Gruppentherapie IMMORTAL - "War Against All"

26.05.2023 | 09:57

Soundchecksieger IMMORTAL: Haben wir nicht genug von Kälte und Krieg?

Dass Kollege Stehle ein neues IMMORTAL-Album toll finden würde, ist ja eh klar (zum Review). Dass ein solches Soundchecksieger im Mai wird, ist dann schon eher überraschend. Und ob nun auch alle zahlreich vertretenen Gruppentherapeuten dem positiven Konsensus beitreten, das lest ihr hier!

Album Nummer zehn ist es also, das mir den Mai so herrlich verdunkelt. Nach dem Zerwürfnis mit Horgh ist Demonaz also allein auf weiter IMMORTAL-Flur, erledigt seine Arbeiten mit Hilfe vom GHAALS WYRD-Drummer und Ice Dale von ENSLAVED aber mit Bravour. Natürlich vermisse ich aktuell wie auch schon auf "Northern Chaos Gods" dieses Besondere von Abbath, doch dafür, dass ich dem Namen IMMORTAL nicht mehr allzu viel zugetraut habe, ballert "War Against All" gut drauf los. Die Klasse von "Battles Of The North" erreichen die neuen Songs zwar nicht, aber das Brachiale, Unverwüstliche, dieses klirrend Kalte, diese hasserfüllte Herangehensweise gepaart mit einer an Unterkühlung verstorbenen Atmosphäre ist aktuell das Salz in der IMMORTAL-Suppe, die "War Against All" so gut munden lässt. Das Album ist knüppelhart, hat mit der 'Immortal'-Bandhymne, dem hymnischen 'Blashyrkh My Throne'-Abschluss sowie den 'Thunders Of Darkness'- und 'No Sun'-Rundumschlägen auch sehr beachtliches Material und hält über die Distanz von knapp 38 Minuten auch ein angenehm hohes Niveau. Hier und da hätte dem Achter ein Hauch mehr Entscheidungsfreude gut getan, ab und an vermisse ich bei all der majestätischen Verwüstung das Besondere, das die Band einst ausstrahlte, doch im Großen und Ganzen ist "War Against All" eine in sich stimmige, intensive Sache, die gefällt.

Note: 8,0/10
[Marcel Rapp]

Als die allererste Ankündigung über ein neues IMMORTAL-Album kam, war ich natürlich direkt gespannt, was mich dann in ein paar Monaten erwarten würde. Als mit dem Titeltrack dann die erste Single ausgekoppelt wurde und einige Wochen darauf auch 'Wargod' veröffentlicht wurde, war ich mir sicher, dass die "Band" nicht allzu sehr von der Stilrichtung der letzten Alben abgewichen ist. Letztendlich ist "War Against All" ein ziemlich typischer Langspieler der Norweger geworden, der sich in eine Riege mit "All Shall Fall" und "Northern Chaos Gods" einreiht. Dabei ist von der ursprünglichen Besetzung nur noch Demonaz übrig geblieben, der bereits seit dem letzten Album allein für die Gitarren und das Songwriting verantwortlich ist, während bei den vier Alben davor insoweit vor allem Abbath diese Rollen übernahm, und beim Songwriting zeitweise auch von Horgh unterstützt wurde. Trotzdem bietet das Material viele IMMORTAL-Trademarks, die einem die Norweger über all die Jahre so lieb und teuer gemacht haben.

Geknüppel der alten Tage findet sich im Titeltrack, 'Thunders Of Darkness' und 'Immortal', während 'No Sun' sich durch epische Momente und typische Schneesturm-Riffs als Highlight auszeichnet. Die obligatorische Blashyrkh-Huldigung kommt dann auch im Rausschmeißer 'Blashyrkh My Throne' nicht zu kurz, wobei auch 'Wargod' als astreiner Stampfer durchgeht. Sodann gelangt man zu 'Nordlandihr', dem wahrscheinlich polarisierendsten Track auf der Scheibe. Wie auch auf den letzten beiden Alben, auf denen ein oder zwei lange und epische Tracks vertreten waren. Gerade genannter Song ist hier mit einer Spielzeit von 7:12 Minuten der längste - für IMMORTAL-Verhältnisse nichts Ungewöhnliches. Das Polarisierungspotenzial erwächst dann aber aus der Tatsache, dass es sich hierbei um ein Instrumental handelt. Zunächst konnte ich mich mit dieser Konzeption nicht so richtig anfreunden, aber von Spin zu Spin hat sich dieser Song dann als weiteres absolutes Highlight hervorgetan, der auch ohne Demonaz' Stimme ganz gut auskommt. Jedoch habe ich die ganze Zeit den Gedanken im Hinterkopf, wie 'Nordlandihr' wohl mit Abbath am Mikrofon klingen würde. Perfekt wahrscheinlich!

