Gruppentherapie: U.D.O. - "Touchdown"

04.09.2023 | 21:56

Eins, zwei, drei und ab dafür!

Einen soliden Platz 5 mit einem soliden Schnitt von 7,5 Punkten belegt U.D.O.s 297stes Album namens "Touchdown" in unserem August-Soundcheck. Kann solch eine Routine noch echte Begeisterung hervorrufen? Ja, sie kann es. Wird es aber nicht dem einen oder anderen schnarchlangweilig? Nein, wird es nicht. Nicht nur unser Stahlrabe als Hauptrezensent (zum Review) mag ihn, nein, irgendwie mögen wir ihn doch alle, der eine mehr, der andere weniger, unseren Udo. Oder doch Dirk? Egal, Hauptsache Schneider.

Mein erstes U.D.O.-Album war "Holy" und tatsächlich musste sich danach jede weitere Platte aus der Pranke des German-Metal-Tanks mit dem 1999er Werk messen. Nicht fair, zugegeben, weil objektiv sicherlich bessere Platten dieser folgten, aber so ist es nunmal bei Emotionen und Erstkontakten zu Urgesteinen der Szene. Aber U.D.O. war schon immer U.D.O. und wird auch immer U.D.O. bleiben: knurrige Reibeisenstimme, markante Riffs und Stahl in Reinkultur. Gott sei Dank war nach "Game Over" nicht Schluss, wurde das Spiel doch erst neu angepfiffen und bekommt mit "Touchdown" eine sehr gute Nachfolgepartie. Nein, uns Udo wird nicht als neuer Linebacker oder Quarterback bei den Solingen-Paladins auf dem Feld stehen, hat aktuell aber ein Album am Start, das ich in Sachen Songwriting noch facettenreicher und spannender finde und das mir noch deutlich frischer als "Game Over" daherkommt. Lieber Udo, zwei, drei Songs weniger hätten es auch getan, zumal die Albummitte im Vergleich ein wenig abflaut, doch wenn man anfangs und dem Ende hin ordentlich Gas gibt und mit 'The Flood', 'Forever Free', 'The Battle Understood' und dem abschließenden Titeltrack solch tolle Lieder am Start hat, darf man froh sein, dass es damals nicht ganz zur Karriere zum Spitzensportler gereicht hat.

Note: 8,0/10
[Marcel Rapp]

Konstanz ist ja nicht per se schlecht und auch ein Sprichwort wie "Schuster, bleib bei deinen Leisten" dürfte sich der eine oder andere Künstler gerne mal öfter hinter die Ohren schreiben. Frontröhre Udo Dirkschneider hat damit nachweislich keine Probleme. Seine Fans brauchen sich schon seit Dekaden keine Sorgen darüber zu machen, ob ein neues Scheibchen aus dem Hause U.D.O. irgendwie aus der Reihe fallen könnte. Auch "Touchdown" ist da keine Ausnahme. Teutonischer Stahl, der heuer vielleicht ein bisschen knalliger klingt, was aber primär am Schlagzeug liegt, das enorm weit im Vordergrund steht und bei dem sich jeder Schlag wie ein Peitschenhieb anfühlt. Grenzwertig. Die Gitarren könnten für mich im Gegensatz dazu etwas mehr Wumms vertragen, die Soloarbeit von Smirnov und Dammers ist dagegen echt super. "Kennste eine, kennste alle" – wo wir gerade schon bei Sprichwörtern wären. Gut, ganz von der Hand zu weisen ist das auch im vorliegenden Fall nicht, hat uns Udo aber auch noch nie irgendwelche Anstalten gemacht, die Musik revolutionieren zu wollen. Viel lieber wandelt er auf bereits von ihm selbst breitgetretenen Pfaden und packt Schlachtrufe aus, bei denen ich mich wundere, dass er diese noch nicht früher verwendet hat ('Fight For The Right', 'Forever Free', 'Heroes Of Freedom'). Eingerahmt in die beiden flotten 'Isolation Man' und den abschließenden Titelsong findet sich dieses Mal keine Ballade wieder, dafür aber elf weitere, kraftvolle Metalnummern, bei denen das Quintett zu keiner Zeit Luft zum Verschnaufen lässt. Keine großen Schnörkel, keine dynamischen Aufbauten – eins, zwei, drei und ab dafür. Dass es manchmal so klingt, als stelle man den Computer an und nach gut vier Minuten einfach wieder aus, geschenkt. Warum an etablierten Songmustern schrauben, wenn sie doch funktionieren? Eben. Alles für das mit einer geringen Aufmerksamkeitsspanne versehene und enorm sprunghafte Spotify-Klientel. Mir persönlich fehlt es jedoch auf Gesamtstrecke an Dynamik. Insgesamt hätten es auch gerne drei bis vier Songs weniger sein dürfen. Und was ist mit dem Peter Baltes-Effekt? Nicht wirklich spürbar, auch wenn vor allem die Chöre mein Nostalgie-Herz durchaus höher springen lassen. Summa summarum ein ordentliches Album, das in ein paar Jahren wahrscheinlich nur eines von vielen guten, aber nicht herausstechenden Alben in Udos Diskografie seiner Soloband sein wird.

