakteur:
Holger Andrae

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