Hollenthon (Listening-Session)

07.05.2008 | 10:14

Sieben lange Jahre haben HOLLENTHON mit einer neuen Platte auf sich warten lassen. Umso überraschender die Ankündigung, am 30. Mai 2008 ein neues Album, "Opus Magnum", veröffentlichen zu wollen. Wir haben uns das Werk schon im Voraus angehört. Und eins ist sicher: Die lange Pause hat HOLLENTHON nicht geschadet.

Mike Gröger und Martin Schirenc von HOLLENTHONVon den österreichischen HOLLENTHON gaben sich in München Martin Schirenc (Gitarre und Gesang) und Mike Gröger (Drums) die Ehre und stellten ihr neues Album "Opus Magnum" vor.

Erstens Faulheit und zweitens die Touraktivitäten mit PUNGENT STENCH sind für Martin, den Mastermind hinter HOLLENTHON, der Grund, warum die neue Veröffentlichung ganze sieben Jahre hat auf sich warten lassen. "Nachdem das mit PUNGENT STENCH vorbei war, hat mir das eigentlich sehr viel Spaß gemacht mit HOLLENTHON," so Martin weiter. "Es ist eine ganz andere Herangehensweise, einfach viel offener. Durch die ganze Instrumentierung haben wir keinen festgefahrenen Stil wie zum Beispiel Old School Death Metal oder so, sondern können fast machen, was wir wollen. Die Grenzen sind nicht so eng gesteckt." Und so werden auf "Opus Magnum" nicht nur verschiedenste Spielarten metallischer Couleur zu hören sein, sondern auch fremde, indische Klänge, Steinzeit-Chöre und Stoner-Rock-Vocals.

Eröffnet wird das Album durch treibende Violinen und ein schönes Zusammenspiel aus Gitarre und Keyboard. Sobald sich Martins charismatische Stimme erhebt, sind die letzten Zweifel ausgeräumt: HOLLENTHON are back in town, äh, dungeon. Spätestens mit dem Chor im Mittelteil entfalten sich die speziellen Markenzeichen von HOLLENTHON im Raum und entführen den Hörer in die düstere Welt des Schwarzmetalls. Beendet wird der eindrucksvolle Opener 'On The Wings Of A Dove' mit einem groovigen Riff, das klar macht, Opus Magnum Coverdass auf diesem Album Fröhlichkeit ungeschliffener Härte Platz machen musste. Martin verrät: "Das Album ist düsterer geworden. Mittelalterliche oder mitteleuropäische Folklore-Parts, wie wir sie früher hatten, fehlen auf diesem Album. Dadurch ist es Black-lastiger geworden."

Das zweite Stück der Platte, 'To Fabled Lands', wird durch ein sehr stampfendes Heavy-Riff eröffnet, besticht aber im wesentlichen durch eine melancholische, fast schon leicht anmutende Hookline. Im Mittelteil setzt dann der Bass deutliche Akzente: "Ich finde die moderne Instrumentierung heutzutage oft langweilig", so Martin. "Die Gitarren werden immer tiefer, und den Bass hörst du kaum. Vielleicht merkst du was, wenn er aufhört zu spielen; zum Song trägt er meist nichts mehr bei." Umso interessanter ist der Bass an dieser Stelle, da er durch die Akzentuierung einen unheimlichen Groove freisetzt. Zur Entstehung dieses Parts weiß Martin zu berichten: "Die Basslinie hat unser Bassist dazu gemacht, nachdem die Songs fertig waren. Er hat probiert, den Song zu bereichern, und eben versucht, nicht nur eine tiefe Frequenz zu dem ganzen Mix beizutragen." Gleichermaßen ist dies ein Jubiläum, denn: "Früher habe ich den Bass selber eingespielt, aber dadurch, dass wir jetzt einen sehr guten Bassisten haben, habe ich mir gedacht: Es kann nur besser sein, als wenn ich das mache", scherzt Martin. Beschlossen wird der stampfende Song durch einen kurzen Exkurs in den Doom-Sektor verbunden mit einem genialen Streichereinsatz.

