Gruppentherapie VON HERTZEN BROTHERS - "War Is Over"

25.11.2017 | 21:12

Erstaunlich, dass es für die finnischen VON HERTZEN BROTHERS bisher in Deutschland noch nicht zum großen Durchbruch gereicht hat, denn musikalisch hat das Brüder-Trio ein wahres Gourmet-Büffet zu bieten. Vielleicht liegt es ja am Bandnamen, der hierzulande sicher bei vielen unschöne Erinnerungen an die Wildecker Herzbuben wecken könnte. Musikalisch könnten die Herrschaften allerdings nicht weiter von den Schlagerbarden entfernt sein und erobern so mit ihrem Mix aus Prog, Rock und großen Melodien auch prompt unseren Soundcheck-Thron im November! Doch nicht alle Redakteure in unserer Runde teilen die Begeisterung für die Hertzensbrüder, doch lest selbst.

Wenn unser Chefredakteur eine Band so vehement anpreist wie die VON HERTZEN BROTHERS, dann sollte man eigentlich direkt ein Ohr riskieren. Immerhin sind mir auf Herrn Kubaschks Empfehlung hin schon so großartige Bands wie BIFFY CLYRO oder SOEN ins Netz gegangen, die inzwischen beide zu meinen dauerhaften Favoriten gehören und mit beständiger Regelmäßigkeit in meinem Player rotieren. Dementsprechend hoch sind auch meine Erwartungen beim ersten Hördurchlauf von "War is Over". Und was soll ich sagen, natürlich hat Peter auch hier wieder recht, denn das Gehörte weiß von der ersten Sekunde an zu gefallen. Progressiv, rockig, trotzdem immer mit einer gehörigen Portion Melodie und vor allem mit feinen Hooklines ausgestattet, so gehen die insgesamt zehn Kompositionen trotz höchst abwechslungsreichem Songwriting, das sich großteils nicht um klassische Songstrukturen schert, direkt gut ins Ohr. Gleichzeitig haben die drei Brüder einen wirklich eigenständigen Sound kreiert, bei dem mir zumindestens keine direkten Parallelen zu anderen Bands oder Musikern auffallen. Einzig der kraftvolle Rock der eingangs bereits erwähnten Schotten BIFFY CLYRO scheint ab und an durch, wobei angesichts der gut siebzehnjähirgen Bandgeschichte der Finnen auch darüber gestritten werden darf, wer denn hier wen beeinflusst hat [wahrscheinlich beide sich nicht in irgendeiner Form - PK]. Das tut am Ende aber auch garnichts zur Sache, denn "War Is Over" ist eine vielschichtige und trotzdem eingängige Platte, mit der man als Fans von rockigen und progressiven Klängen jede Menge Spaß haben kann. Abschließend kann ich mir eigentlich nur anhand des komische Assoziationen weckenden Bandnamens erklären, dass das Schaffen der Jungs so lange an mir vorbeigegangen ist, denn musikalisch treffen die drei Brüder eigentlich genau meinen Nerv.

Note: 9.0/10
[Tobias Dahs]

 

Also wenn es nach mir gegangen wäre, dann wären die Von Hertzen-Brüder schon viel früher in den Soundcheck gekommen und zwar bereits mit "Nine Lives" (2013). Dazu kam es aber nicht, auch habe ich meinerseits versäumt, mich weiter mit den Finnen auseinandersetzen - ein großer Fehler! Denn "War Is Over" ist ganz sicher eine der späten Überraschungen des Jahres 2017. Ich würde sogar soweit gehen und sagen, dass der Titeltrack einer der stärksten Rocksongs des Jahres ist, wenn nicht gar der stärkste. Doch damit nicht genug, denn mit 'The Arsonist' ist auch einer der größten Hits des Jahres an Bord. Wie das klingt? Stellt euch vor, BIFFY CLYRO und (frühe) MUSE hätten einen Sohn (bzw. Bruder). Große Refrains, wahnsinnig starkes Songwriting und mit Mikko von Hertzen ein großes Talent am Mikro - Das sind die VON HERTZEN BROTHERS, hört sie euch einfach an. Los!

