Gruppentherapie DIABLO SWING ORCHESTRA-"Pandora's Piñata"

22.05.2012 | 21:43

DIABLO SWING ORCHESTRA! Welch klangvoller Name. Und er steht mit "Pandora's Piñata" oben bei uns im Mai-Soundcheck. Seid ihr auch neugierig auf eine Band, die schon seit dem Mittelalter existiert, da aber von der Kirche verboten wurde und jetzt wieder auferstanden ist? Dann lest, was die Musik so in den Gehirnen der powermetallischen Gruppentherapeuten anstellt.

Eines muss man dieser Combo bereits nach dem ersten Rundlauf positiv anrechnen: Auf "Pandora’s Piñata" ist für wahrlich jeden Geschmack etwas dabei. Man hört ein buntes Potpourri verschiedenster Eindrücke, die imaginären Scheuklappen wurden vollständig ad acta gelegt, sodass auch tunlichst keine Eintönigkeit und Langeweile aufkommt. Es swingt von vorne bis hinten, die Laune wird partout aufrechterhalten, solch eine Veröffentlichung gibt es wahrlich nicht alle Tage. Mal wird es progressiver ('Kevlar Sweethearts'), mal direkter, schnörkelloser ('Of Cali Ma Kalibre'), mal erwischen DIABLO SWING ORCHESTRA schon orientalische Klänge ('Mass Rapture'). Für meinen Geschmack sind das zu viele Eindrücke, zu viele Klangerlebnisse, bei denen es äußerst mühsam und zeitaufwendig ist, sie unter einen Zauberhut zu packen. Gut Ding will bekanntlich Weile haben und vielleicht hätte man auch das eine oder andere Pünktchen noch rausholen können, wenn man ein wenig mehr Wert auf Eingängigkeit gelegt hätte. Doch subjektive Eindrücke spiegeln bekanntlich nicht die der Mehrheit wieder, sodass ich mich neidlos dem Großteil unserer geliebten Redaktion (einmal mehr) beugen und anerkennen muss, dass DIABLO SWING ORCHESTRA ein besonderes, einzigartiges, für mich jedoch zu komplexes, zu aufreibendes, zu undurchdringbares Werk auf die Beine gestellt haben.


Note: 7,0/10
[Marcel Rapp]

 

cover

 

Können sie es nochmal? Das ist die Frage, die sich für den Kenner der Band stellt. Die Originalität, mit der die Schweden dem landläufigen Begriff Rockmusik Beine machen, läuft sich sicher irgendwann tot. Aber weit gefehlt, ich muss "Pandora's Piñata" sogar attestieren, dass es gegenüber dem Vorgänger teilweise noch abgedrehter klingt, verwirrender und grenzüberschreitender. Gleichzeitig aber dürfen die metallischen Momente viel stärker durchschimmern, ja, ein 'Exit Stragies Of A Wrecking Ball' kann ich mir auf "No. 2 - Sing Along Songs For The Damned & Delirious" kaum vorstellen. So geht man einerseits zurück zum Rock und andererseits noch weiter ins musikalische Terra Incognita. Dieses Album muss man hören, es ist nicht leicht zu beschreiben, aber es ist klasse. Die intellektuelle Version von Spaß. Jetzt mit mehr Metal.


Note: 9,0/10
[Frank Jaeger]

 

Band Photo

 

