HELLOWEEN: Interview mit Andi Deris

02.06.2015 | 14:50

Es ist Sonntag und die letzten Tage gingen nicht spurlos an Andi Deris vorbei. Doch bei all dem Promostress findet der heute bestens gelaunte und rundum zufriedene HELLOWEEN-Fronter Zeit, die brennenden Fragen zu der neuen Scheibe "My God-Given Right" ausführlich und locker-flockig zu beantworten. Herausgekommen ist eines der schönsten Gespräche, die ich in fünf Jahren Redaktionszugehörigkeit führen durfte. In den folgenden Zeilen erfahrt ihr darüber hinaus, welche verschiedenen Einflüsse auf HELLOWEEN und Andi im Speziellen gewirkt haben, welche Wichtigkeit sein Vater hatte und warum die 15. Kürbissuppe so ungemein lecker schmeckt.

Hi Andi, vielen Dank für deinen Anruf. Das freut mich wirklich sehr, dass das Interview zustande kommt. Speziell weil ich wie so viele zwar mit HELLOWEEN angefangen, meine erste Platte aber eher unytpischerweise die "Time Of The Oath" war. Dann starten wir doch direkt mit der obligatorischen Frage, wie es dir so geht und wie die Stimmung im HELLOWEEN-Lager ist.

Die Stimmung ist super, gehen tut es mir den Umständen entsprechend. Wir waren ziemlich lange auf Promotour, da kannst du dir sicherlich vorstellen, dass es ein ewiges Hin und Her war. Da fangen schon einige Fragen an sich zu wiederholen, aber eigentlich geht es uns ganz gut soweit. In den letzten Tagen waren wir in allen Hauptstädten Europas und da jedes zweite Interview auch noch gefilmt wird, musst du natürlich auch aufpassen, dass du nicht aussiehst wie ein Vollarsch, haha. Das ist natürlich ein wenig anstrengend. Wir haben auch gleich mit Spanien angefangen, da waren Kopfschmerzen vorprogrammiert. Weiki und ich wohnen zwar in Spanien, aber da es nicht unsere Muttersprache ist, ist es auch entsprechend anstrengender als beispielsweise ein Interview in deutscher oder englischer Sprache.

Hat das denn einigermaßen auf Spanisch funktioniert?

Natürlich, wir sprechen beide ein ganz annehmbares Spanisch, es könnte natürlich auch besser sein, wenn man bedenkt, wie lange wir schon in Spanien wohnen. Aber wir sind ja im Endeffekt auch nur alle zwei Jahre dort und die restliche Zeit rund um den Erdball verteilt. Von den 17 Jahren, die wir jetzt schon dort wohnen, waren wir also im Grunde genommen nur acht Jahre ungefähr dort. Wie der Mensch nun mal auch ist, verliert er auch schon so viel von dem, was er gelernt hat, wenn er alle paar Monate für eine bestimmte Zeit wieder abhaut.

Speziell, wenn man auf all den Weltreisen neue Eindrücke und Sprachen kennenlernt.

Nun, für neue Sprachen lernen sind wir zu faul, hehe. Mein Ur-Ur-Ur-Großpapa beispielsweise ist Franzose und wenn jeder bei meinem Nachnamen denkt, ich würde gutes Französisch sprechen, muss ich ihn leider mit schlechtem Schul-Französisch enttäuschen. Anstrengend ist es dennoch, hehe.

Das glaub ich dir aufs Wort. In diesem Jahr feiert euer Debüt "Walls Of Jericho" seinen 30. Geburtstag und auch wenn du erst seit 1994 mit an Bord bist, kann ich die Glückwünsche ja auch dir aussprechen, hehe. Wenn du an deine erste HELLOWEEN-Scheibe "Masters Of The Rings" zurückdenkst, hättest du damals geglaubt, dass sich die Band nach den Problemen Anfang der 1990er nochmal zu solch einem Aushängeschild für den deutschen Heavy Metal mausern könnte?