Note: 7,0/10
[Chris Staubach]



Die Veröffentlichung eines neuen Tonträgers aus dem Hause Dirkschneider ist vergleichbar mit dem lang ersehnten Wiedersehen eines alten, langjährigen Freundes, und die Tatsache, dass Bassist Peter Baltes nun bei U.D.O. mit an Bord ist, lässt mein Fanherz noch schneller schlagen. Auch wenn der von Chris schmerzlich vermisste Baltes-Effekt noch ausbleibt, da er diesmal leider noch nicht aktiv am Songwriting beteiligt war, werden wir ihn sicher auf dem Nachfolgealbum zu hören bekommen.

Doch bevor ich mich dem neuen U.D.O.-Album zuwende, ein kleiner Rückblick ins Jahr 1979, als der damals gerade elfjährige Mahoni durch seinen älteren Bruder erstmals Bekanntschaft mit ACCEPT und insbesondere mit der einzigartigen Reibeisenstimme eines gewissen Herrn Dirkschneider machen durfte. Nie zuvor hatten meine jungfräulichen Ohren eine so faszinierende Stimme vernommen. Von da an war es um mich geschehen und ich wurde sein treuer Begleiter durch die Jahrzehnte. 1980 durften wir Kids jeweils einen Lieblingssong auf Tape zum Musikunterricht mitbringen. Wie nicht anders zu erwarten, spielten meine Mitschüler genau den langweiligen Mist, der täglich im Radio lief. Ich hingegen hatte den damals brandaktuellen ACCEPT-Song 'I'm A Rebel' auf Tape gebannt, den außer mir und meinem Metalbruder im Geiste "Mäd Evil Mäx" noch niemand in der Klasse jemals zuvor gehört hatte. Als mein Tape endlich an der Reihe war, wurde es mit dem ersten Ton der Gitarren und des Schlagzeugs unheimlich still im Klassenzimmer und der Gesichtsausdruck meiner Lehrerin veränderte sich beim Einsetzen des Gesangs von einer Sekunde auf die andere. Zuerst freudig, dann fragend und beim Refrain signalisierte sie schließlich absolutes Unverständnis für diesen Lärm. Es kam, wie es kommen musste, mein Tape wurde direkt nach nicht einmal der Hälfte aus dem Tapedeck verbannt. Diese Aktion bestätigte mich vollkommen in meinem exquisiten Musikgeschmack und meiner damaligen Rebellenrolle.

Lange Rede, kurzer Sinn: Was ich eigentlich ausdrücken möchte, ist meine Leidenschaft, die ich dem heute schon 71-jährigen Frontmann entgegenbringen möchte. Udo hat in meinen Augen noch nie ein wirklich enttäuschendes Album abgeliefert. Natürlich waren einge, wie beispielsweise "Animal House", etwas besser als zum Beispiel "Solid". Aber das Gütesiegel "Metal Made In Germany" bekommen alle mit Leichtigkeit. Selbst dort, wo andere Heroen wie SAXON mit ihren beiden "Inspirations"-Coveralben eine völlig uninspirierte Bruchlandung hinlegten, zeigte Dirkschneider mit seinem Vinyl-Doppelalbum "My Way", wie man Coversongs richtig interpretiert und ihnen Eigenleben einhaucht.

Doch nun endlich zur Gegenwart und zu "Touchdown": Dank der nach wie vor enormen kompositorischen Klasse gibt es unter den dreizehn Songs keinen einzigen Ausfall und Udos Stimme klingt absolut frisch und unverbraucht. Es werden gut fünfzig Minuten reinster teutonischer Heavy Metal im typischen Dirkschneider-Stil geboten, der mir nicht den geringsten Anlass zur Kritik gibt. Im Gegensatz zu Marcel und Chris möchte ich auf diesem Album auf keinen Fall zwei oder drei Songs missen, da ich über die gesamte Albumdistanz keinen Durchhänger feststellen kann. Lobend erwähnen möchte ich noch die erstklassige Produktion, die oft hymnischen, an ACCEPT erinnernden Refrains, das hervorragende Zusammenspiel der beiden Gitarristen und die Tatsache, dass "Touchdown" keine Ballade enthält. In meinem internen U.D.O./ACCEPT-Ranking setzt sich die Scheibe damit locker im oberen Drittel fest und die Vibes erinnern mich an eine Mischung aus "Russian Roulette" und "Faceless World". Wenn in diesen unsicheren Zeiten eines sicher ist, dann ist es die verlässliche Qualität aus dem Hause Dirkschneider.

