HELHEIM: Interview mit V'Gandr

28.12.2008 | 22:41

Das erste Interview zum Tourbericht von der "Kaoskult"-Tournee der norwegischen Viking-Metal-Legende HELHEIM. V'Gandr stand Rede und Antwort.

Nachdem ich Ørjan Nordvik alias V'Gandr schon einige Male im Zuge der Veröffentlichungen zurück liegender HELHEIM- und AETERNUS-Alben per E-Mail interviewt habe, und ich zudem seit nunmehr bald fünfzehn Jahren großer HELHEIM-Fan bin, habe ich mich riesig drauf gefreut, den Bergener Musiker nun endlich auch persönlich zu treffen, und zwar im Zuge der "Kaoskult"-Tour im kleinen Albdorf Dewangen bei Aalen. Nachdem der Merchandise-Stand aufgebaut war, fand Ørjan auch bereitwillig die Zeit, sich meinen Fragen zu stellen.

Rüdiger:
Hi Ørjan, schön, dass wir uns für dieses Interview mal persönlich treffen können. Wie war denn die Reise nach Deutschland?

Ørjan:
Lang. Wir verließen Bergen um fünf Uhr morgens, nahmen dann das Flugzeug nach Oslo, von dort ging es weiter nach München, wo wir dann drei Autos gemietet haben und hierher fuhren. Da kam es zu einigen Verzögerungen, so dass wir etwas spät hier angekommen sind. Jetzt haben wir aber den Tourbus und alles passt soweit. Es war aber schon ganz schön stressig.

Rüdiger:
Ist das heute die erste Show insgesamt, oder nur der erste Deutschland-Gig der Tour?

Ørjan:
Es ist der erste Gig der "Kaoskult"-Tour. Das heißt, im März gab es eine kleine Tour als Anheizer für "Kaoskult", aber das ist die erste Tour seit der Veröffentlichung des Albums. [Es gab auch ein paar Einzelkonzerte im September in Norwegen. - Anm. d. Verf.]

Rüdiger:
Wie lief denn der Vorverkauf zur Tour?

Ørjan:
Das weiß ich ehrlich gesagt gar nicht. Keine Ahnung.

Rüdiger:
Was erwartest du? Eher kleinere Auditorien ... ?

Ørjan:
HELHEIM ist an alles gewöhnt, was zwischen klein, okay und etwas größer liegt. Aber nicht zu groß. Wir sind eine recht bescheidene Band, was das angeht. Wenn es irgendwo zwischen 100 und 200 Leuten liegt, dann bin ich zufrieden. Wir haben halt unsere treue Gefolgschaft.

Rüdiger:
Ist das in Norwegen auch so?

Ørjan:
Ja. Wobei es darauf ankommt, wo wir spielen. In unserer Homebase Bergen, ziehen wir schon recht viele Leute an. Außerhalb von Bergen spielen wir nicht oft. Bei den letzten vier Dates gingen die Zuschauerzahlen von 250 bis runter auf 150. Das war ziemlich in Ordnung.

Rüdiger:
Wie oft wart ihr eigentlich schon in Deutschland?

Ørjan:
Deutschland ist wie meine zweite Heimat. Auf jeden Fall! Es ist meine zweite Heimat seit wir 1995/1996 mit dem Touren anfingen. Seither waren wir immer wieder in Deutschland. Wir haben in Deutschland mehr Konzerte gespielt als in Norwegen. Es ist das Land, in dem wir am häufigsten aufgetreten sind, weshalb wir Deutschland auch sehr gerne mögen. Daher kommen wir auch immer wieder.

Rüdiger:
Das freut mich natürlich, dass es euch bei uns so gut gefällt. Stell mir doch mal die Bands ein bisschen vor, die ihr auf die Tour mitgebracht habt.

Ørjan:
Ja klar.

ATROX ist eine progressive Avantgarde-Metal-Band. Ich bin mit ihrer Musik nicht allzu vertraut, aber sie sind echt nette Jungs. Ich hab sie heute zum ersten Mal persönlich getroffen. Die sind wirklich cool drauf, aber allzu viel kann ich über ihre Musik natürlich nicht sagen. Ich denke ich muss mir erstmal ihre Konzerte anschauen.

VULTURE INDUSTRIES sind sozusagen unsere Kumpels. Wir waren auch im März gemeinsam auf Tour. Ich kenne die Jungs schon seit vielen, vielen Jahren. Sie sind wirklich verdammt nette Kerle und wir wollten sie unbedingt wieder mit dabei haben. Ich denke auch, dass sie sehr gerne wieder mit HELHEIM auf Tour wollten. Wir sind zwar musikalisch sehr unterschiedlich, aber gleichzeitig denke ich, dass wir auch irgendwie zusammenpassen, weil wir beide auf unsere Weise seltsam sind. Ich glaube weder HELHEIM noch VULTURE INDUSTRIES kann man als Bands von der Stange bezeichnen, was Metalmusik angeht. Auch wenn wir völlig verschiedene Ausdrucksweisen für unsere Musik benutzen, sind wir doch beide irgendwie Avantgarde, und deshalb passen wir so gut zusammen. Sie sind auf jeden Fall meine Freunde.

