Gruppentherapie KAMELOT-"Silverthorn"

21.11.2012 | 21:23

KAMELOT landen mit "Silverthorn" auf Platz zwei des November-Soundchecks. Die Gruppentherapie beleuchtet unter anderem den neuen Sänger Tom Karevik, der in die Fußstapfen von Roy Khan tritt.

 

Nach einem Sängerwechsel ist es immer spannend, ein neues Album einer geliebten Band zu hören. Aber in diesem Fall scheint der Neue genau die gleiche Schuhgöße zu haben wie Roy Khan, der zu meinen Lieblingssängern zählt. Jedenfalls tritt Tom Karevik exakt in die Fußstapfen seines Vorgängers. Das liegt aber auch daran, dass "Silverthorn" kompositorisch nahtlos an die große Phase der Band, nämlich den Dreier aus "Karma", "Epica" und "Black Halo" anschließt. Ja, genau, das neue Album ist besser als die beiden letzten Scheiben mit Khan. Der liebe Herr Youngblood scheint also in der Tat für die meisten, wenn nicht gar alle, Gesangslinien der Band verantwortlich zu sein. Wie anders wäre es zu erklären, dass die Songs sich so typisch nach KAMELOT anhören? Die Operation Sängerwechsel, aus welchen obskuren Gründen diese auch nötig geworden war, ist jedenfalls rundum geglückt. Nach dem Genuss von "Silverthorn" habe ich auch keine Zweifel, dass Karevik Songs aus allen Phasen der Bandhistorie problemlos live darbieten kann. Damit ist mir eine meiner absoluten Lieblingsbands erhalten geblieben. Da fällt mir aber eine ganze Geröllhalde von der Pumpe.

Note: 9.0/10
[Frank Jaeger]









Frank hat Recht. Tom Karevik (Foto links), der bei SEVENTH WONDER einen starken Job abgeliefert und eine sehr eigene Stimmfarbe hat, tritt exakt in die Fußstapfen seines Vorgängers Roy Khan. Für mich persönlich ist dies aber eher eine Enttäsuchung als eine Erleichterung. Ich finde es nämlich ausgesprochen schade, dass Tom hier in erster Linie Roy Khan imitiert und dem Material nicht seinen Stempel aufdrücken kann. Ein Sängerwechsel ist doch für eine Band auch immer die Chance, Modifikationen in ihren Sound einzubauen und sich zu entwickeln. Darauf hat Herr Youngblood aber offensichtlich verzichtet und stattdessen auf das zuletzt so erfolgreiche Konzept gesetzt. Und so ist "Silverthorn" genau die Platte, die man nach "Poetry For The Poisoned" erwarten durfte. Das dürfte beinharten Fans wie Frank mehr als genug sein, wer allerdings zumindest eine kleine Zäsur mit dem Sängerwechsel erwartet hatte, wird von einem in jeder Hinsicht routiniertem Werk vielleicht etwas enttäuscht sein.

Note: 7.5/10

[Peter Kubaschk]


Ach, hier hat ein Sängerwechsel stattgefunden? Wäre ich von meinen Kollegen nicht darauf gestoßen worden, ich hätte es auch nach zehn weiteren Durchläufen vermutlich nicht bemerkt. Zwar ist "The Black Halo" die einzige KAMELOT-Platte, die sich in meinem Regal wiederfindet (und nein, das hat nichts mit Unordnung zu tun!), aber die finde ich doch ziemlich gut. Und so bin ich doch erstaunt, dass ich nun derjenige bin, der in dieser Gruppentherapie die niedrigste Note für "Silverthorn" zieht. Doch irgendwie höre ich nicht das, was meine Kollegen an der Platte gut bis genial finden. Es gibt tolle Gesangslinien ('My Confession') und kitschig-balladeskes ('Song For Jolee') zuhauf, allerdings oft in einer Form, die ich überhaupt nicht zwingend finde. Die besten Momente haben KAMELOT aus meiner Sicht immer dann, wenn der weibliche Gesang dazu kommt (dann wird es wenigstens richtig kitschig!) oder aber mal wirkliches Metal-Feeling aufblitzt (die Soli in 'Torn' und 'Solitaire'). Für Letzteres ist man bei einer Band wie KAMELOT natürlich nicht an der richtigen Adresse, aber das führt mir nur noch einmal vor Augen, wie wenig mich der Rest überzeugen kann. Insgesamt ist die Leistung natürlich immer noch in allen Bereichen solide, aber ich habe da einfach wesentlich mehr erwartet. Und da kann die Dame auf dem Artwork noch so viel Wasser zu Eis verwandeln, "Silverthorn" plätschert mir teilweise doch zu sehr.