Puh, ich bin da eh immer skeptisch. Ich glaube zwar nicht dran, aber ganz weit hinten im Hinterstübchen war dies natürlich eine Sache, die ich mir erhofft habe. In meinem Leben hat "Murphy's Law" immer gezeigt, dass das, was ich mir im Leben ungemein erhoffe, eben nicht passiert, hehe. Da bin ich ein bisschen abergläubisch. Ich hab damals natürlich gehofft, dass unsere Arbeit akzeptiert wird und unsere Formation eine gewisse Zukunft hat, aber dass es so abging, hätte keiner zu glauben gewagt. Weiki und ich saßen damals zwecks Promotion im Auto und haben uns von einem Radiointerview zum nächsten gekarrt, als unser Promotionmanager ganz nebenbei sagte, dass wir Gold- und Platinauszeichnungen bekommen hätten. Da hat sich schon abgezeichnet, dass es funktionieren könnte. Dass es im Endeffekt zu solch einer langen Karriere führen könnte, hätte keiner geglaubt. Die Hoffnung war immer da, aber keiner von uns wurde Musiker, damit wir ein, zwei Hitscheiben abgreifen, um dann von der Oberfläche zu verschwinden. Mein Traum war ja eher, daraus einen Beruf zu machen. Dass es geklappt hat, ist umso erfreulicher, da wir schon sehr viele Bands kommen und gehen gesehen haben und hofften, nicht irgendwann zu denen gehören zu müssen.

Besser hätte es ja auch nicht laufen können.

Absolut. Darüber sind wir auch echt dankbar.

Das letzte Album bei eurem jetzigen Label Nuclear Blast war ja die "Rabbit Don't Come Easy"-Scheibe. Wie kam es eigentlich, dass ihr wieder in die Arme von Nuclear Blast zurückgekehrt seid?

Es hatte ein wenig von "nach Hause kommen". Wir hatten über SPV und dann über Sony Music auch einen herrlichen Ausflug, bei SPV sogar ein bisschen besser als bei Sony Music, da es ein wenig anstrengend war, den Menschen zu erklären, was eigentlich Metal ist. Da kommst du dir ein wenig wie ein Lehrmeister vor, hehe, wenn du einem Majorlabel erklären musst, warum eine Band wie HELLOWEEN oder eine Metalband im Allgemeinen ein bisschen mehr Produktionsgeld braucht als ein Technojünger, der alles im Prinzip in seinem Schlafzimmer auf seinem Computer mit irgendwelchen vorgefertigten Sounds machen kann.

Und das ist bei SPV oder eben Nuclear Blast anders.

Richtig. Denen musst du nicht erklären, warum du Summe x für dieses oder jenes Produkt brauchst. Da kommst du dir nicht vor wie ein Bittsteller, es war von vornherein alles klar, haha.

Euer Gott gegebenes Recht, was für eine Überleitung...

Kannst du so sagen, ja. Das hat damit zu tun, geht aber im Endeffekt ein wenig weiter zurück, nämlich in die Zeit, in der ich mit der Schule fertig war. Ich glaube, ich hab das viertschlechteste Abitur meiner Schule abgeschlossen, aber hab es zumindest geschafft, haha. Das hab ich meiner Mutter damals versprochen, obwohl ich selbst schon den Entschluss gefasst habe, Musik zu machen. Für meine Mutter, die vom Dorf kommt, war es aber ganz wichtig, dass der Bub einen Abschluss hat, hehe. Das gab schon damals Zoff, da sie wollte, dass ich einen "ordentlichen Beruf" lernen soll oder ein Studium absolviere. Aber mit dem furchtbaren Abitur wartest du dich ja dumm, bis du endlich einen Platz bekommst. Nach dem Dienst bei der Bundeswehr wollte ich jedoch raus und Musiker werden, als ich ausgelost wurde und mit meinem Abitur einen Studienplatz für Elektrotechnik bekommen habe. Jeder hätte sich natürlich gefreut, ich hatte nur den Gedanken: "Scheiße, wie machst du jetzt deiner Mutter klar, dass du nicht studieren willst?" Mein Vater nahm mich dann aber irgendwann zur Seite und meinte: "Du, du bist eh mein Einziger. Du machst mich glücklich, wenn ich seh, dass du glücklich bist. Es ist dein Gott gegebenes Recht im Leben zu tun, was du möchtest und dich glücklich macht. Wenn du meinst, du musst Musik machen, dann probiere es einfach."