Was macht das DIABLO SWING ORCHESTRA besser als (fast) alle anderen abgedrehten Spaß-Kapellen? "Pandora's Piñata" macht die Antwort auf diese Frage im Grunde einfach. Hier wird der Spaß nämlich nie wirklich albern; die humoristische Seite verkommt nie zum Selbstzweck. Was ist dann des Pudels Kern? Erstens rockt diese Formation ganz mächtig und heftig. Zweitens zeigen die Damen und Herren wirklich ein tieferes Verständnis von all den verschiedenen Elementen, derer sie sich bedienen. Swing, Salsa, Soul, Metal, Chanson - egal, es kommt alles völlig authentisch und selbstverständlich rüber. Man höre sich nur mal den gigantischen Überhit 'Guerilla Laments' an und wundere sich, warum man je daran gezweifelt haben möge, dass Blechbläser sowas von Rock'n'Roll sind. Drittens hat das DIABLO SWING ORCHESTRA mit Annlouice Loegdlund eine großartige, überaus charismatische Sängerin am Mikrofon. Aber auch was auf "Pandora's Piñata" im Schlagzeug/Percussion-Bereich passiert, ist aller Ehren wert. Von dieser Band möchte ich gerne mal ein Album haben, auf dem sie mit Künstlern verschiedenster Stile gemeinsam Songs aufnimmt - von der Amsterdam Klezmer Band bis VOLBEAT. Warum ich nicht höher werte bei all dieser Lobdudelei? Ab und zu verirrt sich diese Band eben immer noch in ihren eigenen Experimenten. Dann geht für einige Momente der rote Faden verloren und der gnadenlose Hit-Faktor natürlich gleich mit. Dennoch ist "Pandora's Piñata" ein wahres Kleinod für die Freunde der scheuklappenlosen, feingeistigen Unterhaltungsmusik.

Note: 8,0/10
[Martin van der Laan]

 

Metal kombiniert mit Swing und einer bisweilen operettenhaft agierenden Sängerin; alles wie gehabt also? Nicht ganz. Zum einen hat das DIABLO SWING ORCHESTRA auf "Pandora's Piñata" einige Mariachi/TexMex-Elemente miteinfließen lassen, zum anderen klingen die neuen Kompositionen noch flüssiger als weiland auf dem Debutalbum "The Butcher's Ballroom". Soviel zum ersten oberflächlichen Pauschaleindruck. Im Einzeldurchgang offenbaren sich die rhythmisch interessant und quirlig durchlatinisierten 'Guerilla Laments' als eingängiger Ohrwurm, 'Black Box Messiah' als skaifizierte sowie mit Bleeps und technologisch überdrehter Piepsstimme an J-Rock orientierte Angelegenheit, 'Exit Strategy Of A Wrecking Ball' als MUSE-affin, 'Aurora' als nahezu lupenreines Klassik-Stück mit äußerst kunstvoll eingewobener Folklore, 'Mass Rapture' als orientalisch inspiriertes heavy Psychedelikum, 'Of Kali Ma Calibre' als das von dieser Band fast schon erwartbare operettenhafte Bombastepos mit Thrash-Untertönen, welches hier aber eben gerade nicht die Linie für das gesamte Album vorgibt; und 'Justice For Saint Mary' lässt es zum Abschluss balladesk angehen, bis das Stück im Finale schließlich IDM-mäßig elektronisch zerlegt wird. Das alles ist wohlüberlegtes Songwriting. Auch die übrigen Stücke können sich hören lassen. Manch einer mag den Überraschungsmoment und die wilden Hakenschläge vermissen, welche das noch frische Frühwerk mit sich brachte, doch "Pandora's Piñata" klingt dafür ausgereifter.

Note: 8,0/10
[Eike Schmitz]

 

