ENSLAVED: Interview mit Ivar Bjørnson

15.06.2006 | 11:24

Martin Schneider:
Servus Ivar, wie geht es dir?

Ivar Bjørnson:
Hi Martin, bei mir ist alles in Ordnung, bei dir hoffentlich auch...

Martin:
Ich kann nicht klagen! Aber kommen wir zum Wesentlichen: Herzlichen Glückwunsch zur gelungenen neuen Platte "Ruun"!

Ivar:
Danke, es fühlt sich klasse an "Ruun" endlich veröffentlicht zu haben. Aber wir haben mit diesem Album auch noch so einiges an Arbeit vor uns: Promotion, Festivals, und eine Tour ist auch schon geplant.

Martin:
Was erwartet die ENSLAVED-Fans beim neuen Album?

Ivar:
Sie können ein Album mit innovativem norwegischem Extreme Metal erwarten, das zeigt, wozu heutzutage extremer Metal fähig ist. Quasi eine Verfestigung des Genres. Das klingt jetzt etwas wichtigtuerisch (lacht). Aber das Album enthält die stärksten Songs, die wir jemals gemacht haben, und wir sind richtig glücklich mit der Produktion. Es ist ein natürliches Aufeinandertreffen zwischen unseren Extrem-Metal-Wurzeln und neueren Richtungen in unserer Musik, nämlich Melodik und experimentelle Einflüsse progressiver Musik. Kurz gesagt: Unser bisher solidestes Album.

Martin:
"Ruun" ist eine sehr abwechslungsreiche CD mit vielen progressiven, epischen und atmosphärischen Teilen. Wie wichtig ist der Abwechslungsreichtum für euch und euer Songwriting?

Ivar:
Danke, das klingt fast wie ein Kompliment in meinen Ohren (lacht). Ich denke der Abwechslungsreichtum ist etwas, das bei uns ganz natürlich vorhanden ist, weil wir so viele Ideen, Traditionen und Experimente in unserer Musik haben. Es ist nicht so, dass wir uns hinsetzen und vorhaben so zu schreiben, nein es ist etwas, das ganz natürlich in unsere Arbeit mit einfließt. Ich denke auch, wenn die Abwechslung erzwungen wird, klingt das nachher auch einfach nicht mehr gut!

Martin:
Bei all der Abwechslung klingt "Ruun" aber auch sehr organisch, sehr homogen. Wie denkst du, habt ihr das erreicht?

Ivar:
Wir haben großes Augenmaß darauf gelegt, wie wir das Album aufgenommen haben, denn wir wollten einen sehr organischen und "realen" Sound. Besonders die Drums klingen bei vielen modernen Produktionen extrem künstlich: Die Bass-Drums klingen dann als hätten sie die Größe von Münzen, und die Toms klingen wie diese furchtbaren 80er-Jahre-Synth-Pads, die die Discofreaks damals benutzt haben.
Also war der entscheidendste Faktor, als wir ein Studio suchten um "Ruun" aufzunehmen, die Aufnahmephilosophie des Studios: Würden sie wirklich unseren Sound so reproduzieren können, wie es klingen sollte? Wir bekamen bei der Suche einige Hilfe durch unsere Plattenfirma (Tabu-Records) und fanden zwei ausgezeichnete Studios, das Amper Tone Studio zum Aufnehmen und das Propeller Music Division zum Mixen.
Wir haben eine große Aufmerksamkeit darauf gelegt, den organischen ENSLAVED-Sound durch den gesamten Ablauf hindurch zu bewahren. Das war das ganze Rezept: Wir hatten eine klare Vorstellung von dem, was wir wollten, und wollten diese auch bei jedem Schritt verfolgen. Ich weiß, das klingt nach Klischee, aber so war es.

Martin:
Welche Songs gefallen dir am besten, und warum?

Ivar:
Ich finde, der Titeltrack 'Ruun' ist ein klasse Song, und einer meiner all time ENSLAVED-Lieblingssongs überhaupt. Er hat eine starke Atmosphäre vom Anfang bis zum Ende, und der Refrain ist sehr kraftvoll. Das Ende hat eine fast monumentale Qualität, die eine enorme Menge an Energie freisetzt.

Martin:
Wie mutig ist es eine sechs-Minuten-Nummer wie 'Entroper' als Opener zu wählen?

Ivar:
Das sagst du! Als der Song im Studio fertig aufgenommen war, hat er sich einfach als bester Opener herauskristallisiert. Er ist die ganze Zeit über wie eine perfekte Eröffnungsnummer aufgebaut, vom Intro bis zum Ende.

Martin:
Mit "Isa" habt ihr einige Preise gewonnen, und von Presse wie von Fans hervorragende Kritiken geerntet. Denkst du, "Ruun" ist genauso gut wie "Isa" geworden, oder sogar noch einen Tick besser?