Durch diesen Hintergrund bekommt der Titel eures nunmehr 15. Studioalbums eine völlig neue Sichtweise, die sehr gefällt. Nach zwei, drei Durchgängen wird klar, dass das Album sehr zugänglich ist. Wenn man die Platte hört, kommen einem auch direkt Ohrwürmer der vergangenen Jahre wie 'King For A Thousand Years', 'Final Fortune' oder 'Mr. Madman' in den Sinn. Ist für mich ein klares Zeichen, dass das Album richtig gut funktioniert und typisch HELLOWEEN ist.

Das hoffen wir natürlich alle, aber da bin ich etwas zu nah dran, um das zu bestätigen. Von der Herangehensweise würde ich sagen, dass das auch die Absicht war. Aber ob es am Schluss auch so klappt, wie man sich das vorstellt, ist letztendlich den Fans überlassen. Der geneigte Zuhörer entscheidet am Ende des Tages, wir können ihn ja eigentlich nur in die Richtung lenken. Aber da gehört die Arbeit von Charlie Bauerfeind genauso dazu wie unsere. Er hat, wie ich finde, auch einen sehr eleganten Weg gefunden, die 80er ein wenig zu integrieren, ohne 2015 zu verlassen. Hier und da klingt das Album nach den guten 80er-Sounds, aber das ist alles etwas, was funktionieren kann, aber nicht zwangsläufig muss. Ich finde, dass es ziemlich gut geklappt hat und uns auch in den jeweiligen Interviews die Berechtigung gibt, zu sagen, dass wir zu unserem 30. Bandjubiläum den Fans ein Album schenken können, was wohl jede Dekade abdeckt. Das klingt ein wenig mehr nach "Walls Of Jericho", dies nach "Keeper" oder "The Dark Ride" etc., da ist von allem also ein wenig drin. Das hat echt gut funktioniert, aber wie gesagt, ich kann das nicht objektiv beurteilen.

Also hattet ihr im Vorfeld die Zielsetzung, das Beste von 30 Jahren HELLOWEEN in einem Album zu vereinen?

Ja, aber dieses Ziel haben wir seit ungefähr vier Alben. Das hat mal besser, mal schlechter geklappt, aber im Endeffekt bei den Leuten da draußen immer genug Anklang gefunden. Diesmal wollten wir diese Zielsetzung auch mit dem Sound verbinden und offensichtlicher machen. Das hätte aber gut und gerne in die Hose gehen können, aber fairerweise muss man Charlie die Lorbeeren überreichen. Er hat, als wir ihm im Vorfeld das "Wie" und "Warum" erklärt haben, gut und gerne drei Mercedes versenkt, um ein analoges Aufnahmegerät etc. in die Hände zu bekommen, hehe. Das hat ihm auch sehr viel Freude bereitet, Unsummen für uralte Analogprozessoren, Tapes und Aufnahmegeräte zu verbraten. Er ist aber eh ein großer Gadget-Fan, wirklich weh getan hat ihm das also hoffentlich nicht.

Weiki sagte im Vorfeld zu dem Vorgänger, dass dieser der konsequente Nachfolger der Alben zuvor sei. Worin liegt der Unterschied deiner Meinung nach zwischen der aktuellen Platte und "Straight Out Of Hell"?

Musiklisch gibt es da meiner Meinung nach keinen großen Unterschied, da wir an beide Platten ähnlich herangegangen sind. Wenn du Songs beider Platten nimmst, dann versprühen sie überall dieses 80er-Feeling und genau dort ist auch die Brücke zu sehen. Aber da sieht man einmal, wieviel solch ein Sound ausmachen kann.

Ihr habt auf jeden Fall einen tollen Spagat zwischen klassischen und modernen HELLOWEEN-Elementen gefunden, was sich auch im Artwork zeigt. Aber welche Verbindung gibt es zwischen dem mehr als gelungenen Schnee-Artwork und dem Titel bzw. den Songs?

Das ist witzig, da mich vor kurzer Zeit ein Australier fragte, ob wir koksen würden. Er spielte dabei auf eben dieses Cover an. Ich meine, die Band hat mit Drogen nichts mehr am Hut, außer ab und zu mal einen über den Durst zu trinken, aber auf die Frage musst du bei dem Artwork auch erst einmal kommen, haha.

