Gruppentherapie: METAL CHURCH - "XI"

07.04.2016 | 23:05

Die Kirche und ihr neuer alter Pabst.

METAL CHURCH mit Mike Howe. Das sollte doch bei einigen alten Metallern für feuchte Höschen sorgen. In unserem März-Soundcheck landet die Scheibe allerdings nur auf Platz 14, obgleich ein solider Siebener-Schnitt aber auch auf keinen echten Reinfall hindeutet. Auch unser Chef ist  leicht enttäuscht (zum Review), andererseits haben wir aber auch zwei schreibwütige Therapeuten gefunden, bei denen die kirchliche Begeisterung immer noch rot glüht...

Als der Wiedereinstieg von Gold-Kehlchen Mike Howe bei METAL CHURCH verkündet wurde, war der Jubel in der Metal-Szene groß. Der vorab veröffentlichte Song 'No Tomorrow' ließ die Herzen der METAL CHURCH-Gemeinde dann noch höher schlagen, denn Mike schien nichts von seinem Können eingebüßt zu haben. Leider ist genau dieser Track neben 'Signal Path' und 'Sky Falls In' auch der beste auf "XI". Davor und danach herrscht ziemlich viel Tristesse. Vielleicht hätte eine Komplett-Reunion der Band gut getan, denn vor allem Kirk Arringtons Drumming wird schmerzlich vermisst, auch wenn Jeff Plate sicher kein schlechter Vertreter seiner Zunft ist. Seit dem Weggang von Craig Wells fehlt Kurdt Vanderhoof anscheinend auch der kongeniale Gegenpart an der zweiten Gitarre, vor allem beim Songwriting. Wer also eine nahtlose Fortsetzung der Howe-Trilogie "Hanging In The Balance", "The Human Factor" und insbesondere des Meilensteins "Blessing In Disguise" erwartet, wird enttäuscht sein. Gleichwohl stellt "XI" nach den letzten, bis auf den unmittelbaren Vorgänger "Generation Nothing", doch eher zahnlosen Veröffentlichungen einen Schritt in die richtige Richtung dar. Für mich ist die wahre METAL CHURCH aber leider mit David Wayne (R.I.P. Reverend!) gestorben.

Note: 7,0/10

[Alex Fähnrich]

An sich zähle ich ebenso zur Gattung der WAYNE-Fans, dennoch sollte man die Band nicht ausschließlich an den ohnehin auf Lebzeiten unerreichbaren ersten beiden Scheiben messen. Sieht man davon nämlich ab, liefert die Truppe auf dem aktuellen Dreher zusammen mit ihrem ehemaligen Frontmann eine Comeback-Vorstellung nach Maß!
Darüber hinaus lässt sich festhalten, dass die von Kurdt Vanderhoof angeführte Kirchengemeinschaft auch stilistisch an jene Epoche anknüpft, in der sie mit Howe am Mikro die zumindest business-technisch erfolgreichste Phase durchleben durfte und die wunderbaren, von Metallern weltweit goutierten Hämmer "Blessing In Disguise" und "The Human Factor" ablieferte. Zudem hat Mike nichts von seinem Charisma eingebüßt und auch seine Stimme ist immer noch über jeden Zweifel erhaben, selbst wenn er nicht mehr jene Höhenregionen zu erklimmen versucht wie damals.
Noch besser: Auch bezüglich der Hit-Dichte liefern METAL CHURCH endlich wieder ausnahmslos Erlesenes. Egal, ob man das bereits als Single (und Video) veröffentlichte 'No Tomorrow' ancheckt, sich dem Riff-Gewitter 'Needle & Suture' hingibt oder sich die Rübe vom gnadenlos bretternden Opener 'Reset' abschrauben lässt - auf "XI" reiht sich Hit an Hit!

Note: 9,0/10

[Walter Scheurer]

Mit der Rückkehr von Mike Howe zu METAL CHURCH ist ein lang gehegter feuchter Traum vieler Traditionalisten in Erfüllung gegangen und selbst wenn man einen beliebigen Song auf "XI" nur kurz anspielt, reicht das aus um festzustellen, dass der gut Mike rein gar nichts verlernt hat. Das von Alex bemängelte Qualitätsgefälle zwischen den Stücken kann ich für mich so nicht bestätigen, denn ich fühle mich bei so ziemlich jedem Song von Howes wunderbar intonierten Hooklines zum metallenen Gottesdienst abgeholt, denn die Songs sind schnittig arrangiert und so einige Refrains bleiben nachhaltig im Kopf.
Unabhängig davon, ob man sich jetzt mehr als Wayne-Anhänger oder Howe-Fan am Mikro sieht, ist eigentlich alles so wie man es sich von METAL CHURCH wünscht, wenn man denn auch ohne die "früher war alles besser"-Brille gucken kann. Doch irgendwo muss der Haken versteckt sein. All das traf nämlich auch auf das von mir damals gefeierte Vorgängeralbum "Generation Nothing" zu und diese Scheibe habe ich seit der Dauerrotation bei Erscheinen nicht mehr aufgelegt, weshalb ich befürchte, dass möglicherweise auch "XI" auf lange Sicht keine nachhaltige Wirkung auf mich haben wird und ich in ferner Zukunft an METAL CHURCH-Konzerte mit Mike Howe am Mikro lebhaftere Erinnerungen haben werde als an "XI".
Aber das kann man hier und heute natürlich noch nicht mit Gewissheit sagen. Was hingegen sicher ist, dass ich im Moment an "XI" sehr viel Freude beim Hören habe und dieser Tatsache die unten stehende Notenziffer wohl am ehesten gerecht wird.

