HAGGARD: Interview mit Asis Nasseri

01.01.1970 | 01:00

"Eppur Si Muove" stand gerade in den Läden, als HAGGARD-Mastermind Asis Nasseri sich Mitte Mai zu einem Promo-Tag in den Büros von DRAKKAR in Witten einfand. Anscheinend war ich der letzte Gesprächspartner an diesem Tag, als mich Asis zu später Stunde, aber gut gelaunt und sehr gesprächig, anrief. Leider haben wir uns dann auch gleich ein bisschen verquatscht und kamen später zu einem recht abrupten Ende, als Asis anscheinend aus dem Büro geschmissen wurde und/oder dort das Licht ausging.

Klaus:
Hallo, danke für den Anruf zu so später Stunde. Was treibt ihr denn in Witten gerade? Oder bist du als Vorhut alleine dort?

Asis:
Ich bin mit einem guten Freund von mir hier und unsere Mercherin ist auch gerade da. Mein Freund Udo kommt ursprünglich aus Bochum und hat wegen der langen Autofahrt gleich zugesagt mitzufahren. Die anderen Bandmitglieder mussten alle entweder arbeiten oder haben Orchesterproben oder irgendetwas anderes.

Klaus:
Ich stelle mir das unheimlich schwierig vor, eine so große Mannschaft zu den verschiedenen Terminen zu koordinieren. Gibt es da nicht immer mal wieder Probleme, bei Studioaufnahmen, Promo-Terminen, Auftritten, etc.?

Asis:
Ja, man muss sich schon gut absprechen. Aber generell haben wir das schon gut im Griff. Es sind eben auch sehr viele Leute mit sehr vielen verschiedenen Charakteren, die aber trotzdem an einem Strang ziehen. Im Moment sind jetzt natürlich auch alle sehr motiviert und das passt soweit alles gut. Die Leute bemühen sich auch wirklich, wenn etwas Dringendes ist. Es kommt ab und zu schon mal vor, dass ich vergesse jemanden zu benachrichtigen und dann kommunizieren die auch untereinander. Das ist schon ziemlich cool und wir sind ein gutes Team.

Klaus:
Unabhängig von der Koordination, so ein Team verursacht doch auch immense Kosten und ich vermute, dass sich das aus den CD-Verkäufen alleine nicht trägt. Wie funktioniert denn HAGGARD finanziell?

Asis:
Nein, bei der Ersten und bei "Awakening..." und auch bei der Jetzigen trägt sich das alleine durch CD-Verkäufe nicht.

Klaus:
Und bringen die Leute da noch Geld mit?

Asis:
Nein, um Gottes Willen, da würde ich mich ja schämen. Die Produktionen werden soweit bis zu einer gewissen Summe bezahlt und alles was darüber geht, wird von mir übernommen. Ich will doch da keine Leute bluten lassen. Wenn wir Gigs spielen und, sagen wir mal, eine utopische Zahl von 3.000 € dafür bekommen und der Bus 2.000 € kostet, dann bleibt der Band eben nur noch ein Tausender.

Es ist momentan noch nicht die Zeit, in der wir aus Livegigs übermäßig viel Knete sehen. Aber wir haben jetzt über CONTRA PROMOTION einen fitten Ansprechpartner. Früher hat der Udo von DRAKKAR das Booking gemacht und der hat einige Scheiße in den Sand gesetzt, muss ich leider sagen. Da habe ich leider ziemlich schlechte Erfahrungen gemacht und deswegen habe ich das mit einer Booking Agentur auch erst einmal längere Zeit gelassen. Aber die Leute von CONTRA checken es, die haben unter anderem auch OOMPH! und H-BLOCKX und die sind natürlich fit.

Klaus:
Also eine Booking Agency unabhängig vom Label?

Asis:
Ganz genau, nicht das Label macht das Booking, sondern CONTRA PROMOTION und die sind echt klasse.

Klaus:
Was macht denn das Ensemble im Leben außerhalb von HAGGARD, da sind doch auch sicher professionelle klassische Musiker dabei?

