HEDNINGARNA: Interview mit Anders Norudde

01.01.1970 | 01:00

HEDNINGARNA sind eine ungewöhnliche Folkgruppe, die traditionellen schwedischen Folk mit finnischen Gesängen, Rock und Elementen aus dem Trip Hop und Techno-Bereich verbindet. Zumeist funktioniert diese sehr tanzbare Mischung auch – mal kommt sie in feucht-fröhlicher und mal in dunkel-mystischer Stimmung daher. Am intensivsten verzaubern HEDNINGARNA immer dann, wenn sie mit hypnothischen Klängen die Atmosphäre altnordischer Mythen und Zauberei heraufbeschwören. In Schweden hat die Gruppe auch einige Fans unter den Headbangern rekrutieren können. Im September letzten Jahres erschien ein Querschnitt durch ihr Schaffen von 1989 bis 2003 (zwei neue Stücke).
Dieses Interview wurde per Mail geführt. Anders Norudde (Fiddel, Holzflöte und diverse andere Instrumente) versuchte mir in seinem – wie er selbst sagt – "bad english" zu antworten:


Jörg:
Was war der Anstoß für euch, im Jahre 1987 eine Band wie HEDNINGARNA zu gründen? Habt ihr gleich bei Gründung der Band vorgehabt, Folk mit modernen Einflüssen zu verbinden oder ergab sich das erst später?

Anders:
Wir saßen in einem Raum und spielten. Ein Freund kam herein und sagte: "Oh, das klingt ja wie in der alten Heidenzeit!" In diesem Moment wurde der Name "Hedningarna" geboren! Die Instrumente waren die einer jeden anderen Folkgruppe auch. Zu dieser Zeit hatten wir Lust darauf, Folkmusik zu spielen. Zuerst benutzten wir nur akustische Instrumente, später machten wir diese Theatermusik, und danach strebten wir nach größeren und anderen Bühnen für unsere Auftritte. Wir probierten verschiedenes aus und arbeiteten mit Elektronik, damit unsere Instrumente auch auf Rockbühnen eingesetzt werden konnten.

Jörg:
Der Name "Hedningarna" bedeutet "Heiden". Interessiert ihr euch für die heidnischen Mythen, Überlieferungen und Legenden eures Landes – beispielsweise für die Runen oder für die Wikinger? Ihr scheint aufgrund des Gesanges auch eine Affinität zur finnischen Kultur zu haben...

Anders:
Ich kann nur für mich antworten. Ich bin interessiert an der heute noch lebendigen Folkmusik und dem Fiddelspiel im schwedischen Mittelalter sowie den alten Zeugnissen, die man darüber finden kann. Ich weiß nur sehr wenig über die alten heidnischen Mythen und dergleichen. Die finnischen Sängerinnen nehmen ihre Lyrics aus alten Büchern...

Jörg:
Ich würde gerne etwas über den schwedischen Folk hören. Wo liegen seine Wurzeln? Auf welche Tradition bezieht ihr euch?

Anders:
Wir spielen traditionelle Folkmelodien und arrangieren sie auf unsere eigene Weise. Einige Lieder sind neu komponiert, aber in der alten Tradition stehend. Oft kommen die Melodien aus unseren unmittelbaren Heimatgebieten.

Jörg:
Ihr seid sehr erfolgreich in Schweden und habt 1993 den schwedischen Grammy erhalten. Gibt es dort ein starkes Interesse an traditioneller Musik? Besteht die Chance für euch, dort so etwas wie "Superstars" zu werden?

Anders:
Nur ein bischen. Der Trend ist nicht auf unserer Seite. Wir sind arm... Niemals Superstars!

Jörg:
Wie stark ist der Zusammenhalt in der schwedischen Folkszene? Pflegt ihr irgendeinen Austausch oder Kontakt mit anderen Bands?

Anders:
Wir haben sehr gute Kontakte! Jeder spielt bei jedem mit!

Jörg:
Zeitweise wart ihr fast ununterbrochen auf Tour. War das eher eine Tortur oder hat’s Spaß gemacht?

Anders:
Beides!

Jörg:
War der Wechsel von den anfänglichen kleinen Folkbühnen zu den großen Rockfestivals (wie in Roskilde) nicht ein ziemlicher Schock für euch?

Anders:
Der erste Gig in Roskilde 1993 war großartig – und schockierend!

Jörg:
Ihr habt für ein Theaterstück von Olof Högberg die Musik geschrieben. Worum ging es in dem Stück eigentlich?

Anders:
Das Theaterstück beruhte auf einem Epos aus dem Norden Schwedens.

Jörg:
Könntet ihr euch vorstellen, nochmal für das Theater zu arbeiten?

Anders:
Vielleicht, aber ich weiß nicht, ob das in der jetzigen Konstellation von HEDNINGARNA passt.

Jörg:
Die Lyrics eurer Stücke sind häufig "traditional". Ihr schreibt aber auch eigene Texte. Wovon handeln eure selbstverfassten Lyrics?

Anders:
Unsere Texte handeln von dem, worüber man heute so singt – aber in anderen Worten.

Jörg:
Was hat es eigentlich mit der von euch erfundenen Basslaute (Bassmandora) auf sich?

Anders:
Die Bassmandora stellt eine Laute mit einem langen Hals dar, die wesentlich größer als gewöhnlich ist. Sie besteht aus sehr dünnem Holz. Die Mandora ist ein altes Lauteninstrument, das man in Frankreich, Italien und Deutschland finden kann.

Jörg:
Noch eine Frage zu einem Instrument: Gleich am Anfang des ersten Stückes der Compilation 'Tuuli' kommt eine Flöte zum Einsatz, die sehr schön, mystisch und nordisch klingt. Was ist das für ein Instrument?

Anders:
Das ist eine Obertonflöte - normalerweise, glaube ich, aus Weidenholz -, die aus einem Plastikrohr angefertigt wurde. Ein sehr großes Teil, das auf den Ton E gestimmt wurde.

Jörg:
In eurer Musik gibt es auch Rockeinflüsse. Hört ihr privat eigentlich Hardrock oder Metal?

Anders:
In ihrer Teenagerzeit versuchten sich die Jungs von HEDNINGARNA als Amateur-Rockmusiker in ihren Heimatstädten. Ich spiele zu Hause auch eine Telecaster. Ich mag genauso Pop, Rock und Blues.

Jörg:
Ehrlich gesagt, finde ich eure Musik immer dann am besten, wenn die Elektronik mehr unterstützend wirkt und ihr die alten Instrumente in den Vordergrund stellt (und nicht umgekehrt). Euer letztes Album liegt vier Jahre zurück. Habt ihr irgendeine Vorstellung, in welche Richtung eure nächsten musikalischen Veröffentlichungen gehen sollen? Bleibt ihr eine Folkband?

Anders:
Ja! Wir sind nun ein Quartett ohne die Mädels und freuen uns darauf, in der Zukunft eine Instrumental-CD herauszubringen!

Jörg:
Vielen Dank für das Interview!

Redakteur:
Jörg Scholz

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