Band Photo 2

Für mich stellt "Pandora's Pinata" den Erstkontakt mit dieser überaus interessanten Band dar. Und was in diesen nicht ganz 54 Minuten passiert, das ist spannender (wenngleich nicht unbedingt besser) als der Großteil dessen, was derzeit aus dem Metal-Bereich veröffentlicht wird. Das Klingbild ist einfach atemberaubend frisch. Wer hätte gedacht, dass traditionell gespielte Trompeten so gut zu nach vorne gehendem Metall passen können? Und auch ansonsten sind es die vielen Kleinigkeiten, die im Standard-Sound nicht immanent vorhanden sind, die das DIABLO SWING ORCHESTRA zu etwas ganz besonderem machen. Der Gesang ist auch schön verrückt und abgedreht, teilweise opernhaft, was sich aber nur zu treffend zum Rest gesellt. Und die von Martin bereits positiv herausgestellte Rhythmusarbeit ist wirklich rundum klasse. Das Tolle ist jedoch vor allem, dass die Musik nicht nur meine Klangsinne anregt, sondern genau so mein Zentrum der guten Laune erreicht. Die Lockerheit des Swings ist hier zu jeder Sekunde präsent und wird gekonnt mit der gute Laune bei einem Mittagsbierchens auf einem Metalfestival kombiniert. Ich kann jedoch gut vorstehen, wenn das vielen zu anstrengend ist, denn es passiert zu jeder Zeit einfach unglaublich viel. Beispielsweise hat der Chor in 'Black Box Messiah' im Refrain schon einen relativ hohen Nervfaktor, auch ist Operngesang sicher nicht jedermanns Sache. Doch ich finde das insgesamt alles ganz famos und bin begeistert, wie sehr sich diese aufs erste Hören wilde Mischung zu einem wunderbar homogenen Ganzen zusammenfügt und zu keiner Sekunde gezwungen wirkt. Tolles Album!

Note: 8,5/10
[Oliver Paßgang]

 

Ich seh schon, obwohl es nicht so einfach ist, die Musik von DIABLO SWING ORCHESTRA in Worte zu fassen, haben meine Kollegen hier fast alles gesagt. Bis auf den Fakt, daß die Musik nicht nur Spaß macht, sondern auch sehr fantasieanregend ist. Beim Hören sind schon coolste Bilder in meinem Kopf entstanden. Lassen wir es nochmal auf einen Duchlauf ankommen:
"Pandoras Piñata" ist wie eine exotische Cocktailbar, die sich möglicherweise nicht einmal auf unserem Planeten befindet. Der Gast kann hier wahrlich Abenteuer erleben: Der erste Drink namens 'Voodoo Mon Amour' gibt schon die Geschmacksrichtung vor: betörende und erotisierende Mixturen mit jeder Menge exotischen Früchten aber auch immer einem Schuß pfeffriger Schärfe und bisweilen halluzinogener Wirkung. Bei 'Guerilla Laments' tanzen Dschungelamazonen zusammen mit muskelbepackten Tarzanen einen schwungvollen Lambada, bei 'Kevlar Sweethearts' legen sich die Exotinnen züngelnde Giftschlagen (Blick aufs Cover!) um den Hals und schwingen langsam ihre Arme um die schüchternen Jünglinge. Die jedoch machen sich aus dem Staub, denn eine Ameisenkriegerarmee trägt einen schwarzen Kasten ins Bild. Unvermittelt sprigt dort der 'Black Box Messiah' raus, ein Wesen, das an eine Mischung aus Kermit dem Frosch und 'dem Tier' aus der Muppets-Show erinnert. Der Messiah vollführt einen wilden Tanz, er headbangt fast und die Ameisenarmee singt mit ihren hochgepitchten Stimmen einen Chor dazu. Aber es passiert noch mehr. Bei "Exit Strategy For A Wrecking Ball' wird der Gast von der MUSE geküsst, 'Aurora' ist stimmungsvolle Morgenröte in Form einer Mischung aus Operette und Musical und am Ende begegnet man sogar der heiligen Marie ('Justice for Saint Marie'). Und glaubt mir, so wie hier habt ihr sie wohl noch nie wahrgenommen.
Eine Note? Hmm, die 7 ist irgendwie zu eckig, die 8 dann aber doch zu rund und geschwungen. Die zweiziffrige 10 ist zu gestelzt, so bleibt nur die 9. Ja, die macht sich gut zu "Pandoras Piñata"!

Note: 9,0/10
[Thomas Becker]

 

 

 

Redakteur:
Thomas Becker

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