Asis:
Ja, da sind professionelle klassische Musiker dabei, Medizinstudenten und Architekturstudenten und ganz normale Arbeiter. Ich bin zum Beispiel nebenher noch mit einer Werbeagentur selbstständig und mache auch hier den ganzen Handelskram, Website, Online-Shop, alle Designsachen und was halt so anfällt. Die Leute machen auch nebenher noch ziemlich viel, spielen in Orchestern und verschiedenen Bands, unser Pianist ist professioneller Konzertpianist und gibt auch noch seine Auftritte.

Klaus:
Wie ist denn die Resonanz in deren Umfeld auf ihr 'metallisches' Schaffen, wird da schon mal die Nase gerümpft?

Asis:
Gut, gut, und das wird immer besser, es ist ja auch ein klasse Paket.

Klaus:
Also kein Naserümpfen über die Dunkelmetaller, die Klassik verhunzen?

Asis:
Im Gegenteil, da melden sich immer mehr Klassiker: 'Hey, Wow, wie ihr das macht, das ist geil!' So etwas ehrt einen dann auch...

Klaus:
...finde ich toll...

Asis:
...Ja, das ist auch toll. Und ich muss dir sagen, dass ich mich auch gleich irgendwie wohl fühle, wenn ich irgendwo an einer Hochschule vorbeigehe und Leute mit Geigen, Celli oder Violas rauskommen. Ich stehe total auf Streichinstrumente, besonders Cello. Ich bin, glaube ich, Cello-Fetischist. Cello, das Saxophon auch, ist das Instrument, das der menschlichen Stimme am nächsten kommt. Es gibt kein Instrument, das vom wohligen Klang her und frequenztechnisch näher an der menschlichen Stimme ist, als Cello und Saxophon.

Klaus:
Also Cello kann ich wirklich etwas abgewinnen, eigentlich mag ich alle Streichinstrumente grundsätzlich gern. Aber wo es mich normalerweise immer ein bisschen hebt, ist Saxophon. Da kann ich überhaupt nichts mit anfangen.

Asis:
Ich kann da auch nichts mit anfangen, aber ich muss sagen, ich finde es auch nicht abtörnend. Im Jazz ist es halt ein wichtiges Stilmittel und ich stehe gar nicht auf Jazz...

Klaus:
Ich stehe auf Vocal Jazz, aber das kommt auch stark auf die Atmosphäre an, also in so einem verrauchten Jazzclub...

Asis:
...Bei mir ist es halt Klassik, deshalb mache ich mir da keine Gedanken drum. Ich habe es ein paar mal gehört und fand es nett, aber es kommt in der Musikrichtung, auf die ich abfahre, eigentlich nicht vor. Das heißt, ich lasse das sowieso außen vor. Aber Cello und Kontrabass... bist du schon mal neben einem Kontrabass gestanden, wenn der spielt?

Klaus:
Ja, aber das ist lange her, früher in der Schule...

Asis:
Also wenn unser Kontrabass loslegt, das ist echt ein geiles Gefühl. Alleine schon, was das Ding für Frequenzen abgibt...

Klaus:
...Wollte ich gerade sagen, der Kontrabass ist doch von den Frequenzen her so ziemlich am tiefsten im Keller, oder?

Asis:
Genau, der ist am tiefsten im Keller. Aber trotzdem, Cello finde ich einfach phantastisch.

Klaus:
Also bei Streichinstrumenten, vor allen Dingen Geige, und wenn dann noch ein Sopran dabei ist, da bin ich sowieso hin und weg...

Asis:
Ja, gerade dann mit klassischen Sängern und auch Oboe und Querflöte und auch Harfe...

Klaus:
Mich hat es damals bei "And Thou Shalt Trust..." beinahe umgehauen, das war wie eine Offenbarung, so etwas hatte ich früher noch nie gehört. Ich finde es einfach klasse. Inwieweit sind denn die Leute am Texten und am Songwriting beteiligt, oder ist das alles ein Alleingang von dir?

Asis:
Ich muss sagen, dass ich mir in die grobe Form der Stückschreibung herzlich wenig reinreden lasse und deswegen auch manchmal ein schlechtes Gewissen habe. Mir ist das eher peinlich zu sagen, dass ich das immer alleine mache. Natürlich bin ich kein professionell ausgebildeter Komponist, die Stücke entstehen bei mir im Kopf. Die sind einfach da und ich bin dann natürlich auf die Mitarbeit unserer klassischen Musiker angewiesen. Die weisen mich dann auch schon einmal in die Schranken: 'Hey, Asis, also die beiden Harmonien, die kannst du nicht kombinieren, wir suchen jetzt hier mal was anderes aus'. Was dann aber am Charakter des Stücks nichts ändert, sondern nur wie es gespielt wird. Aber wie das Stück abläuft, das mache ich.

