GOTHMINISTER: Interview mit Bjørn

03.11.2006 | 04:41

Es ist schon eine Weile her, seitdem die Norweger von GOTHMINISTER ihr letztes Album auf den Markt brachten. Wie sieht es denn zur Zeit im Kabinett aus? Bjørn, der Minister persönlich, gewährte eine Audienz und beantwortete bereitwillig einige Fragen, während er das Make-up für die bevorstehende Show anlegte.

Ricarda:
Wann hattest du die erste Idee, GOTHMINISTER ins Leben zu rufen?

Bjørn:
Ich weiß es gar nicht mehr so genau, denn die Idee hatte ich schon sehr lange. Als ich ein kleines Kind war, war ich ein totaler Fan von der Batman-Comic-Serie (lacht). Es war so schön dunkel und gothic. Ich bin quasi bei meinen Großeltern aufgewachsen, sie hatten den SkyChannel, wo Batman lief. Aber die Idee zu GOTHMINISTER kam, als ich mit einem Freund in einen Goth-Club in Oslo ging. Wir fanden es da ein wenig lustig, weil alle so verdammt ernst waren. Und wir haben einen Witz gemacht und zueinander gesagt: "Was wäre, wenn diese Szene wirklich einen Minister hätte." (lacht) So war also schon mal der Name geboren, es war nur ein Witz am Anfang. Dann habe ich unserem Keyboard-Player kennengelernt, ihm gehört der Club und er hat auch ein kleines Label. Er sollte mir eigentlich Tipps geben, wie ich Labels in Deutschland kontaktieren kann, aber im Endeffekt hat ihm das Demo selbst so gut gefallen, dass er es selbst veröffentlichen wollte. Er hat dann die erste EP veröffentlicht und auf der norwegischen Popkomm verbreitet. Dadurch haben wir dann ein größeres Label bekommen, und er ist in die Band eingestiegen. Also waren wir schon zu zweit. Zuvor war ich nämlich alleine. Es war eine One-Man-Show, nur Video und eben Performance. Dann kam irgendwann unser Gitarrist hinzu. Mit ihm hatte ich zehn Jahre zuvor in einer Industrial-Metal-Band gespielt. Und ja, jetzt sind wir mittlerweile fünf Mitglieder.

Ricarda:
Und wann hat deine persönliche musikalische Karriere angefangen?

Bjørn:
Ich glaube, ich war 14 oder so.

Ricarda:
Hattest du Gesangsunterricht?

Bjørn:
Nein, deswegen werde ich während der Show auch total müde (lacht). Meine Atmungstechnik ist glaube ich nicht so gut, also sollte ich vielleicht lernen, wie man besser atmet.

Ricarda:
Welche Bands haben dich inspiriert? Von der Musik und vom Aussehen...

Bjørn:
Das erste Konzert, das ich je besuchte, war MANOWAR (lacht). Ich habe viel Death und Thrash Metal gehört, zumindest am Anfang. Ich denke, ich kann nicht verleugnen, dass mich Bands wie ROB ZOMBIE, MARILYN MANSON und ALICE COOPER inspiriert haben.

Ricarda:
ALICE COOPER ist so toll!

Bjørn:
Ja, er ist großartig. Je mehr ich irgendwelche Bands höre, desto mehr bevorzuge ich ALICE COOPER (lacht). Er hat etwas, das die anderen nicht haben. Ich mag besonders das "Welcome To My Nightmare"-Album, es ist so gut.

Ricarda:
Wer hat die ganzen Outfits und das Image entworfen?

Bjørn:
Ich quasi. Aber dann ist unsere Fotigrafin in die Band eingestiegen, Dementia. Sie wurde dann auch nach einer Weile meine Freundin (lacht). Sie hat dann quasi die Kostüme kreiert, aber hauptsächlich ihre eigenen. Aber dann hat sie uns natürlich auch geholfen, auch wenn die Hauptideen von mir selbst stammen, bevor sie in die Band kam. Aber jetzt ist sie eh weg.

Ricarda:
Ach, sie ist gar nicht mehr in der Band?

Bjørn:
Nein, als wir uns getrennt haben, hat sie die Band verlassen (lacht). Das war etwa sechs Wochen vor der LACRIMOSA-Tour, und dann hatten wir auch plötzlich keinen Drummer und keinen Gitarristen mehr. Die zwei haben zwar nicht die Band verlassen, konnten aber nicht mit auf Tour. Also musste ich in sechs Wochen quasi eine neue Band suchen und proben (lacht). Aber es hat gut geklappt. Und das ist auch der Grund, warum wir jetzt zwei Gitarristen haben: der alte und der, der die Tour letzes Jahr gespielt hat.

Ricarda:
Oh, ok. Wie wichtig denkst du ist Image in der Gothic-Szene oder auch in der Musik-Szene allgemein?