Rüdiger:
Das verspricht eine gute Zeit und viel Spaß auf Tour?

Ørjan:
Auf jeden Fall!

Rüdiger:
Kommen wir auf euer neues Album "Kaoskult" zu sprechen. Wie würdest du es im Vergleich zum Vorgänger einordnen? Unterschiede, Entwicklungen ...

Ørjan:
Im Vergleich zu "Journeys ..." kann man es wohl so fest machen, dass die zweite Hälfte des letzten Albums relativ nahe an "Kaoskult" ist. Das heißt, dass wir das Tempo gedrosselt und uns aller Death-Metal-Einflüsse entledigt haben.

Rüdiger:
Stimmt, es hat mehr Groove und klingt heavier.

Ørjan:
Ja. Absolut. Und majestätischer, epischer und klagender. Ich denke, dass da mehr Trauer und mehr Größe im Album steckt. Das ist uns wirklich gut gelungen. Es war auch erfolgreich. Und ich glaube wir haben einfach den Weg gefunden, wie wir das richtig umsetzen. Das ist einer unserer stolzesten Momente bisher.

Rüdiger:
Ich finde, dass das zweite Stück des neuen Albums sehr hymnisch geraten ist.

Ørjan:
Was war gleich der zweite Song? Kann mich gerade nicht erinnern. Zu viele Songs! (lacht) Ich glaube du meinst "Northern Forces", oder?

Rüdiger:
Ja, genau den meine ich. Eine echte Hymne. Werdet ihr den heute spielen?

Ørjan:
Ja.

Rüdiger:
Super.

Ørjan:
Auf jeden Fall. Wir haben die Songs des neuen Albums gefunden, die wir live vorstellen möchten.

Rüdiger:
Wie wird die Setlist insgesamt aussehen?

Ørjan:
Wir werden alles von "Jormundgand" bis heute abdecken. Jedes Album wird drankommen.

Rüdiger:
Das wird eure alten Fans sehr freuen.

Ørjan:
Das hoffe ich. Das Problem ist aber, dass wir mittlerweile auch schon sechs Alben haben und es immer schwieriger wird, die richtige Wahl zu treffen. Man kann es einfach nicht jedem Recht machen.

Rüdiger:
Was sollen da erst JUDAS PRIEST sagen?

Ørjan:
Da hast du auch wieder Recht. Wir tun uns bei sechs Alben schon schwer, was sollen da Bands sagen, die schon zwanzig Alben draußen haben. (lacht)

Rüdiger:
Nun, als langjähriger Fan werde ich mich auf jeden Fall freuen, wenn ein paar alte Songs zum Zuge kommen, egal welche.

Ørjan:
Wir werden zum ersten Mal seit vielen Jahren auch was von "Av Norrøn Ætt" spielen. Die Songs haben es einfach verdient, ein Teil unserer Show zu sein. Wir haben das Album viele Jahre lang ausgeschlossen und ich weiß eigentlich gar nicht warum. Als wir jedoch auf der Norwegen-Tour waren, waren wir total gelangweilt, als wir von Trondheim nach Bergen zurück gefahren sind. Das dauert mehr als zehn Stunden, und die ganze Band war beisammen. Wir kamen deshalb auf die Idee, unseren Backkatalog am Stück durchzuhören. Wir fingen mit dem Demo an, dann "Jormundgand" und "Av Norrøn Ætt", und dabei fiel uns wieder auf, dass die Stücke wirklich was für sich haben. Fuck, das ist richtig gut! Aber wir hatten es einfach viele Jahre lang gar nicht mehr angehört. Wir hatten uns irgendwie selbst verloren gehabt. Deshalb war es echt eine gute Sache, zusammen zu sitzen und darüber zu diskutieren. Wir haben so heraus gefunden, dass wir unbedingt wieder was von "Av Norrøn Ætt" spielen wollten.

Rüdiger:
Zwischen "Av Norrøn Ætt" und "Blod Og Ild" gab es ja einen sehr signifikanten Wandel im Gesang. Was war der Grund dafür?

Ørjan:
Hmm. Erzähl's du mir! Ich weiß es nicht. (lacht)

Rüdiger:
Du hast gesungen!