Die Gavotte und das Menuett von "Eppur Si Muove" hat der Robert von Greding gemacht, das ist unser ex-Klarinettist, der aus zeitlichen Gründen nicht mehr bei uns spielen kann, der aber immer noch mitkomponiert. Und der Hans, das ist unser Pianist, hat erstmalig das Larghetto/Epilogo Adagio, das sind zwei zusammenhängende Stücke, geschrieben. Was ich auch sehr schön finde, weil es direkt nach dem 'Eppur...' kommt und vor dem letzten 'Herr Mannelig' und somit den offiziellen Ausgang der CD darstellt. Das ist recht gut gelungen und der Robert von Greding hat schon seit der ersten immer zwei Stücke drauf und sorgt so ein bisschen für das Authentische.

Weil unsere Musik ja nicht historisch korrekt ist; wir mischen Renaissance mal mit Klassik, mal mischen wir Barock mit Romantik, Impressionismus mit Mittelalter [lacht]. Nein, so krass ist es nicht, aber wenn das jemand anderes hört, ein richtiger Dirigent zum Beispiel: 'Also Moment mal, der Lauf jetzt? Und hier haben sie einen Mittelalter-Part und da kommt eine Oboe rein, aber Oboe im Mittelalter? Die gab es leider noch nicht!' Also historisch gesehen ist das nicht hundertprozentig korrekt, aber das ist auch ein Teil dessen, was HAGGARD ausmacht. Wenn die Leute eine Geige hören, dann heißt es sofort: Klassik! Aber man unterscheidet natürlich mittelalterliche Musik, dann Renaissance, dann Klassik, Wiener Klassik und danach Romantik, wie Edvard Grieg oder Mendelson-Bartholdy zum Beispiel. Und dann relativ neuzeitliche Komponisten, Impressionismus...aber für normale Leute ist das halt einfach Klassik...

Klaus:
...Ich wollte gerade sagen, dass der Normalhörer den Unterscheid wahrscheinlich nicht raushören wird und warum auch nicht, du mischst ja auch Klassik mit Death Metal, warum sollst du da nicht verschiedene klassische Stile miteinander mischen?

Asis:
Deswegen haben wir da auch nie drauf herumgeritten, sondern haben immer gesagt, dass HAGGARD eine Mischung aus Klassik, Mittelalter und Death Metal ist. Und wenn ich Klassik mit Death Metal vermische, dann brauche ich auch nicht auf die verschiedenen Klassikstile einzugehen, dann ist sowieso schon ein Wirbel drin.

Aber ich finde das soweit okay und ich glaube, das ist es auch, was HAGGARD ausmacht. Du musst dir mal vorstellen, dass früher im Mittelalter von der kirchlichen Seite her nur monophone Sachen angesagt waren. Das heißt zum Beispiel: nur eine Geige. Es gibt mittelalterliche Weisen, da spielt nur eine Geige, eine halbe oder dreiviertel Stunde lang. Das ist schon cool, aber wenn du daran denkst, dass die auch vom Stil und von den Scales her sehr limitiert waren und dass polyphone Sachen ja auch ein bisschen Teufelswerk waren, also für mehrstimmiges Zeug hat es da schon komische Beschränkungen gegeben...

Klaus:
...dann sind wir aber ganz schön verdammt heute...

Asis:
Ach, heutzutage mixt man doch sowieso alles. Ich finde es okay vom Grundfeeling her klassische Stile zu mischen, aber ich würde nie irgendein Elektroding dulden. Bei dem 'Herr Mannelig' haben wir einen Bordun ein bisschen mit Chor-Samples gemischt. Aber das 'Mannelig' ist natürlich auch nicht original von HAGGARD.

Klaus:
Warum habt ihr das eigentlich auch noch einmal gemacht, das ist ja von IN EXTREMO schon sehr bekannt?

Asis:
Kennst du das von GARMANA?

