Gruppentherapie: UNISONIC - "Light Of Dawn"

27.07.2014 | 11:38

UNISONIC nimmt Fahrt auf und bittet zur Gruppentherapie.

Das deutsche Allstar-Projekt UNISONIC, bestehend aus alten HELLOWEEN- GAMMA RAY- und PINK CREAM 69-Recken (Michael Kiske, Kai Hansen, Dennis Ward, Kosta Zafiriou und Mandy Meyer) schein sich eingegroovt zu haben. Allgemein gab es gute Resonanzen und auch hier wurde das Stockerl im Soundcheck nur knapp verpasst. Grund genug, "Light Of Dawn" mal genauer unter die Lupe zu nehmen. Ein eigenwilliger Bandvergleich entwickelt hierbei eine gewisse Eigendynamik...

Als ich zum UNISONIC-Debüt mein doch recht zwiegespaltenes Review abgefasst hatte, sah ich mich mit der Kritik konfrontiert, wie man denn jemanden, dessen Album des betreffenden Jahres von BURZUM gekommen sei, das Review zu UNISONIC schreiben lassen könne. Dabei bin ich seit 25 Jahren Kiske- und Hansen-Fan und hatte mich riesig auf jenes Album gefreut, das dann leider doch nicht zünden wollte. Mit "Light Of Dawn" sieht das nun zum Glück ein bisschen anders aus. Ohne dem von manchen noch immer ersehnten Keeperismus zu verfallen, haben es die beiden berühmten Protagonisten und ihre prominent besetzte Band nämlich mit diesem Album geschafft, sich vollends vom typischen Melodic-Rock-Kompositionsschema der Marke PC69 zu lösen, das PLACE VENDOME und eben auch das UNISONIC-Debüt prägte. Das neue Album ist eine gute Ecke metallischer geraten, wir bekommen auch mal gedoppelte Gitarrenleads zu hören, die Geschwindigkeit wagt sich hier und da richtig nach vorne, und doch kommt Michi Kiske auch dazu, die von ihm so geliebten sanfteren Töne anzuschlagen, obschon er sich auch immer wieder mal in härtere und höhere Screams vorwagt. Der tolle Opener 'Your Time Has Come' ist ein echtes Paradebeispiel dafür, wie man einschmeichelnde Melodien, metallische Geschwindigkeit und Härte und eine Gediegenheit im Sound perfekt verbinden kann. Auch zahlreiche weitere Songs des Albums sind eingängige, feine Ohrwürmer geworden, ganz gleich ob sie eher dem härteren oder dem softeren Spektrum zuzurechnen sind. Gerade auch in den sanfteren Momenten schlägt die neue Scheibe das Debüt doch deutlich, da man eben nur mehr selten das Gefühl hat, hier ein für Hansen und Kiske designtes Projekt zu hören, sondern eine echte Band, die langsam ihren eigenen Stil findet und dabei die Trademarks zweier großer Protagonisten vereint. Warum gibt es dann nur 7,5 Punkte? Nun, schwer zu sagen. Bisher haben einfach die gemächlicheren Songs noch nicht zur Gänze gezündet, und hier und da rockt mir auch "Light Of Dawn" noch zu beschaulich, wie zum Beispiel bei 'Not Gonna Take Anymore'. Dennoch, ich merke, wie die Scheibe langsam deutlich anzieht und sich im Laufe der kommenden Monate vielleicht noch ein Pünktchen nach oben arbeiten wird. Auf die Live-Shows freue ich mich in jedem Fall schon riesig!

Note: 7,5/10 (Tendenz steigend)
[Rüdiger Stehle]


Wenn ich mich jetzt nach Rüdiger auch als BURZUM- und Kiske-Fan oute, führen wir vermutlich die Schubladenmeierei endgültig ad absurdum. An sich unsinnig, denn "Light Of Dawn" ist ein tolles Schubladenalbum geworden. Keines der Alben, die besser in einer Schublade verschwinden sollten, sondern ein richtig gutes Genrealbum, bei dem man weiß, was auf dem Plattenteller landet. Es mag zum Teil an Michi Kiske liegen, dass mir die zweite UNISONIC besser reinläuft als vor ein paar Monaten noch das andere neue Hansen-Album "Empire Of The Undead". Aber nicht ganz. Denn auch die Instrumentalfraktion bereitet mir seit dem ersten Durchlauf einen Heidenspaß, den ich beinahe nicht erwartet hatte. Die Balance ist hier wie so oft entscheidend: Absolut pfeifbare Melodien stehen zwar immer wieder im Rampenlicht, dominieren aber nicht das ganze Album, das immer noch genug nach Metal klingt. Genug Metal, um Heino davor abzuschrecken, eine deutschsprachige Version von 'Find Shelter' zu verfassen oder mit unserem Schlüsselbewahrer die Bühne teilen zu wollen. In meiner kleinen heilen Musikwelt ist das tatsächlich schon genug Befriedigung, um mit "Light Of Dawn" ziemlich glücklich zu sein.