Ørjan:
Ja, gut, auf "Jormundgand" und "Av Norrøn Ætt" waren es meine sehr hohen Screams, die den Unterschied ausmachten. Der Grund war der, dass ich bei "Av Norrøn Ætt" das Gefühl hatte, dass die allzu hohen Vocals nicht dazu gepasst haben. Deshalb hab ich sie ein wenig tiefer gelegt. Sie klingen nicht mehr ganz so rasend und hysterisch. Zwischen "Av Norrøn Ætt" und "Blod Og Ild" habe ich auf einem Song versucht, etwas mehr in Richtung "Jormundgand" zu gehen. Das war 'Kjenn Din Fiende' - 'Know Your Enemy'. Ich glaube den meisten Leuten ist das gar nicht aufgefallen. Davon abgesehen, unterschieden sich die Songs völlig von "Av Norrøn Ætt". Ich weiß nicht, was wir damals genau getan haben. Die ganze Band hat sich verändert. Da waren die drei Gründungsmitglieder, aber plötzlich auch noch zwei Leute mehr. Wir mussten uns auf musikalischer Ebene erst finden, weshalb "Blod Og Ild" ein Album war, das recht schwer zu bewerkstelligen war.

Rüdiger:
Wenn du heute die alten Songs singst, benutzt du dann noch die hohen Vocals oder hast du den Gesang insoweit auch etwas modifiziert.

Ørjan:
Da muss ich jetzt ehrlich sein: Ich krieg die gar nicht mehr hin! (lacht)

Rüdiger:
Bereiten sie dir Halsschmerzen?

Ørjan:
Nein, das ist es nicht. Es hat nur einen Grund: Ich bin nicht mehr so jung wie damals. Das war 1995, und das ist viele Jahre her. Während der Vorproduktion zu "Kaoskult" habe ich es nochmal probiert, so hoch zu singen. Beim schnellen Stück "Om Tilblivelsen Av Gapende Tomhet". Und das einzige, was ich daraus gelernt habe, war, dass es mir auf die Nerven ging. Ich hab zu mir selbst gesagt: Das kann ich nicht mehr tun. Das bin nicht mehr ich. Das ist nicht mehr HELHEIM. Die Leute werden verstehen müssen, dass wir niemals zu "Jormundgand" zurück können. Nicht zu diesem Gesangsstil. Das ist unmöglich!

Rüdiger:
Als wir uns das letzte Mal unterhalten haben, hast du gesagt, dass es Wiederveröffentlichungen geben würde. Sind die schon draußen?

Ørjan:
Ja. Die gibt es wieder.

Rüdiger:
Über euer Laben Dark Essence / Karisma?

Ørjan:
Ja. Sie sind alle erhältlich.

Rüdiger:
Auch die Sachen, die seinerzeit über Ars Metalli erschienen sind?

Ørjan:
Ja, die sind jetzt eben veröffentlicht worden. Wir haben sie auf Tour mitgebracht. Sie werden sozusagen heute veröffentlicht, jetzt wo wir uns unterhalten. "Av Norrøn Ætt" und "Jormundgand" gibt es etwa seit zwei Jahren wieder.

Rüdiger:
Also ist jetzt der komplette Backkatalog wieder erhältlich.

Ørjan:
Ja. Und die Rechte liegen auch wieder komplett bei uns. Das ist eine gute Sache.

Rüdiger:
So. Zum Schluss würde ich gerne wissen, wie eure Zukunftspläne so aussehen. Was steht an, wenn ihr von der Tour zurück seid?

Ørjan:
Sobald wir zurück sind, geht es direkt ins Studio, wo wir die Vorproduktion für drei oder vier neue Stücke in Angriff nehmen werden. Das wird den Dezember in Anspruch nehmen. Wir hoffen, dass wir das neue Album dann bis Mitte des nächsten Jahres fertig und veröffentlicht haben werden.

Rüdiger:
Das freut mich zu hören.

Ørjan:
Ja. Wir sind gerade unheimlich inspiriert. Wir haben gerade einen guten Lauf.

Rüdiger:
Den es zu nutzen gilt ...

Ørjan:
Ja. Absolut!

Rüdiger:
Wie sieht es derweil bei AETERNUS aus?

Ørjan:
Dort haben wir gerade einen neuen Drummer, den wir einproben. Ich habe bisher noch nicht mit ihm zusammen gespielt, aber es lässt sich gut an. Die Jungs proben noch fleißig und ich stoße dann wieder zur Band, wenn sie soweit sind. Im Moment steht dort nur eins an: Proben, Proben, Proben!

Rüdiger:
So, das war's. Ich danke dir für das Gespräch und ich denke wir werden uns heute Abend noch sehen.

Ørjan:
Ja, auf jeden Fall. Danke für das Interview.

Was folgen sollte, war ein Triumphzug der Band auf den Brettern, über den ihr euch im Konzertbericht ausführlich informieren könnt.

Redakteur:
Rüdiger Stehle

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