Klaus:
Nein, die Scheibe steht schon ewig auf meiner Liste, weil sie ein Kollege mal empfohlen hat, aber bis heute habe ich die noch nicht gefunden...

Asis:
Die Scheibe heißt "Guds Spelemän" und da ist 'Herr Mannelig' drauf [Anm.: mittlerweile gefunden] und die Frau singt altes norwegisch mit einer tiefen Stimme. Da denkst du, es steht ein Troll vor dir und wenn ich jetzt nur daran denke, kommt mir schon eine Gänsehaut auf. Ich habe mir gedacht, wir müssen das jetzt zum Wohle Herrn Manneligs machen, und zwar auf italienisch...

Klaus:
Das ist Alt-Norwegisch? Wir haben nämlich ein bisschen gerätselt und uns dann auf Alt-Schwedisch geeinigt...

Asis:
Das ist ein norwegisches Volkslied, 'Betida En Morgon'. Sagt dir das was?

Klaus:
Nein, sagt mir überhaupt nichts..

Asis:
Alt-Norwegisch, genau, die Silke stimmt zu. Die Laura Belli, die das bei uns auf italienisch eingesungen hat, ist halb Italienerin und halb Argentinierin. Ich hätte das nie eine von unseren deutschen Sängerinnen auf der CD in Italienisch singen lassen. Ich will ja, dass es den Italienern auch gefällt und will als Band doch auch eine authentische Version machen.

Klaus:
Hast du das übersetzt oder adaptiert und worum geht es in dem Lied überhaupt?

Asis:
Wir haben das schon übersetzt. Der Herr Mannelig ist ein Ritter und wie er durch den Wald reitet, wird er von einem Trollweib becirct, das ihn auf alle Fälle heiraten will. Im Italienischen ist es ...[Anm.: es folgt ein für mein Speisekarten-Italienisch unverständlicher Text], also: 'Herr Mannelig, willst du mich heiraten?' Sie tut alles und er soll doch sagen, ob er jetzt will oder nicht. Aber er wehrt sie ab und sagt: 'Hinfort mit dir, du böser Troll. Wenn du ein edles Christenweib wärest, würde ich dich zur Frau nehmen, aber da du nur die Trollfrau bist...'

Mir tut es ja ein bisschen leid für die Trollfrau, wo sie sich doch so verknallt hat. Das ist doch süß. Ich habe am Anfang gedacht, dass es die Leute auf Italienisch vielleicht nicht so akzeptieren werden. In der Mittelalter- und der Gothic-Szene ist 'Herr Mannelig' relativ weit verbreitet. Aber in den ganzen Clubs, in denen wir das jetzt spielen, sind die Tanzflächen packed.

Klaus:
Das du viel Italienisch verwendet und dass du es sprechen kannst, habe ich auch gerade gehört. Dann kommt noch Englisch dazu, viel Latein, auf "Awakening The Centuries" sogar Russisch, bist du so multilingual?

Asis:
Ich bin eigentlich nicht multilingual. Bei dem Latein haben wir Hilfe. Bei dem Italienisch bin ich gerade dabei, das eifrig zu lernen und investiere die Zeit, die ich investieren kann. Aber das Russisch war als Hommage an den Chor gedacht. Den Part, den sie einsingen sollten, haben sie auf Englisch gesungen und wie du das von 'Tse Feinel Wickdorie' hörst, haben die halt nun mal einfach einen Akzent. Der kommt da zwar geil, aber bei dem anderen Part waren ein paar komische Silben drin und da habe ich einfach gesagt: 'Kommt, macht es auf Russisch'. Die Dirigentin, Elena, hat dann kurzerhand einen coolen, düsteren Text gemacht, irgendwie so was wie: 'Im Dunkeln, wenn das Licht der Kerze flackert...'. Irgendwie recht poetisch auch...

Klaus:
Russisch soll ja auch eine poetische Sprache sein...

Asis:
Ja, total. Das ist natürlich auch eine Ehre, da einen russischen Chor dabeizuhaben, da kann dann auch nur Russisch drauf...

Klaus:
Wie bist du eigentlich an den russischen Chor drangekommen?