Bjørn:
Ich glaube eigentlich, dass es wichtiger in der allgemeinen Musik-Szene ist als in der Gothic-Szene. Man würde vielleicht denke, dass ich genau andersrum antworten würde, aber ich finde, es ist sehr schwer, in der Gothic-Szene herauszustechen. Alle dort haben ein riesiges Image, das ist nicht so in der allgemeinen oder Mainstream-Szene. Ich würde also lieber dort spielen, denn dann würden wir herausstechen (lacht). Es ist schwerer, etwas Besonders in der Gothic-Szene zu sein als in der kommerziellen Szene.

Ricarda:
Ich finde aber, in der Gothic-Szene stecht ihr allein schon daher etwas heraus, dass ihr euch selbst nicht zu ernst nehmt.

Bjørn:
Nein, das tun wir wirlich nicht (lacht). Wir sind natürlich schon ernsthafte Musiker, aber wir können durchaus auch Selbstironie haben.

Ricarda:
Wenn man eure beiden Alben vergleicht, dann ist das zweite gitarrenlastiger und nicht mehr nur elektronisch. War das eine bewusste Entscheidung?

Bjørn:
Nein, es war kein Plan, es fühlte sich einfach richtig an. Ich hatte ja schon zuvor in einer Band gespielt, die nicht so Elektro war. Ich habe eigentlich auch nie elektronische Musik gehört, ich bin mit Rock, Thrash Metal und Death Metal groß geworden, also war die Entwicklung eine ganz natürliche. Und es war auch eine logische Entwicklung, denn zuerst fing ich alleine an, aber dann kamen immer mehr Musiker dazu. Wir bekamen einen Live Drummer und so, und jetzt können wir einen richtigen Band-Sound haben. Aber ja, es ist einfach so passiert.

Ricarda:
Ok. Ich fand es nur sehr lustig, denn MORTIIS ist ja auch aus Norwegen, und er hat sich dann ja auch eher den Gitarren zugewandt.

Bjørn:
Ja, genau (lacht). Wir waren mit ihm auf Tour, und er ist ein guter Freund von mir. Du solltest ihn mal live sehen.

Ricarda:
Ja, habe ich sogar schon, er spielte vor einer Weile in Tampere. Wie sieht es denn mit Plänen für euer drittes Album aus?

Bjørn:
Ja, ich habe das Album sogar schon aufgenommen, aber ich bin nicht sehr glücklich über die Richtung, es hört sich viel zu sehr nach KORN an (lacht). Ich habe eine Barriton-Gitarre gekauft und sie auf G gepitcht, das ist sogar noch tiefer als KORN spielen. Es war nur ein Experiment, und ich habe ein ganzes Album gemacht. Ein Album, das allerdings nicht veröffentlicht wird (lacht).

Ricarda:
Du hast ja Zeit!

Bjørn:
Nein, eigentlich gar nicht (lacht). Ich arbeite einen Vollzeitjob als Anwalt. Also habe ich nicht allzu viel Zeit, aber ich hatte Zeit, das Album zu machen, bevor mein Computer gecrasht ist (lacht). Jetzt habe ich aber zum Glück ein neues System. Aber ich bin auch echt ein totaler Perfektionist, ich mache immer erst 100 Lieder, bevor ich dann die zehn auswähle, die auf das Album kommen.

Ricarda:
Du hast also noch keine genaue Vorstellung, wann das nächste Album kommen wird?

Bjørn:
Nein, aber es ist natürlich wichtig, nicht zu lange weg von der Bildfläche zu sein, denn sonst vergessen uns die Leute.

Ricarda:
Magst du es lieber im Studio zu arbeiten oder auf Tour zu sein?

Bjørn:
Es ist sehr cool, im Studio zu sein, aber es macht dich auch fertig. Ich stehe jedes Mal kurz vor dem Zusammenbruch. Besonders beim letzten Album gab es so viele Schwierigkeiten, es war sehr stressig. Gerade auch wenn man wie ich ein Perfektionist ist, dann ist es sehr viel harte Arbeit.

Ricarda:
Was machst du, wenn du nicht aufnimmst oder auf Tour bist. Du hast schon gesagt, dass du als Anwalt arbeitest. Irgendwie finde ich das lustig.

Bjørn:
Ja, ich weiß (lacht). Aber ich arbeite heutzutage viel in der Musikindustrie, ich erarbeite Verträge für Bands und Managements und so. Und ich bin auch ein Agent zwischen Norwegen und Deutschland und versuche, norwegische Bands in Deutschland zu etablieren. Hauptsächlich in der Rock-Szene, aber es gibt auch ein paar Metal-Bands.

Ricarda:
Die anderen Jungs haben dann wahrscheinlich auch alle noch andere Jobs?