So bleibt mir als Fanboy nur zu sagen, dass IMMORTAL es mal wieder geschafft hat, mich komplett zu überzeugen, mich mitzureißen und auch im aufkeimenden Frühling im Schneesturm seiend mich zu wähnen.

Note: 9,5/10
[Kenneth Thiessen]

Dass es prinzipiell auch ohne Abbath geht, hatte ja "Northern Chaos Gods" bereits gezeigt. Trotzdem hatte ich ein bisschen Sorge, dass der komplette Alleingang von Demonaz den großen alten Namen IMMORTAL nun doch beschädigen könnte. Aber das Gegenteil ist der Fall. Vielmehr besinnt sich Herr Nævdal auf "War Against All" voll und ganz auf den musikalischen Wesenskern seiner Band und verpackt diesen in ein gar nicht sooo kaltes und hasserfülltes, stimmiges Klangbild, das auch Gelegenheits-Black-Metal-Hörer nicht verschrecken wird. Es fühlt sich für mich wie ein reifes, erwachsenes Best-of-IMMORTAL-Album mit ausschließlich neuen Songs an. Sogar gelegentliche Grüße in Richtung SATYRICON und DISSECTION sind mit eingeflossen. Und das ist auch gut so; für einen experimentellen Ego-Trip von Demonaz wäre das nicht der richtige Zeitpunkt gewesen. Dann lieber edle Melodic-Black-Metal-Songs aus dem Lehrbuch wie 'No Sun' oder 'Immortal' (nomen est omen). In der Hoffnung das hier zitieren zu dürfen: Meister Stehle hat in unseren internen Diskussionen IMMORTAL neulich als Band sui generis, also als jenseits von allen Schubladen und Schablonen eine eigene Kategorie bildend, bezeichnet. Den Wahrheitsgehalt dieser Aussage bezeugt jeder Ton von "War Against All", das nicht nur zum Schwarzwurzel-Standard avancieren, sondern als kanonisches Metal-Album im weiteren Sinne in die Jahrescharts Einzug halten wird. Tolle Platte!

Note: 8,5/10
[Martin van der Laan]

Puh, da lese ich den Artikel von Martin und denk mir: "Kanonisch" ist für mich ein unglaublich hohes Wort. Ja, die letzten IMMORTAL-Alben waren stark, aber ihr letztes unumstritten kanonisches Album war doch "Sons Of Northern Darkness". Und das bleibt mit "War Against All" auch so. Das Album macht Spaß, ist gut gemacht, mir an manchen Stellen aber etwas zu kantenfrei. Da fand ich "Northern Chaos Gods" und "All Shall Fall" irgendwie böser und grimmiger. Das liegt nicht am Gesang - Demonaz ist klasse. Es ist eher eine Frage der Produktion, des Klangbilds - da wäre ein bisschen Schielen zu MAYHEM besser gewesen als zu neueren SATYRICON-Werken. Dass das Album am Schluss in einigen Jahrescharts landen wird (vielleicht auch in meinen, das wird sich noch zeigen), das kann ich mir schon gut vorstellen. Hier gibt es gute metallische Hausmannskost. Aber Kanonizität oder Fast-10-Punkte (Hallo Kenneth!), die höre ich hier wirklich nicht.

Note: 8,0/10
[Jonathan Walzer]

Man könnte ja meinen, dass unsere Redaktion geschlossen keinen Bock auf den sich endlich durchringenden Frühling hat. Zweimal rabenschwarze Genrekunst auf den ersten beiden Plätzen in Soundcheck Mai. Ich weiß nicht, wie es meinen Kollegen geht, aber normalerweise dudelt jetzt irgendeine BEACH BOYS-Playlist bei mir im Auto.

Naja, 2023 ist irgendwie anders, denn auch ich bin von diesen beiden Frostkeulen sehr angetan. Während mich bei THULCANDRA erneut die Gesamtatmosphäre fasziniert, sind es bei "War Against All" die einzelnen Tracks. Während man bei dem brachialen Groove-Monster 'Return To Cold' noch ängstlich das Verdeck schließt, dürfte sich bei 'No Sun' das lange angesparte Cabrio dann doch bei Autoscout24 wiederfinden. Fiese Norweger. Das Husarenstück des Albums 'Nordlandihr' ist dann einfach nur zum Zunge schnalzen und zumindest ich stehe wieder mit Winterjacke draußen. Jetzt kann es auch anfangen zu schneien – mit solch einem Soundtrack hat man tatsächlich wieder Bock auf einen zerstörerischen Blizzard im Vorgarten. Meine Frau hat sich sicherlich was anderes vorgestellt, als ich Eis mitbringen sollte, aber jetzt ist es nun mal die neue IMMORTAL. Vielleicht lässt sie sich ja auch drauf ein...