Asis:
Der Bruder von unserem ex-Flötisten managt den Chor. Krasser Zufall, der Moskauer Rundfunkchor, das ist natürlich amtlich. Ich habe da bei "Awakening..." zwei Töne verwechselt und die kamen an, schauten auf das Notenblatt und sagten einfach: 'Njet!' Und ich fragte: 'Wie, Njet'? Und da hat die Elena mir übersetzt, dass die Sopranisten das so nicht singen können. Die schauen das an und sehen sofort, die Töne stimmen nicht.

Das ist der Hammer mit denen: Die Elena stand vorne und alle haben ein 'A' gesungen. Und sie hat für die acht Leute im Chor an der rechten und an der linken Hand je vier Finger ausgestreckt, jeder Finger war ein Musiker. Und wenn der zweite von links zu hoch war, dann hat sie einfach ihren linken Ringfinger nach unten gesenkt. Die haben alle auf ihre Hand gestarrt und haben dann ihre Töne entsprechend geändert. Unser Produzent und ich sind auf dem Boden gerutscht vor Ehrfurcht, bis unsere Knie durchgescheuert waren. So etwas habe ich noch nie erlebt. Und dann sind die so unkompliziert und freuen sich einfach, ein paar Tage in Deutschland zu sein. Von solchen krassen Koryphäen tut ein bisschen Anerkennung für einen einfachen Heavy-Musiker auch nicht schlecht...

Klaus:
Ist doch toll, wenn so etwas zusammenfindet...

Asis:
Aber der jetzige Chor war auch nicht schlecht, das waren deutsche Chorsänger. Die waren auch bombastisch und ich finde, dass die auch super klingen. Generell können wir auch diesmal mit den Sopranistinnen ultrazufrieden sein. Vor allem, weil es drei ganz unterschiedliche Soprane sind und sich perfekt ergänzen.

Klaus:
Wie kriegst du eigentlich die Inspirationen für das Gesamtkonzept? Hast du generell starkes Interesse am Mittelalter oder an den großen Persönlichkeiten der Zeitenwende im Besonderen? Wie kommt man auf so etwas?

Asis:
Also natürlich schon ein persönliches Interesse. Wobei das mit dem Mittelalter immer so eine Sache ist. Was wir immer meinen, wenn wir vom Mittelalter reden, ist mehr so diese Neo-Mittelalter-Geschichte. Wenn du zum Beispiel heute mit Rollenspielern redest, dann hörst du: 'Ja, ich möchte schon im Mittelalter leben, geil'. Mit Mittelalter assoziiere ich katastrophale hygienische Zustände, Aberglauben, Misstrauen innerhalb der Bevölkerung, Hungersnöte, Übergriffe, etc.. Das heißt, das Mittelalter ist der letzte Ort, wo ich hinmöchte.

Es gibt da dieses neo-mittelalterliche Gefühl: Leuten helfen, edles Verhalten, höflich miteinander umgehen. Alles, was wir halt heute nicht mehr gewohnt sind. Das ist auch das, was die ganze Rollenspielerszene ausmacht. Aber wenn du heute ins Mittelalter kommen würdest, würde sich als erstes deine Nase überschlagen, weil überall der Kot auf den Strassen herumliegt. Wenn du dir Mittelalterfilme anschaust, dann denkst du da nicht dran. Angenommen, die hätten wirklich das Duftfernsehen und würden ein bisschen von diesem Müllhaldengestank durchkommen lassen, der damals in den ganzen Vierteln einfach geherrscht haben muss, weil es halt einfach keine Kanalisation gab...Also ich würde mir zweimal überlegen, ob ich da hinwollte.

Klaus:
Ich bin jetzt nicht unbedingt ein großartiger Mittelalterfreak, mir gefällt einfach die Musik. Was kommt denn nach der Vertonung der Geschichten von Nostradamus und Galileo Galilei? Dürfen wir vielleicht auf ein Konzept um Leonardo DaVinci hoffen, der würde sich doch anbieten?

Asis:
Wollte ich gerade sagen. Da habe ich auch schon dran gedacht. DaVinci war schon genial, das muss man sich mal vorstellen, der hat damals schon ein Unterseeboot gemalt und gesagt: 'Das ist ein Boot, das unter Wasser fährt'. Genial.

Klaus:
Hat der nicht sogar einen Hubschrauber entworfen?

Asis:
Ja, krasser Typ. Ein Vordenker, vor dem man nur den Hut ziehen kann. Michelangelo ist natürlich auch bombastisch. Aber deren Geschichte ist zu wenig düster, das waren eher Lichtgestalten.

