Gruppentherapie: WATAIN - "The Wild Hunt"

24.08.2013 | 09:24

Die neue Scheibe WATAINs erobert den August-Soundcheck. Ist sie nun das Maß aller Dinge im Black Metal? Dies versucht unsere Gruppentherapie zu klären.




Die neue WATAIN hatte wohl nicht nur bei mir mit extrem hohen Erwartungen zu kämpfen. Die (Un)Heilsbringer des traditionell verwurzelten Black Metal haben sich labeltechnisch in den Independent-Mainstream gewagt und ihren Sound definitiv weiterentwickelt. Ob man diese Entwicklung als Fort- oder Rückschritt betrachtet, daran werden sich die Geister scheiden. Meiner Meinung nach ist WATAIN die beste praktizierende Black-Metal-Band, da auf "The Wild Hunt" mit den unterschiedlichsten Stilmitteln eine morbid-schauerhafte Atmosphäre erzeugt wird, wie man es nicht alle Tage hört. Das intonierte Chaos kommt mal etwas gezügelt, mal roh und ungestüm auf den Hörer zu. Riffs, Schlagzeugbreaks und Schreie türmen sich auf, werden von den markzerreissenden Dissonanzen in Stücke gerissen und in kürzester Zeit wieder geflickt. Alle Zutaten sind erster Güte, vor allem die Heavy-Metal-Einflüsse an den Klampfen machen den fünften WATAIN-Streich für mich zum mit Abstand besten Album dieser Sparte in letzter Zeit. Und dann ist da noch 'They Rode On', diese untypische Ballade, die die Atmosphäre des Albums perfekt wiederspiegelt und auch einem düsteren Americana-Album gut zu Gesicht stehen würde. WATAIN - "The Wild Hunt". Derzeit das Maß aller Dinge im Black Metal.

Note: 9,5/10
[Nils Macher]


WATAIN auf unserem Treppchen? Wow, dann spiele ich hier bestimmt den Miesepeter. Aber für diesen Stil ist "The Wild Hunt" zumindest nicht ganz schlecht, sondern sogar ordentlich hörbar. Musikalisch machen die Jungs nämlich vieles richtig, nur dass mir meist die Mittelteile und Bridges besser gefallen als der eigentliche Song, ab. Mein größter Kritikpunkt ist der Gesang, in diesem Fall aber nicht wegen der gutturalen, dem Stil geschuldeten Art, sondern weil ich den extremen Hall in einigen Songs als störend empfinde. Ansonsten könnte man die Songs durchaus auch im Black Metal mit einigen Gesangsmelodien würzen, anstatt häufig nur vor sich hin zu keif-grunzen, aber das wäre die Kür und das werden meine Kollegen sicher anders sehen. Für Black Metal also ein Album, dass ich mir gut anhören kann, was aber sicher auch bedeutet, dass es von der ursprünglichen Lehre weit entfernt sein dürfte. Das wiederum kann euch aber Kollege Stehle besser auseinandersetzen, der kennt sich da aus, ich dagegen urteile als Nicht-Black-Metaller: Ruhig mal reinhören, vielleicht entdeckt ihr ja einen Einstieg in diese Welt. Ach ja, und die allgemein im Netz geäußerte Kritik an der Single 'The Child Must Die' ist berechtigt: Das ist tatsächlich einer der schwächsten Songs auf dem Album.

Note: 6,5/10
[Frank Jaeger]

Richtig, auf "The Wild Hunt" haben meine Kollegen und ich lange warten müssen. Doch die Blaupause hat sich gelohnt, Nils und Rüdiger kennen beide kein Halten mehr und ich bin von der neuen WATAIN-Scheibe auch positiv angetan. Ist WATAIN anno 2013 das Maß aller schwarzmetallisch schimmernden Dinge? Zumindest darf man die Schweden nun im Hinterkopf behalten, denn Stücke wie 'Sleepless Evil', das majestätische Titelstück und 'Outlaw' zwiebeln aus vollem Rohr, scheinen das gesamte Seelenleid in sich zu vereinen und kommen mit einer ungemein intensiven Atmosphäre daher. Vielleicht wäre die Benotung noch ein Stückchen nach oben gewandert, wenn sich zum einen dieser positiv chaotische Fiesling nicht bei prallem Sonnenschein und schattigen 35 Grad in meinen Player verirrt hätte und sich zum anderen solche Mittelmäßigkeiten wie 'The Child Must Die' (Nö, es kann ruhig weiterleben) und 'All That May Bleed' (etwas zu zäh) nicht eingeschlichen hätten. Unterm Strich können Black-Metaller aller Art bei "The Wild Hunt" nun wahrlich nichts verkehrt machen. Wenn unsere Soundcheck-Redaktion ein Album dieser Sparte nach oben setzt, muss es doch auch von Qualität sein, nicht wahr?