Martin SchirencSchon bei den ersten Tönen fällt auf: Hier wird geklotzt, nicht gekleckert. Bestimmt wird 'Son Of Perdition', das auch für einen abgefahrenen Videoclip herhält (dazu später mehr), durch einen außergewöhnlichen, Steinzeit-Menschen-Chor, wie ich ihn mal nenne. Dieser Chor besteht aus kurzen Rufen – ich assoziiere damit sofort eine tausendköpfige Menschenmasse bekleidet mit Fellen, die ihre Keulen schwingen und sich darauf einstellen, eine Herde Mammuts anzugreifen –, die in rhythmischen Abständen wiederholt werden. Abseits meiner Gedanken stellt sich beim Hören des Songs sofort ein rhythmisches Mitwippen meines Kopfes ein. Wenn die Jungs das live genauso bringen, ist da vor der Bühne kein Halten mehr. Der Mittelteil weist einen Hammer-Ohrwurm-Refrain auf, der direkt übergeht in einen melodischen Part, getragen von Sitar, Streichern und wunderbaren weiblichen Vocals. Am Schluss wird das Prinzip vom Anfang noch einmal wiederholt. Für mich das Highlight des Albums – bis jetzt.

'Ars Moriendi' drückt erstmal kräftig aufs Gaspedal. Mike, ebenso wie Martin Mitglied der ersten Stunde und für die Drums verantwortlich, erklärt dazu: "Diesmal sind es mehr Doublebass-Parts geworden als auf den letzten Alben. Dort gibt es vielleicht ganze zwei Nummern, wo ich ähnlich spiele. Und vor allem sind sie diesmal noch schneller." Im Refrain schippern HOLLENTHON deutlich in die Binnengewässer moderner Black-Metal-Bands, doch die Abwechslung des gesamten Album unterstreichend hält man sich dort nicht lange auf. Zum ersten Mal darf dort auch die Gitarre solierend agieren. Eine langsamere Wiederholung des Anfangsparts mit dem Piano im Vordergrund macht dieses Lied zum dunkel-düsteren Höhepunkt des Albums.

Im Gegensatz zum vorherigen Lied werden wir bei 'Once We Were Kings' mit einem ruhigen Intro aus Sitar und Streichern auf eine unkomplizierte Nummer mit Gothic- und Power-Metal-Elementen vorbereitet. Das Hauptthema in diesem Song besteht aus einem Wechselspiel aus weiblichem Gesang und Chor, die sich sozusagen den Ball gegenseitig zuwerfen. Auffallend an diesem Lied ist der kurze Ausflug in die für unsere Website namensgebende Spielart des Metal, den Power Metal. Markiert wird er durch konsequent abgedämpfte Gitarren, die den lockeren Charakter des Stücks gut unterstreichen. Bevor das Lied mit einem netten True-Metal-artigen Chorpart ("Kings, Kings") beendet wird, markieren flüssige Gitarrenläufe und langsames Riffing den Übergang von Power zu Gothic. Eine interessante Nummer, die zu überraschen weiß.

Die Cover der ersten AlbenLied Numero sechs, 'Of Splendid Worlds', wartet mit einer abgefahrenen Gitarrenarbeit auf. Sowohl das Intro als auch der darauf folgende Doompart bestehen aus einer recht verrückt-virtuosen Melodie, deren Akkorde wunderbar dissonant aus den Boxen schallen. Erwähnenswert ist hier der epische Chor, ein klares Markenzeichen von HOLLENTHON. Zum zweiten Gitarrensolo der Platte führt uns ein kräftiger Power-Part in Kombination mit abgestoppten Chören, die sich gegenseitig immer weiter aufstacheln und Spannung erzeugen. Bevor eine zweistimmige Gitarre die Klimax des Liedes einläutet, kommt zur weiteren Spannungssteigerung ein Pianopart ins Spiel, dessen Melodien in Verbindung mit Martins Stimme Gänsehaut erzeugen. Ein epischer Düster-Metal-Part lässt das Lied ausklingen, das vom Songaufbau her eine kompositorische Meisterleistung darstellt.

'Dying Embers', das vorletzte Lied der Platte, überrascht zuerst mit einem rockigen Balladenteil zu Beginn, wunderbar pointiert durch die erstmals cleane Stimme Martins. Herausgerissen aus dieser Stoner-Rock-Attitüde wird man durch den abrupten Übergang zum sinfonischen Black Metal. Hier bestimmen dunkle Gitarren und eine rasende Doublebass das Bild.

