EMBEDDED: Interview mit Sänger Rainer Düsing.

03.06.2009 | 23:41

Das frische Album "Beyond The Flesh" ist eines der Glanzlichter der diesjährigen todesmetallenen Zunft. Darüber, über allgemeine Schaffungsprozesse, die Gründe der Vernarrtheit in dieses Genre und baldige Doktorehren sprachen wir mit Rainer Düsing, dem Vokalisten des Quintetts.

Rainer Düsing


Mathias Freiesleben:

Ihr seid ja in eurer Bandgeschichte in all den Jahren dem "ollen" Death Metal treu geblieben. Warum?

Rainer Düsing:
Das hat sicherlich mehrere Gründe. Zum einen ist es diejenige Musik, die EMBEDDED ausmacht und schon immer ausgemacht hat, zum anderen ist es natürlich auch so, dass bei allen Bandmitgliedern diese Art von Musik in der persönlichen Entwicklung sehr prägend und ausschlaggebend war. Es ist die Musik, die uns spielerisch auch am meisten Spaß macht und ich glaube auch, dass diese etwas einfacher strukturierte Musik gut beim Publikum ankommt, vor allem live, da sie einfach mitreißender ist, als hoch komplexe Musik, wie sie von vielen modernen technischen Death-Metal-Bands gespielt wird.

Mathias Freiesleben:
Gab es demnach nie Versuche, etwas anderes zu machen? Andere Stile mit einzuweben?

Rainer Düsing:
Es gab keine Versuche, gezielt andere Stile mit einfließen zu lassen, aber wir haben uns sicherlich von modernen Sachen inspirieren lassen, vor allem was das Spielerische angeht. Während wir früher damit zufrieden waren, dass der Song gut funktionierte, so haben wir doch gelernt, dass es wichtig ist, präzise zusammen zu arbeiten. Das ist eine Sache, die wir übernommen haben. Ich denke auch, dass die Songs durchaus aggressiver und schneller geworden sind, wenn man sie mit älteren Sachen vergleicht und somit schon eine Anpassung an aktuelle Trends ist, ohne aber den ursprünglichen Sound aus den Augen zu verlieren.

Mathias Freiesleben:
Gibt es Seitenprojekte, quasi als Ventile?

Rainer Düsing:
Soweit ich weiß, bin ich der einzige, der mit der Band SCID ein aktuelles Sideproject am Laufen hat (SCID hat übrigens auch dieses Jahr ein Album - "Injected" - veröffentlicht). Ich würde das aber nicht als Ventil bezeichnen, um Dinge auszuleben, die ich bei EMBEDDED nicht machen könnte, sondern es ist ein nettes Nebenprojekt, was Spaß macht, aber auch nicht so viel Zeit in Anspruch nimmt, dass es mit EMBEDDED in Konflikt geraten würde. Markus und Christian haben eine Zeit lang noch ihre vorherige Band DISEMBODIED weitergeführt, aber das liegt im Moment aus zeitlichen Gründen auf Eis, soweit ich weiß.

Mathias Freiesleben:
Welchen Stellenwert hat die Musik überhaupt für euch im Leben?

Rainer Düsing:
Ich kann zwar nur für mich sprechen, aber ich denke, dass die anderen es ähnlich sehen. Die Musik an sich ist für mich sehr wichtig, da ich beim Hören und Spielen vollkommen darin aufgehen und mich darin ausleben kann. Auf der anderen Seite sehe ich das Musikmachen wirklich nur als Hobby an, da man in unserer Musikrichtung sicher nicht davon ausgehen kann, davon gut leben zu können. Deshalb muss die Musik bzw. die Band manchmal hinten anstehen, wenn berufliche Dinge Vorrang haben. Wenn ich aber wüsste, dass ich nur mit der Musik gut meinen Lebensunterhalt bestreiten könnte, dann würde ich mich sofort dafür entscheiden.