Es ist quasi die Weiterführung unseres Wahnsinnigen, dem Martin Häusler, der unser Cover entworfen hat. Er hat den Titel "My God-Given Right" gehört und versucht das in seine Richtung zu interpretieren. Ich hab ihm erklärt, welchen intimen Hintergrund, also die Sache zwischen mir und meinem Vater, es eigentlich hat, und Martin hat es schließlich auf die Weltpolitik übertragen. Ich finde es zwar ziemlich geil, geht aber von der eigentlichen Bedeutung natürlich meilenweit weg, hehe.

Kommen wir mal zu den Songs per se. Das Album beginnt mit 'Heroes', in dem du singst, dass jeder eigentlich ein Held sein kann. Ist das euer Muntermacher für Tage, an denen es mal nicht so gut läuft?

Könnte man natürlich so sehen, ja. Aber eigentlich handelt er von den Bildern, die wir uns in Ländern wie Kolumbien, Ecuador und Bolivien machen konnten. Wir spielen ja auch in Ländern, in denen die Schere aus Arm und Reich enorm groß ist. Wenn du in Europa schon von dieser Schere sprichst, siehst du in solchen Ländern, wo sie irgendwann enden wird. Wenn du siehst, dass der Vater wirklich jeden Drecksjob machen oder auf der Müllhalde wühlen muss, um irgendwas abzugreifen, was den einen oder anderen Cent einbringt, nur um seine eh schon halb verhungerten Kinder zu ernähren, dann ist das Horror pur. Da sind also Bilder in unseren Köpfen, auf die wir gerne verzichten würden.

Andererseits bin ich auch gleichzeitig dankbar, dass ich die sehen darf, weil die wenigsten von uns diese Möglichkeiten haben, diese Armut zu sehen und vor allem zu riechen. Dieser Geruch kommt ja im Fernsehen nicht rüber, das gehört leider dazu. Und diese Väter sind in unseren Augen eigentlich die wahren Helden. Und dann muss man sagen: Wenn du da lebst und überlebst, dann bist du ein richtiger Held! In dem Überfluss, in dem wir leben, gibt es eigentlich keinen Heldentum. Ich bin dann immer hin und her gerissen, wenn du von der Tour zurückkommst und die vergangene Zeit ein wenig Revue passieren lässt, die Erinnerungen dich dann wieder einholen. Einerseits kannst du gut drauf verzichten, andererseits musst du dankbar sein, dass du solche Bilder zu deiner Lebenserfahrung hinzuaddieren darfst. Wenn du im TV solche Reportagen siehst, bist du noch lange nicht so berührt davon, wie in der Realität, wenn du die hohen Temperaturen und vor allem den Geruch noch zu spüren bekommst.

Dann weiß man, wie gut es uns eigentlich gehen sollte.

Richtig, "sollte", denn daran sieht man, wie es irgendwann endet, wenn die Schere weiter auseinander geht. Und obwohl es uns in Europa eigentlich verhältnismäßig gut geht, siehst du an vielen Ecken und Enden immer noch diese Schere, die in solchen Ländern auseinanderklafft. Mittlerweile hat man selbst hier genügend Bettler, und ich rede jetzt nicht von jenen Berufsbettlern aus den 80ern und 90ern, sondern von Obdachlosen und Hilfebedürftigen. Menschen, die 40 Jahre gearbeitet haben, dann ihre Stelle verlieren und ihr Hab und Gut verkaufen, um irgendwie über die Runden zu kommen und dann unweigerlich unter der Brücke enden, das ist leider keine Ausnahme, sondern tagtägliche Realität. Auch bei uns. Aber das will keiner wissen, weil man Angst hat, dass einem selbst solch ein Schicksal bevorstehen könnte.

Und wenn solch einer seine Familie dann dennoch ernähren kann, sprechen wir von einem wahren Helden.

Absolut.

Herausragend vom Text her ist sicherlich auch 'Lost In America', der, anders als 'Heroes', in eine eher humorvollere Richtung geht. Wie oft wart ihr denn schon 'Lost in America'?