Klaus:
Zu wenig kontrovers, oder was stört dich daran?

Asis:
Die beiden wurden verehrt und respektiert, da lässt sich wenig draus stricken. Galileo, Astronomie, das ist dann schon eher etwas, woraus sich etwas stricken lässt.

Klaus:
Wie gesagt, ich habe "Eppur" erst einmal hören können, aber die bekommt bestimmt Dauerrotation.

Asis:
Viel Spaß. Einen Nebeneffekt hatten wir vor kurzem, da hat uns eine Schule aus Nürnberg angesprochen. Da haben die Lehrer wohl über die Schüler von uns erfahren und uns angesprochen, ob wir nicht Lust hätten vorbeizukommen und etwas über Galileo Galilei und über das Mittelalter zu erzählen. Wenn das eine Realschule fragt, ist das schon irgendwie geil, oder?

Klaus:
Anscheinend ist es für die Jugend doch noch nicht zu spät...

Asis:
Tolle Sache, in die Schule gehen und über italienische Geschichte aus dem Mittelalter erzählen. Ich weiß ja nicht, was sich die Lehrer davon erhoffen, aber ich finde das klasse.

Klaus:
Ich habe ja, wie gesagt, noch keine rechte eigene Meinung zu der neuen Scheibe und schon die unterschiedlichsten Meinungen über den metallischen Anteil gehört und ob der jetzt eher zu- oder abnimmt. Wie siehst du die Entwicklung?

Asis:
Also ich würde sagen, der metallische Anteil nimmt zu. Aber auch der Klassikanteil ist ein bisschen purer, wenn er auftritt. Da gibt es immer beide Meinungen. Die einen sagen, dass die neue Scheibe aber soft ist, wobei ich das aber nur von wenigen gehört habe, und die anderen finden sie eher härter. Ich finde die Scheibe kickt, und besonders live kommt das natürlich noch einen Zacken härter.

Klaus:
Ich habe mich gerade ein bisschen durch eure Homepage geklickt und war über die doch recht zahlreichen Einträge aus Südamerika erstaunt. Führst du die Resonanz auf das Konzert in Mexiko zurück?

Asis:
Ja, Südamerika, Lateinamerika, besonders die Mexikaner fahren voll darauf ab...

Klaus:
Wie seid ihr damals eigentlich dahingekommen, mit dem Flieger, ist mir klar, aber...

Asis:
Das ging über einen mexikanischen Veranstalter. Wir haben dann zwei Konzerte in Mexiko City gespielt. Unserer Mercherin haben sie dann dort noch ihren Rucksack geklaut, mit allem Drum und Dran. Ganz dreist, wir haben das sogar noch auf Video gesehen. Einer hat uns abgelenkt und der andere ist unter den Tisch gekrabbelt und hat sich das Ding geschnappt und weg war er. Das Ding war groß und hatte Gewicht ohne Ende und den hat er sich einfach unter seinen Mantel gesteckt...

Klaus:
...Naja, da musst du wahrscheinlich nicht erst nach Mexiko kommen...

Asis:
...Und das Ganze auf Video, die sind schon dreist. Aber generell sind das geile Leute dort. Da läufst du mit langen Haaren rum und keiner schaut dich blöd an, du bist halt einfach ein Teil davon.

Klaus:
Damals, nach gerade zwei Studioalben gleich eine Live-Scheibe und eine DVD ist doch eher ungewöhnlich, wie kam es dazu?

Asis:
Wir haben da gespielt und die mexikanische Ton-Ing.-Crew hat das aufgenommen. War leider nicht alles so toll abgenommen und wir haben einiges overdubben müssen. Aber visuell war das einfach geil, eine Best-of-HAGGARD live, die man den Leuten ans Herz legen kann, die mal wissen wollen, wie so ein Konzert abläuft.

Klaus:
Ich stelle mir das als einen Albtraum für jeden Soundmann vor, euch abzumischen und aufzunehmen. Wie kriegt man das hin?

Asis:
Wir haben jetzt unsere Soundcrew und die sind auch ganz lieb und fix, also das kostet mich keine schlaflose Nächte mehr...

