EVERGREY: Interview mit Jonas

23.03.2006 | 18:36

EVERGREY überraschen anno 2006 mit einem straighten Metal-Album, weit weg von den progressiv-melodramatischen Vorgängern. Wie sieht und hört Jonas (dr.) das neue Album?

Christian H.:
Lass uns doch mal mit dem Cover-Artwork beginnen. Inwieweit gehören Titel und Cover zusammen?

Jonas:
Der Titel steht dafür, dass jederzeit etwas passieren kann, man weiß es ja nie so genau. Ich könnte direkt nach diesem Interview rausgehen und von einem Auto überfahren werden, oder jemand ruft dich an und erzählt dir, dass dein bester Freund oder eine andere geliebte Person gestorben ist. Wenn du das Cover ansiehst, wirst du feststellen, dass wir darauf soeben unsere "Monday Morning Apocalypse" durchmachen. Was immer es auch sein mag, der Betrachter soll das selbst herausfinden.

Christian H.:
Beschreibe doch bitte mal ein eventuell vorhandenes Konzept, das hinter dem Album steckt.

Jonas:
Eigentlich hat das Album dieses Mal kein wirkliches Konzept. Drei Songs sind aber vom gleichen Schlag: der Titelsong, 'Obedience' und 'Still In The Water'. Es geht um eine Person, die in der Schule tyrannisiert und gehänselt wurde. Als sie älter wurde, revanchierte sie sich, in dem sie die verantwortlichen Kinder von damals kidnappte.

Christian H.:
Mir liegen die Lyrics noch nicht vor. Es geht aber auch um persönliche Liebestragödien, oder?

Jonas:
Die Stücke handeln von dem Versuch zu realisieren, was man an Menschen hat. Wenn du nicht weißt, was du hast, könntest du alles verlieren, ohne es zu merken. Alles kann jederzeit passieren, wie ich vorhin schon gesagt habe. Also: Sei vorsichtig und gehe gut mit allem um, auch was um dich herum passiert.

Christian H.:
Kommen wir zum Musikalischen. Die Tracks wirken viel straighter und weniger progressiv als früher. Bist du da einer Meinung mit mir?

Jonas:
Ja, der typische Prog-Stuff ist mehr oder weniger Vergangenheit. Wir haben uns mehr auf den guten Song an sich fokussiert, ohne den ganzen Nonsens. Es ist trotzdem eine Weiterentwicklung, mal etwas anderes zu tun. Wir wollen unsere Musik ständig weiterentwickeln und nicht die ganze Zeit am gleichen Punkt stehen bleiben. Dies war der nächste Schritt in die richtige Richtung für uns.

Christian H.:
Was ich schon immer an euch liebe, sind eure melodramatischen Höhen und Tiefen, die meines Erachtens im Vergleich zu göttlichen Alben wie "In Search Of Truth" oder "Recreation Day" ein wenig verloren gegangen sind. Habt ihr die Songs absichtlich etwas "normaler" geschrieben?

Jonas:
Natürlich haben wir keine spezielle EVERGREY-Formel, die wir beim Schreiben unserer Songs beachten, wir gehen einfach nach unserem Gefühl und lassen uns von dem inspirieren, was wir im Moment durchmachen. Wir wollen einfach gute Songs schreiben. Außerdem waren wir ja nie eine heitere oder fröhliche Band, wenn es ums Songwriting geht. Wir versuchen schon, unsere negativen und schlechten Gedanken in unsere Musik zu verarbeiten. Auf diesem Weg ist es einfacher, glücklich zu sein und wahrscheinlich verstehen wir uns nur so gut untereinander, weil wir so dunkle und griesgrämige Musik spielen, hehe.

Christian H.:
Nur ein Lied erreicht überhaupt die Fünf-Minuten-Marke. Wolltet ihr dieses Mal nur kurze Songs auf die CD verbannen?

Jonas:
Davor haben wir natürlich nicht darüber nachgedacht. Ich glaube, der einzige Grund, wieso die Lieder dieses Mal kürzer ausgefallen sind, ist der, dass wir dieses Mal einfach ein Album schreiben wollten, das direkt nach vorne geht, eine klarere Standard-Rock-Struktur und keine Prog-Struktur in sich birgt. Die Songs werden live wirklich Spaß machen, weil sie vor Energie nur so strotzen. Ich freue mich sehr darauf, auf Tour zu gehen und die Tracks des neuen Albums zu präsentieren.

Christian H.:
Mittlerweile schreibt Henrik ja fast genauso viele Songs wie Tom, oder?

Jonas:
Tom hat zwar ein paar Songs mehr geschrieben, glaube ich, aber es ist völlig egal, wer welchen Song schreibt. Es geht um den guten oder schlechten Song. Wir arbeiten beim Songwriting gut zusammen, aber vier Gehirne zur gleichen Zeit am gleichen Song sind ein wenig zu viel, denn jedes einzelne hat eine etwas andere Vorstellung als das andere. Es ist wichtig, sich alle Ideen anzuhören und eventuell seine eigenen Pläne zurückzustecken.

Christian H.:
Nach langer Zeit habt ihr mal wieder eine außenstehende Person produzieren lassen. Euer Sound klingt 2006 viel moderner als von euch gewohnt. Seid ihr zufrieden mit dem Ergebnis?

Jonas:
Die ersten drei Alben wurden ja von Andy LaRoque produziert, dieses Mal haben wir Sanken Sandqvist den Job gegeben, der schon für Bands wie PARADISE LOST gearbeitet hat. Aufgenommen haben wir in den Division One Studios in Göteburg. Sanken hat perfekt mit uns harmoniert! Danach flogen Tom und Henrik nach Stockholm, um mit Stefan Glauman (RAMMSTEIN, WITHIN TEMPTATION u.a.) abzuhängen und das Album zu mixen. Ich finde das Ergebnis exzellent und würde mich freuen, in Zukunft wieder mit den beiden zusammenzuarbeiten.

Christian H.:
Ihr spielt dieses Jahr immens viele Festivals, aber weniger Clubshows. Wieso?

Jonas:
Da hast du recht, aber im Moment arbeiten wir auch noch an einer Europa-Tournee. Bis jetzt gibt's aber noch keine Details zu vermelden. Das Album kommt ja jetzt raus, und im Mai gehen wir mit NEVERMORE und IN FLAMES nach Nordamerika. Ich fühle, dass es die richtige Zeit ist, auf vielen verschiedenen Festivals zu spielen, wo wir viel Aufmerksamkeit erregen und hoffentlich mehr Fans dazu gewinnen werden als bei vielen Clubshows, aber verstehe mich nicht falsch, in Clubs zu spielen ist fuckin' great! Nach all den Festivals werden wir das sicherlich auch noch tun!

Christian H.:
Seid ihr noch traurig, dass ihr nicht den schwedischen Grammy für die beste Live-DVD erhalten habt?

Jonas:
Natürlich ist es schade, es wäre wirklich cool gewesen. Wenn wir ganz exakt sind, haben wir ihn ja auch irgendwie gewonnen. ABBAs DVD wurde in den späten 70ern aufgenommen, sie wurde dieses Jahr nur wieder veröffentlicht. Aber es war auch so einfach großartig, nominiert worden zu sein, und ich verliere den Preis lieber an ABBA als an jemand anderes. Vielleicht gewinnen wir ihn ja nächstes Mal.

Redakteur:
Christian Hubert

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