Note: 8,0/10
[Stefan Rosenthal]

Es kristallisiert sich ja nun schon heraus, dass wir dieses Album alle irgendwie mögen, die Unterschiede stecken im Detail. Dann muss es wohl einfach gut sein. Mit den alten Glanztaten kann es nicht nur aus psychologischen Gründen nicht mithalten, messen wir es also auch nicht daran, sondern verorten es - wie Jhonny ja schon versucht hat - zwischen den letzten, den "neueren" Veröffentlichungen. "Versucht", weil es natürlich nur eine richtige Reihenfolge gibt: 1."All Shall Fall", 2."War Against All", 3."Northern Chaos Gods". Überhaupt fühle ich mich trotz der gegenteiligen Umstände deutlich stärker an den melodischeren Vor-Vorgänger erinnert, als an das unselig langweilige, schlecht produzierte (hihi) 2018er-Album. "Kanonisch" würde ich durch "typisch" ersetzen, und das ist durchaus als Kompliment gemeint. Ansonsten habt ihr ja alle Recht; klar fühlt man SATYRICON, Demonaz klingt super und auch das Instrumental ist gelungen. Ich fühle mich jedenfalls über die gesamte Spielzeit bestens unterhalten, jedes Stück ist trotz aller IMMORTAL-Trademarks doch unterscheidbar und das ist (nicht nur) in diesem Genre nicht selbstverständlich.

Note: 9,0/10
[Jakob Schnapp]

Zugegeben, auch ich war sehr skeptisch, als ich vernahm, dass nach Frontkrähe Abbath vor fünf Jahren nun auch noch Schlagwerker Horgh nicht mehr Mitglied von IMMORTAL ist, was mit dem neuen Album auf uns zukommt. Zudem konnte mich das letzte Album "Northern Chaos Gods" (2018) nur zeitweise euphorisieren. Anno 2023 schafft IMMORTAL es aber tatsächlich bei mir einen Hype auszulösen, wie ich ihn zuletzt bei "Sons Of Northern Darkness" hatte - und das soll was heißen, schließlich gehört das Album von 2002 zu meinen All-Time-Favorites. Es ist vor allem das Gitarrenspiel, die klirrenden Riffs, die unverkennbar bandtypisch sind, aber auch der packende Groove, den das Album innehat, die Dynamik und Spielfreude, die mich mit Songs wie 'No Sun', 'Return To Cold' oder 'Immortal' begeistern. Das Instrumental 'Nordlandihr' ist ein absolutes Highlight. Demonaz' Vocals sind zwar etwas eintönig (das waren Abbaths aber auch) und der Drum-Sound hätte teils etwas mehr Substanz brauchen können, aber die Songs sind so stark, dass das nicht schwer ins Gewicht fällt. Für mich das beste IMMORTAL-Album seit 20 Jahren!

Note: 8,5/10
[Jakob Ehmke]

Nun, ich bin ja wie manch anderer in der Redaktion eher Gelegenheits-Black-Metaller und in letzter Zeit doch recht wenig mit dem Stil verbandelt. So fühle ich mich bei dem rasenden Opener 'War Against All' regelrecht attackiert, als wäre ein Schwarm hungriger Piranhas hinter mir her. Danach wird es dann aber schon gemäßigter, geordneter, vertrauter. Kanonisch wird hier diskutiert, aber das empfinde ich nach mehreren Spins nicht so. IMMORTAL war aber eh nie so meine Black-Metal-Band, das war mir meist zu viel hau ruck und so geht mir auch hier wieder nach ein paar dieser Schlachthymnen die Puste aus, irgendwann klingt dann alles recht ähnlich. Ich hätte jetzt auch nicht heraus gehört, dass da Ice Dale die Klampfen schwingt. Er ist bei AUDREY HORNE einer meiner Lieblingsgitarristen, aber hier darf er so gut wie gar nicht solieren und das Riffing klingt jetzt auch nicht allzu fordernd für den guten Mann. Alles in allem höre ich hier also nicht viel mehr als ein gutes Genrewerk, verstehe, warum es breiten Anklang findet, kann mir aber nur schwer vorstellen, dass es keine besseren Scheiben im Soundcheck gab.

Note: 7,0/10
[Thomas Becker]

Fotocredit: Leander Djønne/Nuclear Blast

Redakteur:
Thomas Becker

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