Ivar:
Die Platte ist einfach anders, aber mindestens genauso gut - ich denke sogar besser! Für mich macht es der Klang zu einem sehr starken Album, und es scheint so, dass es viele Leute gibt, die mir da zustimmen. Das macht mich schon sehr stolz!

Martin:
Welche Unterschiede sind das?

Ivar:
Hier kommt abermals die Produktion ins Spiel: "Ruun" ist sehr organisch und warm produziert. Im Gegensatz zu "Isa", das kälter und distanzierter klingt. Ach die Kompositionen und Arrangements haben sich nachweislich verändert. "Ruun" ist solider und extremer in jedem Aspekt: Dunkler, aggressiver, melodischer, schöner, epischer und extremer als der Vorgänger.

Martin:
Es gibt in Europa einen großen Viking-Metal-Boom. Nun macht ihr mit ENSLAVED schon seit 1992 solche Musik. Seid ihr glücklich über diesen Aufschwung, oder seht ihr das eher kritisch?

Ivar:
Ich bin nicht wirklich kritisch, dafür interessiert es mich nicht genug.
Es gibt zwei problematische Aspekte von solchen Bands. Als Erstes stellen sie die Vor-Christen oder wie immer du sie nennen willst, in einer sehr zweidimensionalen Art und Weise dar: Es ist entweder Krieg, oder es geht um saufen und feiern.
Das andere Problem ist, das viele dieser Bands mittelalterliche christliche Musik spielen. Sie denken, sie spielen pagane Musik, welche es tatsächlich gar nicht gibt, und ehren eigentlich die christliche mittelalterliche Musik - die Musik der Unterdrückung, des Völkermordes und des Diebstahl. Das ist nicht wirklich pagan, nicht wirklich nordisch, und erst recht nicht wirklich metallisch!
Wie du richtig gesagt hast, wir machen unsere Sache seit 1992, aber für uns geht es um die Mythologie, den Mystizismus, und die Runen als Aspekt der mystischen Natur. Nicht einfach nur um Helme und Trinkhörner!
Wie auch immer, mir ist es egal, was solche "...und eine Buddel voll Rum"-Bands machen, denn das ist mehr als langweilig und historisch auch einfach falsch...

Martin:
Kommen wir noch einmal zu eurer Karriere. Wie schaust du auf diese lange Zeit zurück? Was waren deine schönsten und schlimmsten Momente der letzten 15 Jahre?

Ivar:
Es waren 15 fantastische Jahre! Die beste Zeit aber haben wir im Moment, mal abgesehen vom Roskilde-Festival letztes Jahr, was ein wirklicher Karrierehöhepunkt war.
Der schlechteste Moment war auf der UK-Tour 2001. Die Auftritte waren zwar in Ordnung, und die Fans waren klasse, aber es war ein Alptraum in dieser Zeit Teil der Band zu sein. Die Sache lief einfach nicht, weder mit Dirge (ex-Schlagzeuger - d. Red.), der mit einem gebrochenen Fuß daheim bleiben musste, noch mit Roy Kronheim (ex-Gitarrist - d. Red.), mit dem es noch schlechter lief. Das zeichnete sich schon deutlich ab, bevor wir die erste Show spielten, dass sich in der Band einiges ziemlich schnell ändern würde.
Danach kam dann der Untergang der alten Besetzung, und der Wechsel zur neuen genialen Besetzung von heute wurde vollzogen.

Martin:
Wie wichtig sind euch die deutschen Fans?

Ivar:
Sehr wichtig! Wir waren den deutschen Fans sehr dankbar über die Fans bei unserer letztjährigen Tour zusammen mit VREID. Wir waren davor fast fünf Jahre nicht in Europa auf Tournee und wir waren total erstaunt, was für eine gute Erinnerung die Deutschen an uns hatten. Das werden wir nie vergessen, und es ihnen sicherlich auf der nächsten Tour zurückzahlen.

Martin:
Wann kommt ihr denn das nächste Mal auf Tour?

Ivar:
Die Termine sind noch nicht zu 100% bestätigt, aber ich weiß, dass wir bei der Europa-Tournee nach Deutschland kommen. Das müsste so um den 13. September herum sein. Allerdings könnte sich das noch ändern. Die bestätigten Termine könnt ihr aber jederzeit auf unserer Homepage nachschauen.

Martin:
So, dann sind wir am Ende des Interviews angelangt. Erst einmal möchte ich mich recht herzlich dafür bedanken, dass du mir Rede und Antwort gestanden hast. Des Weitern hast du jetzt die Möglichkeit, das Wort an unsere Leser zu richten.

Ivar:
Ich danke dir ebenfalls für das Interview.
Ich hoffe, dass sich alle Leser die Zeit nehmen einmal in "Ruun" reinzuhören, es wird die Zeit wert sein. Außerdem freue ich mich euch bald auf der Tour zu sehen, und möchte mich für die jahrelange Unterstützung unserer Fans bedanken.

Redakteur:
Martin Schneider

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