Bjørn:
Ja, einer unser Gitarristen arbeitet bei der norwegischen Version der GEMA, der andere arbeitet bei einer Computerfirma. Der Keyboarder ist ein Barkeeper und DJ. Einer unser Drummer ist ein ausgebildeter Drummer, der andere installiert Alarmanlagen (lacht).

Ricarda:
Was inspiriert dich zu deinen Texten?

Bjørn:
Nun, beim letzten Album war ich sehr inspiriert von einer deutschen traditionellen Kindergeschichte, die Geschichte vom Struwwelpeter, aber ich glaube, die Leute verstehen das nicht so richtig. Meine Ex-Freundin hat das Artwork entworfen, und es ist nicht so gut geworden (lacht). Wir hatten zu wenig Zeit und daher haben wir im Endeffekt das Cover nicht so gestalten können, wie wir eigentlich wollten. Wir waren für eine große Tour in Norwegen total ausgebucht. Als erste Gothic-Band überhaupt, die von der norwegischen Regierung gesponsert wurde. Das Album war noch nicht veröffentlicht, und wir mussten uns mit dem Artwork beeilen und auch mit den Lyrics. Ich hätte gerne noch einige Texte ein wenig verändert, so dass es ersichtlicher gewesen wäre, dass sie von einer Kindergeschichte inspiriert wurden.

Ricarda:
Wie hast du überhaupt die Geschichte vom Struwwelpeter gehört?

Bjørn:
Ich habe ein Theaterstück in London gesehen, es war wirklich toll. Und meine Mutter hat außerdem noch ein Antik-Museum, und sie hat das Buch. Und ich wollte unbedingt etwas darüber machen. Es ist wirklich sehr schade, dass die Bilder es nicht zeigen, denn viele Leute missverstehen die Texte und denken, sie seien kindisch, aber das war ja genau der Punkt (lacht). Und ja, es klingt auch ziemlich kindisch, wenn man diese Verbindung nicht sieht.

Ricarda:
Schreibst du auch Texte in norwegisch?

Bjørn:
Nein, niemals. Die norwegische Sprache hat so viele Konsonanten, und ich finde, es klingt einfach nicht gut. Nein, es passt einfach nicht.

Ricarda:
Gibt es einen bestimmten Ort, an dem du gerne touren würdest?

Bjørn:
Russland. Und da fahren wir sogar bald hin, im Dezember. Und Südamerika wäre auch toll.

Ricarda:
Habt ihr ein Ritual mit der Band bevor ihr auf die Bühne geht?

Bjørn:
Nein, eigentlich nicht. Es ist lustig, denn wir haben jetzt einige Shows gefilmt und die Kameraleute wollten filmen, wie wir uns vor der Show umarmen oder so. Aber sowas machen wir gar nicht (lacht). Ich weiß gar nicht, warum wir sowas nicht haben. Irgendwie komisch, wir sollten sowas haben.

Ricarda:
Wenn ihr jetzt ein paar Konzerte filmt, wollt ihr eine DVD herausbringen oder so?

Bjørn:
Ja, daran arbeiten wir. Wir haben das Wave Gotik Treffen mit sechs Kameras aufgenommen und auch das M'era Luna. Und dann die erste Show in Holland auf dieser Tour, in Tilburg. Dort waren 1600 Leute, es war richtig toll.

Ricarda:
Was war bisher die peinlichste Situation für dich auf der Bühne?

Bjørn:
Oh ja, ich erinnere mich (lacht). Auf der letzten Tour, bei der letzten Show in Deutschland. Es war das letzte Lied, und ich wollte von der Bühne gehen und dem Publikum zuwinken, aber ich habe in der Leiter festgesteckt (lacht). Ich konnte also die Bühne nicht verlassen. Das war schon irgendwie peinlich (lacht).

Ricarda:
Welche Musik hörst du im Moment?

Bjørn:
Um ehrlich zu sein, höre ich gar nicht soviel Musik. Aber im Bus hören wir gerade DEFTONES und SWANS. Michael Gira ist toll, aber die Musik macht irgendwie depressiv (lacht). Und KORN hören wir auch sehr gerne. Wie waren eingeladen, sie letztes Jahr in Spanien zu sehen, das war sehr toll. Ich glaube, es war die beeindruckendste Band, die ich seit vielen Jahren gesehen habe.

Ricarda:
Dann meine alberne Schlussfrage: Wen wolltest du heiraten, als du ein Kind warst?

Bjørn:
Als ich ein kleiner Junge war, war ich total in das Mädchen aus der TV-Serie "Unsere kleine Farm" verliebt. Ich glaube, sie hieß Laura, sie war cool. Aber da war ich acht oder so. Dann fing ich an, die ganzen düsteren Sachen zu mögen, dann habe ich Laura glaube ich abgeschworen (lacht).

Ricarda:
Ok, das war's dann. Danke für deine Zeit.

Bjørn:
Kein Problem, ich danke dir.

Redakteur:
Ricarda Schwoebel

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