'Misterium Babel' ist schon das letzte Stück, das wir zu hören bekommen, und stellt das Ende der regulären Scheibe dar. In der Limited-Version des Albums wird es einen Coversong der kanadischen Band THE TEA PARTY geben. Der Beginn des Liedes entlässt den Hörer in indische Gefilde. Träumerisch werden hier orientalische Melodien vorgetragen, die gut auf das einstimmen, was da folgen soll: Nach dem Intro bläst uns eine fette Gitarrenwand entgegen, druckvoll durch ihr ruhiges, überlegtes Riffing. Im Anschluss verbinden sich dann der weibliche Gesang und die Black-Metal-Instrumentierung zu einer satanischen Wucht, in der auch Martin noch einmal zeigt, dass er der bessere, weil rohere Shagrath ist. Dann lassen HOLLENTHON noch einmal ihre kompositorischen Muskeln spielen und greifen die Melodien vom Anfang auf, schaffen eine erhabene, getragene und träumerische Atmosphäre, die dabei dennoch nie langweilig gerät. Aufgerüttelt wird der Hörer anschließend durch eine Speedattacke, die einem noch einmal richtig eins in die Fresse gibt.

Völlig ausgepumpt und fertig werden wir von einer unglaublich spannungsgeladenen und dabei dennoch großartig zu hörenden Session aus orientalischen Rhythmen und Melodien, genialer E-Gitarre und virtuosen Drums ins Reich Shivas geschossen und verbleiben dort erstmal im Reich des Nichts, bevor wir vom viel zu früh kommenden Ende der teils komponierten Jam-Session in die triste Wirklichkeit zurückgerissen wird. "Das Lied war eigentlich eine First-Take-Sache", erklärt Martin. "Uns ist da gerade nichts eingefallen. So haben wir halt gespielt, und ich habe aufgenommen. Genutzt haben wir am Schluss drei Minuten, gespielt ca. eine Stunde. Ich habe es so zusammengeschnitten, dass es schon noch eine Jam bleibt, in den Gitarren aber auch System steckt. Im Prinzip soll es in Richtung der Siebziger-Jahre-Rock-Bands gehen. Sie haben zwar eine Linie, aber es ist dort nicht jeder Ton vorgeschrieben, und sie spielen Soli drüber. Solche Soli wollte ich halt nicht mit der Gitarre spielen, sondern wollte, dass sie auch mit indischen Instrumenten gemacht werden." Alles in allem macht dieser Schluss das Lied für mich zum besonderen Highlight des Albums. Es ist nicht nur eine geile Metalnummer, sondern hat schon fast Ambientattitüde. Klasse.

Mike GrögerZum dritten Song der Platte gibt es, wie angedeutet, einen Videoclip. Dieser Clip besticht durch seine abgefahrene Optik. Das visuelle Hauptthema sind drei Tänzerinnen, die sich in einer Art Ausdruckstanz auf einer Bühne räkeln. Mike bringt es mit einem Augenzwinkern auf den Punkt: "Eigentlich ist es ein Hip-Hop-Video. Wir haben Tänzerinnen, einen Hund (Pitbull oder ähnliches Kaliber – Anm. d. Verf.) und posen rum." Spannend und außergewöhnlich ist es aber allemal. Warum die Wahl auf 'Son Of Perdition' fiel, erklärt mir Martin: "Es hat da ein paar Überlegungen gegeben. Zum einen darf ein Song für einen Videoclip eine gewisse Länge nicht überschreiten. Und dieser Song ist einer der wenigen, der unter fünf Minuten bleibt. Zudem wollten wir einen Song haben, der zugänglich ist, so dass ihn, wenn er irgendwo gespielt wird, auch Leute anhören können, die nicht unbedingt auf die super-derbe Schiene abfahren. Außerdem wollte ich unbedingt ein Video machen, in dem getanzt wird. Ich weiß nicht, warum, aber ich habe es halt einfach machen wollen. Und in all diesen Punkten hat sich dieser Song halt angeboten." So viel kann ich sagen: Ihr werdet überrascht sein.

Abschließend möchte ich festhalten, dass hier ein echter Dampfhammer auf die Metalgemeinde zusteuert. Das Album hat Drive, es knallt, ist abwechslungsreich und trotz oder gerade wegen der vielen Spielereien und Einflüsse ein amtliches Metalalbum härterer Couleur. Schirenc und seine dunkle Truppe spielen ihre langjährige Musikerfahrung aus und werden so manchem Jungspund zeigen, wo der Hammer hängt. Auch live sollte man sich das keineswegs entgehen lassen.

Redakteur:
Julian Rohrer

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