Note: 8,0/10
[Marcel Rapp]





Da gibt man der neuen WATAIN eine durchaus ordentliche Note und gleich heißt es, dass ich kein Halten mehr kennen würde. Lieber Marcel, wenn ich kein Halten mehr kenne, dann steht da die blitzblank polierte Zehn und sonst gar nichts. Die stand dort nämlich vor einigen Jahren bei "Lawless Darkness", und wenn nun bei "The Wild Hunt" ein halber Zähler weniger prangt, dann bedeutet es, dass ich sehr wohl etwas auszusetzen habe und die Euphorie ein wenig gebremst ist. So stimme ich dir nämlich zu, dass der mittlere Teil des Albums speziell mit 'The Child Must Die' und 'All That May Bleed' kompositorisch doch noch ein wenig Luft nach oben lässt, obwohl ich die stampfenden Melodic-Death-lastigen Stücke in der Tradition des DISSECTION-Abschiedswerks durchaus gelungen finde. Außerdem finde ich 'De Profundis', den ersten Song nach der grandios-melodischen Düsternis des Intros 'Night Vision', und phasenweise auch 'Sleepless Evil' mit seinen zaghaften "Ordo Ad Chao"-Referenzen etwas zu hektisch und zerfahren. Dafür hauen dann aber das getragene, majestätisch marschierende bis schleppende 'Black Flames March', das massiv BATHORY-lastige Titelepos und vor allem die unfassbar gute Schwarzkunst-Ballade 'They Rode On' einfach mal alles weg, was sich ihnen in den Weg stellt! Da alle weiteren Stücke der Scheibe eher zum oberen Ende der Qualitätsskala hin tendieren, ist eine hohe Wertung natürlich Pflicht. Denn ja, auch wenn WATAIN schon noch besser war, so haben wir es immer noch mit meisterlich inszeniertem Black Metal zu tun, der sich hinter niemandem verstecken muss. Ach ja, werte Kollegen von der Kuschelrockfraktion, trotz aller Einflüsse aus dem Traditionsstahl und dem Melodientod ist das natürlich "immer noch" Black Metal. Der definiert sich nämlich nicht über den Keifquotienten des Sängers, die Blastfrequenz des Drummers, die Strumminganteile bei den Gitarren oder über das Kratzen des Sounds in den Boxen, sondern allein über die Atmosphäre, und die lebt gerade bei WATAIN zuallererst von der Finsternis der Melodien, dem grimmigen Ausdruck und von den diabolischen Dissonanzen und ihrer erhabenen Auflösung. Es bleibt also ein großartiges Werk beeindruckender Schwarzkunst, das zwar im laufenden Jahr nicht unübertroffen bleibt, das aber durchaus Maßstäbe für das Genre und die Szene setzt.

Note: 9,5/10
[Rüdiger Stehle]





Leute, ihr hört da allesamt ganz viele richtige Dinge. Mir drängt sich jedoch ein Wort förmlich auf: Schönheit. Trotz Chaos, trotz morbider Schaueratmosphäre und trotz Krach sowie Gekrächze ist "The Wild Hunt" einfach nur wunderbar angenehm für die Ohren. Nicht, dass nun jemand auf eine falsche Fährte gelockt wird: WATAIN zelebriert hier nach wie vor Black Metal. Das Songwriting ist auf Albumlänge nur einfach so gut, dass es sich erschreckend stressfrei herunterhören lässt und dabei gleichzeitig wirklich begeistern kann - eine bemerkenswert geglückte Gradwanderung. Das Kopfkreisen zu 'Black Flames March' ist somit gleichermaßen impulsive Ekstase wie auch beruhigende Massage. Und auch wenn es schon x-fach erwähnt wurde: Dafür, dass 'They Rode On' meine Sinne nun schon mehrfach verwöhnen durfte, gebührt WATAIN riesiger Dank. 'Waters Of Ain' 2.0, wenn man so will. Es sitzt zwar nicht jedes Lied zu hundert Prozent, aber mindestens zu achtzig. "Lawless Darkness" ist ein extrem gutes Album, "The Wild Hunt" ist anders, jedoch fast genau so gut. Es ist vor allem schön(er). Nahezu vollendete schwarze Ästhetik. Ich bin glücklich, verneige mich und freue mich auf die livehaftige Inszenierung.

Note: 9,0/10
[Oliver Paßgang]

Redakteur:
Thomas Becker

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