Note: 8,0/10
[Nils Macher]


Meine Begeisterung, mich mit einem UNISONIC-Album zu beschäftigen hielt sich vor dem ersten Hörkontakt sehr deutlich in Grenzen. Erwartete ich doch rund polierten Euro-Metal mit Jodeleien. Aber: Bereits beim ersten Durchlauf stecken mich die Herren Kiske und Hansen mit ihrem Sonnenschein-Metal und der damit verbundenen gute Laune sofort an. Schon beim dritten Song 'Exceptional' singe ich mit Anlauf bereits den zweiten Chorus lauthals mit. Eingängigkeit kennt keine Grenzen. Kiske singt einfach mal unglaublich gut und solche beinahe klebrigen Melodien muss man auch erstmal kitschfrei hinbekommen. Respekt. Ebenso gelungen und sogar mit noch mehr Schmackes vorgetragen ist das nachfolgende 'For The Kingdom'. Natürlich gibt es im weiteren Verlauf des Album auch Songs, die meine Befürchtungen bestätigen, aber selbst eine Mitklatsch-Nummer, wie es das laue 'Not Gonna Take Anymore' ist, klingt allein aufgrund der sehr guten Gesangsleistung nicht wie ein Totalausfall. Mit 'Manhunter' und 'Throne Of Dawn' hat man dann noch zwei sehr gelungene Uptempo-Nummern auf der Habenseite, die zwar ebenfalls sofort ins Ohr gehen, die sich aber, wie auch schon die oben angeführten Titel, nicht schnell abnutzen. Erstaunlicherweise gelingt dies sogar mit den getragenen Titeln, wie 'Blood' oder der dahin schmelzenden Ballade 'You And I'. Ein sehr frisches Album, das mir zum eigenen Erstaunen sehr gefällt. Daumen hoch!

Note: 7,5/10
[Holger Andrae]

Ich bin kein großartiger Kiske-Fan, dachte aber, wenn die restliche BURZUM-Fraktion das Album gut findet, hör ich's mir doch auch mal an. Und siehe da, die etwas gewagte Logik geht auf! Weniger wegen BURZUM, sondern meinen manchmal auch etwas plüschigen Neigungen. "Light At Dawn" entpuppt sich dann auch als eine Scheibe, der ich das Prädikat "lupenreiner Euro Power Metal" anheften würde: Zu wenig Metal (und Speed) um als "Melodic Speed Metal" bezeichnet werden zu können, zu viel, um nur noch reiner Melodic Rock zu sein. Beides ist keinesfalls zwingend als Defizit zu verstehen. Letzteres wird durch einige gelungene Riffs untermauert, ersteres durch die letztendlich doch große Fixierung auf den Gesang und schöne Melodien. Ob die kitschig sind oder nicht, ist mir relativ egal - jedoch sind einige Songs bei all ihrer Liebe zur Eingängigkeit nur noch redundant komponiert ('Exceptional'). Oben drauf noch ein paar nette Soli und fertig ist eine Gute-Laune-Platte, die bei der nächsten scheuklappenfreien (nicht-)Metal-Party laufen kann. Macht Laune, selbst wenn vieles letztendlich unglaublich banal ist.

Note: 7,0/10
[Christian Schwarzer]

Oha, dies scheint hier wohl das konspirative Forum der redaktionsinternen BURZUManiacs zu sein.  In dieser weltoffenen und liberalen Runde will ich keinesfalls fehlen, zumal ich schon seit langer Zeit zu den Verehrern eines anderen widerborstigen Metal-Abtrünnigen namens Michi Kiske gehöre. Leider sind viele seiner aktuelleren Musiken zu sehr von weniger Mitreißendem durchsetzt, allen voran die letzte PLACE VENDOME (Soundcheckletzter im Oktober 2013). Auch das UNISONIC-Debüt wirkte arg (Varg?) bieder, doch der Auftritt im Amphitheater zu Gelsenkirchen war super und Kiske, come on, allein schon der Name weckt Interesse.
Dass mir diese neue UNISONIC dann auf Anhieb so gut gefällt, hätte ich dennoch nicht gedacht. Wo sich vor allem die deutsche Konkurrenz (z.B. GAMMA RAY, IRON SAVIOR, GRAVE DIGGER) letztens durch Eigensaft-Schmorerei auszeichnet, hört man auf "Light Of Dawn" eine wohlig-schöne Melodic-Rock-Kante mit einem endlich mal wieder top herausgearbeiteten Gesang von uns Michi. Und wenn man im Vorfeld gehört haben sollte, auf der neuen UNISONIC keepere es wieder ein wenig, sage ich: nö. Kein back to the roots, das wäre retro, das wäre doof. Ist aber nicht. Wenn schon, das würde ich sagen, es chameleont vielleicht ein wenig. 'Exceptional' hört sich hier etwas verdächtig an ('Giants'!). Doch keine Angst, es fallen mir nur sehr wenige Selbstklauereien auf. Gar eine richtige Ausnahme-Komposition ist das mit einem Bombenrefrain ausgestattete 'Find Shelter', gerade mein Lieblings-Song. Ansonsten gibt es hier jede Menge starker Ohrkleber-Melodien, ein paar Ausflüge in metallisches Uptempo, aber auch etwas AOR und plüschige Balladen. Gott sei Dank höre ich hier auch ein gewisses Maß an Kiske-Kitsch, auch wenn Holger es nicht gern zugibt. Aber es wäre schlimm, wenn nicht! Ja, ganz ernsthaft, das Album ist wirklich eine Überraschung: Es gibt keinen Ausfall und jede Menge richtig guter Songs und ich komme gerade voll auf den Kiske/HELLOWEEN-Trip. Herrlich!

Note: 8,5/10
[Thomas Becker]

Redakteur:
Thomas Becker
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