Note: 9,0/10
[Arne Boewig]

Mir persönlich sind die METAL CHRUCH-Alben mit Mike Howe, ganz besonders "Blessing In Disguise" und "Hanging In The Balance" heilig. So war die Ankündigung seiner Rückkehr schon ein kleiner Herz-Hüpfer, auch wenn sehr schnell auch Skepsis mit hinzu kam. Denn keines der METAL CHURCH-Alben nach "Hanging In The Balance" habe ich mehr als fünf Mal gehört. Und dies wird sich summa summarum auch jetzt nicht ändern. Ja, Mike Howe ist zurück, er ist auch gut in Form, aber einmal mehr wird klar, dass mir dies allein nicht für Dauerrotation reicht. Damit will ich absolut nicht sagen, dass "XI" ein schlechtes Album ist, ganz im Gegenteil. Die Musik zu hören, macht Spaß. Aber das trifft auf sehr, sehr viele Alben zu. Da sind wird beim Punkt. 1993 war METAL CHRUCH eine Offenbarung, der ultimative Ausdruck meines "Metal-Gefühls", etwas allein und für sich Stehendes. Mein Gefühl bei "XI" ist jedoch: "ja, ned schlecht", mein Vergleich mit anderen Metal-Scheiben lautet: "kann durchaus mithalten", ein paar nette Zitate aus der "Hanging..."-Phase sorgen für Lächeln, doch meine Antwort auf die Frage nach dem besten Songs ist: "Puuh, schwer zu sagen". 'Blow Your Mind' vielleicht. Anerkennung gibt es von meiner Seite durchaus, aber Euphorie geht anders.

Note: 7,5/10
[Thomas Becker]

Die neue METAL CHURCH mit der Rückkehr des dem Stahle längst endgültig verloren geglaubten Mike Howe schürte bei den Fans im Vorfeld teils unbändig hohe Erwartungen, was natürlich - das ist der Medaille Kehrseite - oftmals mit gewissen Enttäuschungen einher geht, wenn dann doch kein moderner Klassiker des traditionellen US Power Metals kommt. Das lässt der Kollege Fähnrich durchaus deutlich anklingen und manch langjähriger Fan sieht dies noch deutlich drastischer, was ich aus deren Perspektive auch verstehen kann. Aus meiner Sicht indes liefert die Band genau das ab, was ich erwartet habe, und das ist ein Album im Stile und in der Qualität der vier Vorgänger, nur eben mit Mike Howe als besonderem Bonus, der dann halt doch noch mehr Emotionen aus dem Hörer heraus kitzeln kann als sein ebenfalls sehr guter Vorgänger Ronny Munroe. Denn Mike singt schicht perfekt, genau so wie ich es mir erhofft habe, und er präsentiert sein absolut unverkennbares Timbre in sehr guter Form. Dabei gießt er seine Stimme auch überwiegend in tolle Hooklines, gerade was Verse und Bridges angeht, die teils echt gigantisch sind. Ein kleiner Wermutstropfen ist jedoch, dass die Hooks der Refrains nur bei gut der Hälfte der Songs perfekt funktionieren und manche Refrains in der Tat ein wenig repetitiv und uninspiriert klingen. Man mag es maidenesk nennen.
Auch in Sachen Songwriting ist vieles, aber längst nicht alles Gold. Gut zwei Drittel der Songs finde ich sehr gut, wobei die klaren Highlights für mich der harte Opener 'Reset', das hymnische 'Signal Path' und das eindringliche 'Needle & Suture' sind, und auch 'No Tomorrow' oder der Euro-Bonustrack 'Fan The Fire' richtig überzeugen. Der Rest der Songs pendelt zwischen gut und solide bis unauffällig. Leider schlägt auch die große instrumentale Finesse früherer Zeiten nur selten durch, so dass Jeff Plates Drumming mit "songdienlich und unauffällig" gut zusammengefasst ist, und auch im Bereich der Riffs und Soli brennt Kurdt Vanderhoof jetzt nicht das Feuerwerk schlechthin ab. Daher kann ich alle verstehen, denen zur großen Euphorie einfach die Herren Wells, Marshall, Erickson und vor allem Arrington fehlen.
Die Produktion drückt zwar ganz gut, wird jedoch durchwachsen aufgenommen. Wo die einen sie als natürlich und rockig empfinden, sprechen andere von einer gewissen Sterilität. Mir persönlich fällt sie weder positiv noch negativ auf, sie hätte für meinen Geschmack aber ein wenig mehr Dreck vertragen. Um das neue Album also wirklich in eine Reihe mit den Howe-Klassikern "Blessing In Disguise", "The Human Factor" und "Hanging In The Balance" stellen zu können, fehlt schon ein bisschen was. Vielmehr passt es aber gut zwischen die genannten Alben und neuere Scheiben wie "Weight Of The World" und "Generation Nothing".
Sähe man das alles jetzt nüchtern und bildete man aus all den wertbildenden Faktoren ein arithmetisches Mittel, dann wären wohl 7,5 Punkte die Note der Wahl. Da wir jedoch keine Mathematiker sind, die Noten ausrechnen, sondern Metalfans, die ihre Noten erfühlen müssen, werfe ich eben noch ein für mich sehr schönes Artwork, überzeugende Lyrics und nochmal diesen tollen, und mir eben besonders wichtigen Gesang Mike Howes, sowie das stimmige Gesamtbild in die Waagschale, und all das führt dann dazu, dass die Scheibe aktuell dauernd bei mir läuft und auch schon teilweise mitgesungen wird. Das sind dann nach unserer Notenskala (knappe) 8,5 Punkte, hinter denen ich voll und ganz stehen kann.

Note: 8,5/10

[Rüdiger Stehle]

Redakteur:
Thomas Becker

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