Das beruht auf wahren Begebenheiten und ist uns genau so in Belize passiert. Wir sollten in Sao Paulo eine ziemlich wichtige Show spielen, mit 6000 bis 8000 Menschen sind solche Konzerte immer richtig fett. Und auf einmal verkünden die bei unserem Abflug nach Sao Paulo, das der Flughafen in Belize aufgrund einer Flugshow geschlossen wird. Und Tausende von Passagieren standen am Flughafen, haben den Kopf geschüttelt und dachten an einen Aprilscherz, was jedoch keiner war. Alle Flüge gecancelt, alle Menschen warteten, bis die Idioten mit ihrer Flugshow fertig waren und 17 Stunden später ging es dann endlich los. Das musst du dir vorstellen: Eine Metal-Band, die so lange am Flughafen warten muss ... da waren alle ziemlich besoffen, hehe. Aber zumindest saßen wir dann endlich im Flieger und nach zweieinhalb Stunden meinte der Kapitän, dass die Messgeräte vom Flugzeug nicht richtig funktionieren würden und er nur ungefähr wüsste, wo wir in diesem Moment wären. Er sprach dann von "lost in America", drehte dann wieder um, um bei Tageslicht irgendwie wieder zum Ausgangspunkt zu kommen. Wenn also was schief läuft, dann richtig, und an diesem Tag lief wirklich alles schief. Der gesamte Off-Tag war dann komplett hinüber, unsere Crew war vollkommen fertig, und auf dem Rückflug vom Hinflug hat Markus (Grosskopf - Anm. d. Red.) dann wieder die Bar eröffnet. Ende vom Lied: Alle wieder vollkommen besoffen, haha. Als wir dann in Belize wieder ankamen, mussten wir nochmal zwei Stunden warten, konnten dann aber endlich unsere richtige Reise nach Sao Paulo antreten. Aber das war echt eine Odyssee.

Perfekt, um daraus einen Text für das neue Album zu machen. Wenn ich mir 'If God Loves Rock'n'Roll' anhöre, kommt mir sofort in den Sinn: Dieser Song muss live gespielt werden. Allein wegen dem "even in heaven you need a bass-guitar" usw. Kannst du uns schon einen kleinen Ausblick geben, welche Stücke vom neuen Album das Potential hätten, auf den nächsten Setlisten zu landen?

Gut, das könnte natürlich dieses Stück werden, könnten aber auch 'Lost In America' und mit 80%iger Sicherheit auch das Titelstück werden. 'Battle's Won' von Weiki würde ich auch gerne als Epic-Brutalo-Speed-Metal-Anthem machen, das könnte ganz gut klappen. Vielleicht sogar 'Swing Of A Fallen World' als Auflockerer, aber da müsste man einfach mal schauen, ob der live überhaupt funktionieren würde und im Hinblick auf den Rest der Setliste machbar wäre.

Ist auch im Übrigen mein Liebling auf dem neuen Album. Ein etwas anderer Song, sehr dichte Atmosphäre, episch, mit leichtem Doom-Hang und, wie ich finde, auch sehr passend zum Artwork.

Ja, das sind diese Brücken, von denen ich gesprochen haben. Wir haben 'You, Still Of War', 'Swing Of A Fallen World' und 'Claws' zur Auflockerung und Brücken zu den doomigeren Zeiten, wie beispielsweise zur "The Dark Ride"-Scheibe. Ich persönlich finde die Stimmung auch ziemlich gut, bin dann auch froh, wenn solch ein Song kommt, wenn ich mir das gesamte Album anhöre. Er entführt dich in eine komplett andere Stimmungswelt. Wenn er dann langsam abklingt, bist du dann wiederum froh, wenn diese typischen Party-Rocker kommen. Heutzutage ist es bei 60 Minuten oder noch länger nicht einfach, ein Album interessant und abwechslungsreich zu halten. Wenn du ohne Auflockerer solche langen Alben veröffentlichst, bekommst du noch mehr Peitschenhiebe. Man kann einfach kein gesamtes Album schreiben, das dann von vorne bis hinten wirklich jedem Fan zusagt. Sogar von meinen Favoriten, wie beispielsweise KISS, gibt es auch kein Album, dass mir von der ersten bis zur letzten Sekunde komplett zusagt. "Value for money" ist natürlich die eine Sache, wird aber auch abgestraft, wenn ein Album zu lang ist und dadurch Gefahr läuft, auch langweilig zu werden.

Bezüglich "Auflockerer" habt ihr vor fünf Jahren ja auch "Unarmed" auf die Menschheit losgelassen.