Klaus:
...Ein Redaktionskollege hat euch auf dem WGT gesehen und war, bis auf die zu laute Sängerin, wohl wegen Monitorproblemen, sehr vom Sound begeistert. Wie bekommt ihr das live hin? Alleine der Monitorsound muss doch für jeden Soundmann ein Albtraum sein.

Asis:
Die hatten wir damals noch nicht, und ein normaler Soundmann ist froh, wenn er einigermaßen durchkommt. Das sind alles normale Metal-Mischer, denen musst du erst mal beibringen, was eine Oboe ist und dass man die nicht unten abnimmt, sondern über den Klappen. Die haben noch nie im Leben eine Oboe gesehen, denen musst du dann erst einmal das kleine Richtmikrofon in ihrem Koffer zeigen: 'Ach so, aha, alles klar'.

Aber jetzt haben wir da einen, der hat das echt drauf. Der ist auch selbst Musiker, und der Monitormann ist auch spitze, das sind auch ganz liebe Leute. Und sie sind vor allen Dingen auch Fans der Band, das ist Gold wert.

Klaus:
Einer meiner Lieblingssongs ist 'Lost' (Robin's Song) von "...And Thou Shalt Trust...The Seer". Ist der deinem Sohn Robin gewidmet?

Asis:
Ehrlich? Toll. Ja, der ist für Robin. Eigentlich sollte der Song nur 'Lost' heißen, aber dann habe ich mir den öfters vom Mischtape angehört und Robin ist immer aufgestanden, ist jedes mal hoch und runter gegangen und hat mitgewippt und getanzt.

Klaus:
Aha. Da habe ich schon lange gerätselt, der Song ist ja eigentlich eher düster und nicht gerade sehr lebensfroh.

Asis:
Ja, den Zusammenhang muss man natürlich kennen. Seitdem heißt der Song Robin's Song, weil er da so einen Spaß damit hat.

Klaus:
Und hat es mittlerweile mit den Kettle-Drums bei Robin geklappt? Spielt er schon mit?

Asis:
Auf der neuen Scheibe hat er einen Paukenschlag beigetragen und ansonsten hat er immer ganz kräftig in die Hände geklatscht...

Klaus:
Und würdest du dir wünschen, dass er irgendwann einsteigt?

Asis:
Konzerte sind halt laut, wie ich finde zu laut für Kinder. Wir haben das in Mexiko erlebt, da sind sie sogar mit Babies auf dem Arm in die Halle gekommen. Die Leute haben wir dann hinausgebeten, ich finde das verantwortungslos. Wir sind sogar losgegangen und haben Ohrstöpsel gekauft und haben die an die Kinder verteilt. Unser Schlagzeuger hat einen beidseitigen Tinnitus, der geht nie mehr weg.

Klaus:
...Sarkastischere Menschen als ich würden jetzt sagen, dann spielt doch einfach leiser...

Asis:
Leiser spielen? Das würde gehen, wenn du mit dem Schlagzeug klarkommst, aber das müsstest du dann in einen Plexiglaskasten stecken und komplett separat abnehmen. Ich finde, es sollte für Konzerte ein Mindestalter geben, 16 Jahre, 15 würde ich mir auch noch gefallen lassen. Wir hatten mal in Hamburg eine Frau mit einem kleinen Kind auf dem Arm, die wollte sich das mal anschauen und war selbst noch nie auf einem Konzert. Als Musiker hat man da doch auch eine Verantwortung....

Klaus:
Ich habe mal im Fernsehen einen Bericht über Hörschäden bei Kids gesehen, die bei einem Konzert von Jeanette Biedermann waren. Die haben da so um die 100dB Spitzenwert gemessen. Wenn ich die Formal richtig im Kopf habe, müsste zum Beispiel MANOWAR mit um die 130dB vom subjektiven Empfinden her achtmal lauter sein...

Asis:
...Du siehst halt bei vielen Konzerten die Kiddies rumstehen. Die wissen gar nicht, was sie sich da antun. Aber du, wir müssen jetzt doch langsam zum Ende kommen, danke für das Interview.

Klaus:
Danke dir, zu so später Stunde. Ich wünsche euch viel Erfolg und alles Gute.

Asis:
Danke, wir sehen uns mal live irgendwo, bis bald.

Redakteur:
Klaus Coltrane

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