Note: 6.5/10
[Oliver Paßgang]



KAMELOT sind bisher immer relativ unbemerkt an mir vorbei geschlichen. Das hat sich mit "Silverthorn" zwangsweise geändert, und das durchaus zum Guten. Denn schlecht finde ich die Scheibe nicht, aber das war es auch schon an klaren Ansagen. Denn dieses Werk ist für mich ein typisches 7,5-Punkte-Album einer Stilrichtung, die ich an sich gerne mag. Es hat wirklich sehr tolle Momente, zum Beispiel die Mitsinghymnen á la 'Sacrimony' oder opulente Brecher wie 'Veritas'. Doch nicht alles im Sound von KAMELOT kann mich auf Anhieb begeistern. Die Diskrepanz zwischen atemberaubenden, genialen Passagen und umspektakulären, vor sich hin dudelnden Teilen ist mir einfach zu groß, um wirklich zu fesseln. Das ist schade, denn ich wollte "Silverthorn" sogar mögen. Das lässt sich aber nicht erzwingen, und nach Notenabgabe verspürte ich nicht den Drang, das Teil noch einmal komplett hören zu wollen. Nichtsdestotrotz haben sich KAMELOT den Platz auf dem Treppchen verdient, wenn meine "7,5" die schlechteste Note im Soundcheck ist.

Note: 7.5/10
[Nils Macher]





Ich habe keine Chance, enttäuscht zu sein ob fehlender Stilmodifikationen, da "Silverthorn" für mich Erstkontakt mit KAMELOT ist. Ich hatte die Band nämlich fälschlicherweise unter dem Etikett "durchschnittlicher melodischer Hardrock" abgetan, was sich als massive Fehleinschätzung erweist. Erste Hinweise darauf, daß KAMELOT genau meine Musik sein könnten, ergaben sich im Gespräch mit Luca Turilli (LT's RHAPSODY), der von KAMELOT  schwärmt, weil sie ähnlich cineastisch agieren sollen, wie Lucas Combo und oberdrein hochwertige, opulenter Videoproduktionen auffahren. Und siehe da, nach dem bombastischen Intro 'Manus Dei' ganz im Turilli'schen Kompositions-Stil bin ich spätestens bei 'Sacrimony (Angel of Afterlife)' Feuer und Flamme für die Band. Manche mögen dies nicht Power Metal nennen, aber es ist kraftvoller, dynamischer Metal mit bollerndem Schlagzeug, bombstischem Refrain, klasse Instrumetalsoli inclusive Synthie/Klampfen-Duelle, dazu ein überragender Sänger. Es reiht sich Highlight an Highlight bis die Ballade 'Song for Jolee' mit herrlichem Kitsch die Gänsepellen-Hormone anregt. In der Folge pendeln KAMELOT immer wieder geschickt zwischen Power und Plüsch, Musik in die man sich reinfallen lassen und sehnsüchtig schwelgen kann, Musik für Kerzenschein, Schneefall und wärmendes Kaminfeuer. Nerv voll getroffen und Lust auf den Backkatalog angeregt.

Note: 9.5/10
[Thomas Becker]

Redakteur:
Thomas Becker

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