Die "Unarmed" war für mich eher ein Krampf. Die fand ich nicht wirklich witzig, hab ich auch nicht so recht genossen. Das war eben eine Produktion, die man zum 25-jährigen Jubiläum gemacht hat, wobei Sony die Idee wohl toll fand. Aber das ist dieses typische Major-Gehabe: "Wir haben eine Metal-Band, verstehen aber nicht wirklich, was die machen, die könnten ja mal eine Akustik-Platte machen". Aber ich hab auch damals stets die Fragen, ob ich die Platte toll fand, verneint. Ich hab mir in meinen jungen Jahren auch keine Akustikgitarre, sondern eine E-Gitarre gekauft, weil ich wollte, dass das Ding Krach macht, es ballert, Rock und Metal eben. Aus diesem Grunde konnte ich die Platte auch nicht richtig genießen. Jeder, der schon einmal eine Gitarre in der Hand hielt, weiß, wovon ich rede: Entweder möchtest du Krach oder Lagerfeuermusik machen, hehe.

Hast du denn noch musikalische Wünsche, die du dir erfüllen möchtest?

Stilistisch? Nö, eigentlich nicht. Ich bin in dieser Hinsicht ein ziemlich konservativer, blöder Rocker, hehe. Das ist meine Musik und mit der will ich auch irgendwann mit Sicherheit ins Grab gehen. Das Einzige, was ich daneben noch sehr gerne höre, ist Klassisches wie von Brahms oder Haydn, was ich dann auch schön aufdrehen kann. Speziell Haydn ist im Grunde genommen Metal, die hatten damals nur keine Gitarren. Wenn du das hingegen heutzutage übersetzen würdest, wäre das ziemlich brutal. Das muss man wiederum auch in voller Konzertlautstärke genießen, dann weißt du, was ich meine, hehe. Da wundert man sich, wie verdammt laut die damals waren, haha. Aber das übersteigt komplett meine Fähigkeiten. Ich weiß zwar technisch eine Geige zu bedienen, aber trotzdem klingt es grausam, ich würde daher meine Finger von der klassischen Musik lassen, hehe. Andere können das zig-fach besser, glaub mir. Zumindest genießen kann ich es aber. Im Hinblick meines Werdegangs bin ich jedoch voll und ganz im Rock und Metal. Damit fing ich an, das ist meine Heimat und dort bleibe ich auch.

Das ist ja auch dein "God-Given Right", haha. Eine letzte Frage musst du mir erlauben: Kannst du uns schon einen kleinen Ausblick auf eine kommende Tour im Anschluss der Veröffentlichung geben?

Also wir werden definitiv ein paar Festivals bespielen, das letzte ist, glaube ich, in Indonesien. Da sind auch zwei deutsche Dates bei, zum einen Geiselwind (Out & Loud), zum anderen an der Loreley (RockFels). Wenn wir dann Ende Oktober in Indonesien sind, bleiben wir direkt in der Ecke für eine kleine Australien-Tour. Dann ist auch bald schon Weihnachten und bis Januar/Februar halten wir dann wohl noch die Füße still. Danach ist dann Europa an der Reihe, wobei wir dort wohl die Songs spielen werden, die auf den Festivaldates im Sommer ein wenig vernachlässigt wurden. Und dann schauen wir einfach mal weiter. Wir stehen dann im Prinzip schon vor den Festivals 2016, aber da möchte ich noch keine Prognose wagen. Fest steht, dass ab Februar definitiv Europa dran sein wird.

Dann behalte ich das mal so im Hinterkopf und wäre auch schon mit meinen Fragen durch. Dir, Andi, vielen Dank für das Interview und viel Erfolg mit der neuen, nunmehr 15. HELLOWEEN-Scheibe, die im Großen und Ganzen sehr viel Spaß macht. Dir gebühren die letzten Worte. Was möchtest du noch loswerden?

Im Sinne von 30 Jahren HELLOWEEN: Danke! Danke! Danke! Es ist sicherlich nicht selbstverständlich, so lange aktiv zu sein. Und von meiner Seite aus für 20 Jahre HELLOWEEN: Danke! Danke! Danke! Es sind nunmehr drei Dekaden und das ist einfach unglaublich. Was soll ich noch sagen? Fühlt euch alle geknutscht, hehe.

Redakteur:
Marcel Rapp

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