Mathias Freisleben:
Was macht ihr denn eigentlich größtenteils? Ihr hattet einige Zwangspausen, deshalb diese Fragen!

Rainer Düsing:
Unsere Zwangspausen hatten - soweit ich das sagen kann - fast immer berufliche Gründe. André ist Germanist und arbeitet als Redakteur, Christian hat bis vor kurzem seinen Techniker gemacht, Mathias ist derzeit in Australien für ein Jahr, um seinen Master of Health zu machen, weswegen wir auch im Moment einen Ersatzbassisten einarbeiten (Vielen Dank an dieser Stelle an Dich, Lars!!!). Markus hat letztes Jahr das Studium der Psychologie begonnen und ich selbst bin Psychologe und mache gerade meinen Doktor. Alle haben also mehr als reichlich zu tun, weshalb leider die Musik leidet. Wir würden gerne mehr schaffen und vor allem schneller, aber es ist nicht immer so möglich, wie wir es gerne hätten.

Mathias Freiesleben:

Wer hält den Laden zusammen? Bekommt ihr ab und zu einen Rappel, euch zu sehen, und dann wird eine Platte eingekloppt?

Rainer Düsing:
Den Laden halten wir eigentlich alle irgendwie zusammen, auch wenn ich sagen muss, dass oft Markus als jüngstes und neuestes Mitglied (aber auch schon lange dabei) die treibende Kraft ist und organisiert, dass wir uns wieder zusammenraufen und den Arsch hoch bekommen. Normalerweise proben wir aber einmal die Woche, wenn nichts Außergewöhnliches dazwischen kommt.

Mathias Freisleben:
Wer macht dann was? Lyrics?

Rainer Düsing:
Die Songs werden größtenteils von André komponiert, auf dem aktuellen Album "Beyond The Flesh" sind aber auch zwei von Markus geschrieben, der nicht nur das Schlagzeugspielen beherrscht, sondern auch gut Gitarre spielen kann. Die Lyrics stammen von André, Mathias oder mir.

Mathias Freiesleben:
Wer organisiert das Zusammenspiel? Wie das funktioniert, habe ich mich schon immer gefragt, seit ich Death-Sachen höre, also seit etwa 1992. Geht man ins Studio, setzt sich ans Klavier und der Drummer hockt daneben und trommelt mit 8 Fingern die schnellen Parts vor? Oder wie läuft das ab?

Rainer Düsing:
Hehe, ins Studio sollte man erst gehen wenn man den Song (größtenteils) schon fertig hat, sonst kann das ein sehr teures Vergnügen werden, wenn man die Sachen erst dort schreibt. Meistens läuft es so ab, dass zuerst ein oder mehrere Riffs auf der Gitarre bestehen, die dann im Proberaum vorgespielt werden. Dann wird weiter daran gearbeitet, z.B. was man dazu trommeln könnte. Dann werden weitere Parts ausgearbeitet und in das Bestehende eingeflochten, so dass nach und nach ein Song entsteht, der ja auch immer wieder verändert und angepasst wird, bis wir glauben, dass er so stimmig ist und gut ankommen könnte. Texte lege ich meist hinterher erst drauf, entweder einer, der schon besteht und angepasst wird, oder ich schreibe ihn so, dass er zum Song passt. Wir hatten es aber auch schon, dass André oder Markus mit einem kompletten Song angekommen sind, an dem nicht mehr viel geändert werde musste, sondern nur noch abgestimmt wurde, wie lang welcher Part sein soll, oder was eine zweite Gitarre spielen könnte.

Mathias Freiesleben:
Weil das eben so ein Mysterium für mich ist, interessiert es mich brennend. Aber eigentlich ist gerade diese Unkenntnis das Faszinierende an dieser Art Musik. Wo liegt diese Faszination bei euch?