Note: 8,5/10
[Mahoni Ledl]



"Mal gucken, was DIRK SCHNEIDER heute Abend so abliefert!" Solche und andere Running Gags versüßten einem Kumpel und mir das Warten auf DIRKSCHNEIDER beim diesjährigen "Rock Of Ages"-Festival. Denn wie Mahoni oben schon absolut treffend ausführte, ist die Band ein altbewährter und absolut "krisenfester" Headliner.

Live zu überzeugen, quasi als eine das Original mittlerweile bei weitem in den Schatten stellende ACCEPT-Tribute-Band, das ist ist das eine. Ein schwierigeres Unterfangen indes ist es, mit U.D.O., also einer eigenständigen Metalband, im 36. Jahr des Bestehens ein neues Album - wenn ich richtg gezählt habe, das 19te - auf dem Markt zu positionieren. Aber unser Dirk (verdammt! Udo) ist ein so abgezockter alter Hase im Musikgeschäft und lässt sich mit seiner jüngeren, hungrigen Mannschaft - verstärkt um den "ACCEPT-Flüchtling" Peter Baltes - nicht die Butter vom Brot nehmen!

Klar hätten es drei bis vier Songs weniger sein können, lieber Chris. Doch muss ich Mahoni an dieser Stelle beipflichten: Warum denn eigentlich, bei der vorliegenden Qualität? Marcel findet zwar ebenfalls, dass das Album in der Albummitte "abflaut", attestiert aber dennoch ein facettenreicheres und spannenderes Songwriting als beim Vorgänger. Und genau das ist mein Punkt: "Touchdown" ist ein kraftstrotzendes, rundes Album, das mich auch mit seinem Mittelteil, sowohl qualitativ als auch auf die Spielzeit bezogen mit den Songs 'Punchline', 'Sad Man's Show', 'The Betrayer' und 'Heros Of Freedom' erfreuen kann. Keine Meisterwerke, aber knorke Metall-Musik, keine Frage!

Der Rest des Albums, darunter für mich vor allem der Opener 'Isolation Man', 'The Double Dealers Club', 'Forever Free', 'Better Start To Run', 'The Battle Understood' und 'Touchown' (Knaller!) gehören, wie Herr Ledl bereits richtigstellte, definitiv ins qualitativ obere Drittel des musikalischen Schaffens von Dirk, äh, Udo mit seiner Solo-Band. Absolutes Glanzstück ist 'Fight For The Right', dessen ACCEPTiges "Türkischer Marsch"-Einsprengsel einfach großartig ist! Danke, Andrey! Daher kann ich einfach nicht anders und haue ebenfalls 8,5 Punkte für "Touchdown" raus!

Note: 8,5/10
[Timo Reiser]

Im Endeffekt geht es mir mit U.D.O. so wie mit dem American Football. Irgendwie springt der Funke bei mir nicht über und außer ein wenig anerkennendem Kopfwackeln passiert auch nichts im Hause Rosenthal. Das ist nun bei "Touchdown" genauso der Fall – das ist 08/15-Metal der sehr sackgängigen Gangart. Addiert man jetzt noch hinzu, dass das Album, wie schon mehrmals erwähnt, locker drei bis vier Tracks zu lang ist, ich mit Udos "Reibeisenstimme" mal so gar nix anfangen kann und auch das Albumcover absolut grottig ist (es pendelt zwischen cringer Metalliebe und seelenloser Grafik-Umsetzung), hab ich kurz und knapp schon alle Punkte aufgezählt, die dafür sorgen sollten, dass hier eine Note zwischen fünf und sechs Punkten aus meiner Perspektive angemessen wäre.

Aber auf den zweiten Blick ist das Album dann doch deutlich besser als erwartet. Zwar beginnt es mit der Corona-Hymne 'Isolation Man' nicht wirklich gut und erinnert mich stark an eine verunglimpfte GRAVE DIGGER-Nummer, aber bereits 'The Flood' zeigt eine Leidenschaft und lyrische Tiefe, die ich dem Album so nicht zugetraut hätte. So muss ich eingestehen, dass ich mit Songs wie 'Punchline', 'Better Start To Run' (hat die Sympathie etwas mit meiner Laufleidenschaft zu tun?) und 'Forever Free' (schöne Singstimme) durchaus mehr Spaß habe als gedacht. Absolutes Highlight ist der Antikriegs-Song 'Fight For The Right', welcher nicht nur als Metal-Hymne mit ACCEPT-Hommage funktioniert, sondern durch die Einbindung des 'Türkischen Marsch' (hat Mozart als Hingabe für das Osmanische Reich komponiert, welches sich auch in militärischen Konflikten mit Russland befunden hatte) bekommt der Song eine wunderbar funktionierende Meta-Ebene, welcher ihn in vielerlei Hinsicht memorabel macht. U.D.O. ist mit Album 297 in meinen Ohren zwar kein "Touchdown" gelungen, aber ein schönes "Field Goal" hat er sich verdient. Kann man wirklich gut hören.

Note: 7,0/10
[Stefan Rosenthal]

Fotocredits: Martin Häusler/Atomic Fire Records

Redakteur:
Thomas Becker

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