Note: 8.5/10
[Jakob Ehmke]

 

Ja, die Musik der VON HERTZEN BROTHERS ist interessant, vielschichtig und ästhetisch wertvoll, soweit d'accord. Eigenständigkeit muss man der Band sicher auch attestieren; in einer redaktionsinternen Diskussion habe ich mal den Namen JEAVESTONE in den Ring geworfen, aber die kennt hier vermutlich kein Paarhufer. Die Brüder haben ein Faible für raumgreifende, geradezu cineastische Kompositionen, was gleich beim Opener und Titelsong auch exzellent funktioniert. Allerdings gelingen in meinen Ohren nicht alle Übergänge und Verknüpfungen vollständig. Selbst das kann natürlich gewollt sein, um die Songs emotional aufzuladen. Mir gefällt "War Is Over" immer dann am besten, wenn die Nähe von frühen MUSE (in der Tat, Jakob!), JANE'S ADDICTION und WARRIOR SOUL gesucht wird. Die klassischen Progressive-Rock-Elemente habe ich schon besser eingesetzt gehört. Nicht so richtig warm werde ich mit der Klangfarbe und Phrasierung des Gesangs, wobei ich gar nicht mal die zahlreichen Chorpassagen meine, sondern eher die Solo-Parts von Mikko Von Hertzen. Aber was mich eigentlich verwirrt ist, dass ich dieses Album so heterogen wahrnehme. Da blitzen immer wieder geniale Momente auf, die dann aber seltsam versanden und zerrinnen in meinen Ohren. Bestes Beispiel ist 'Jerusalem' - wenn da mal eine ordnende und straffende Hand drüber gehen würde, der Megahit wäre perfekt. Aber das ist alles Klagen auf sehr hohem Niveau. Ich bin immer dankbar für Musik, mit der man sich wirklich beschäftigen und auseinandersetzen kann, an der man sich vielleicht auch mal reiben kann. Trotzdem werde ich "War is over" nach dieser Gruppentherapie wahrscheinlich so schnell nicht wieder hören. Sorry, Cheffe! [Falls ihr nie wieder von Martin hört, wisst ihr warum. - PK]

Note: 7.0/10
[Martin van der Laan]

 

Ein schwarzes Schäfchen muss ja immer dabei sein. Wobei sich mein geschätzter Kollege Martin zu seinem Glück ja noch auf eine ganz okaye Note einigen konnte. Aber zurück zum Thema, denn während ich diesen Text hier schreibe, schmettert zum wiederholten Male der Titelsong 'War Is Over' aus meinen Lautsprechern. Mit diesem zwölfeinhalbminütigen Magnum Opus hat sich die finnische Bruderschaft ein bemerkenswertes Denkmal gesetzt. Doch nicht nur in diesem ersten Donnerschlag ist eine einzige überlange Genialität, nein, während der gesamten Laufzeit von "War Is Over" reiht sich Großartigkeit an Geniestreich. Egal, ob es mal härter zur Sache geht wie in 'To The End Of The World' oder wunderbar ruhig wie in 'Wanderlust', zu jeder Sekunde schlägt mein Herz im Takt, fühlt meine Seele mit dem gefühlvollen Gesang Mikkos. Den VON HERTZEN BROTHERS ist ein sehr abwechslungsreiches Album voller total unterschiedlicher Höhepunkte gelungen, das im Vergleich zur letzten Großtat "New Day Rising" sogar nochmal einen drauf setzt. Das müsst ihr gehört haben!

Note: 9.5/10
[Marius Lühring]

 

Hmm, ich mag ja den Sound der Hertzensbrüder durchaus, aber wirklich weggeblasen werde ich von der neuen Scheibe bisher nicht. Ich freue mich wirklich aufrichtig für jeden, der hier an der Höchstnote kratzt, aber das ist mir (zumindest nach den ersten Durchläufen) doch noch etwas zu hoch gegriffen. Dabei gefällt mir der Klang gut, ich fühle mich öfters an BIFFY CLYRO erinnert, und ein Händchen für eingängige (aber nicht flache) Ohrwürmer haben die Brüderchen weiterhin. Trotzdem sitze ich noch nicht da, reise die Anlage auf und denke: Das ringt um die Jahrescharts mit. Das muss aber natürlich auch nicht jede Scheibe. Mit "War Is Over" haben die VON HERTZEN BROTHERS ihren Status bei mir verbessert, wahrscheinlich wird das Album bald ins Regal wandern. Für die allerhöchsten Regionen hätte ich aber gerne noch ein bis zwei absolute Übersongs. Dann muss auch ich die Band höher benoten. So bleibt es bei "sehr gut". Denn einige feine Hits sind schon dabei, instrumental haben die Jungs echt was drauf, und das Album ist wunderbar eingesungen.

Note: 8.5/10
[Jonathan Walzer]

Redakteur:
Tobias Dahs

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