Rainer Düsing:
Mich fasziniert auch immer noch, wie Bands wie z.B. CRYPTOPSY ihre Sachen entwerfen und sich dann auch noch merken können. Aber die eigentliche Faszination ist das Mitreißende dieser Musik. Sie ist total intensiv, wenn man sie hört oder auch spielt. Es geht mir bei keiner anderen Musik so, auch wenn ich sagen muss, dass ich mittlerweile auch viele andere Sachen außer Death Metal höre, die unter Umständen auch gar nichts mit Metal zu tun haben. Aber diese druckvollen, intensiven, energetisierenden Erfahrungen habe ich nur beim Death Metal. Textlich ist sicherlich auch die Möglichkeit interessant, schreiben und sagen zu können, was man will und wie man es will. Der Reiz des Okkulten (auch wenn das nicht Themen sind, die EMBEDDED behandeln) ist ja nun mal nicht von der Hand zu weisen.

Mathias Freiesleben:
Ich selbst denke, dass zum Beispiel der so genannte Metalcore eben nie diese Death-Metal-Dynamik entwickelt hat und deshalb auch eine Modeerscheinung bleiben wird, die am abflachen ist. Liegt das vielleicht am Alter? Was denkt ihr? Ich meine Paul Speckman spielt ja eigentlich auch noch eine derbe Hand und röhrt als Death-Opa durch die Clubs.

Rainer Düsing:
Ich glaube auch, dass diese Core-Bewegung sich nicht derart etablieren wird. Die großen Bands werden sicherlich lange weitermachen, aber insgesamt wird das Ganze auch wieder weniger werden. Aber es ist ja auch immer ein Austausch zwischen den Szenen, so dass sich die Stile immer wieder mischen und neue Sachen auf dem Markt erscheinen. Ich persönlich kann der ganzen Core-Sache nicht viel abgewinnen, liegt aber wohl daran, dass ich da ein wenig zu puristisch bin. Das mag am Alter liegen oder einfach auch an den Hörgewohnheiten. Es ist immer schwerer sich in etwas Neues hineinzudenken und sich dafür zu begeistern. Mit dem alten Sound ist man ja vertraut und weiß, was man erwarten kann, deshalb funktioniert es ja. Sonst könnte ich mir auch nicht erklären, warum Bands wie AC/DC nach 40 Jahren immer noch so klingen wie damals und sie trotzdem eine riesige Fangemeinde haben und jedes Album ein Hit wird. Ich selbst mag es zwar modern, aber dann eher die Richtung technischer Death Metal wie HATE ETERNAL oder ORIGIN.

Mathias Freiesleben:
Was ist von euch zu erwarten in naher Zukunft? Konzerte, Specials, Festivals?

Rainer Düsing:
Also ich hoffe mal, dass wir wieder mehr Konzerte spielen werden. Als nächstes steht das Death Feast Open Air in Hünxe auf dem Programm. Wir planen aber gerade ein Release Konzert, welches auch gleichzeitig eine Feier zum 15–jährigen Jubiläum sein soll. Aber da steht noch nichts Konkretes fest. Wer aber aktuell informiert sein möchte über anstehende Konzerte kann ja einfach auf unserer Myspace-Seite reinschauen. Konzertveranstalter können sich auch über diese Seite gerne bei uns melden, wenn sie uns bei einem Gig dabei haben möchten. Wir würden uns freuen!

Mathias Freiesleben:
Wie lange wird es euch noch geben?

Rainer Düsing:
Ich hoffe mal noch weitere 15 Jahre, oder so lange, bis wir vor Altersschwäche die Instrumente nicht mehr bedienen können.

Mathias Freiesleben:
"Beyond The Flesh" macht mir persönlich viel Freude, alles Gute für euch!

Rainer Düsing:
Danke für das Lob. Ich hoffe, dass es noch anderen so geht, bis jetzt ist die Resonanz auf das neue Album recht positiv. Vielen Dank für das Interview und die besten Wünsche auch an dich!

Redakteur:
Mathias Freiesleben

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