Der HELFAHRT-Gipfelsturm Teil III

18.10.2008 | 14:37

Welcome back zu unserer "HELFAHRT stürmt den Gipfel"-Reihe! "Es irrt der Mensch so lang er lebt", spricht der Herr in Goethes Faust. Dass es unserer Wanderung mit HELFAHRT da nicht anders gehen kann, scheint geradezu offensichtlich. Und doch, was haben wir nicht schon alles erfahren: Dass positiv nicht immer positiv bedeuten muss, wer die Jungs eigentlich sind und dass auch hinter der schönsten Fassade ein Dani Filth lauern kann (Teil I und Teil II). Heute geht es um mehr. Zum einen wird der schreckliche Cliffhanger der letzten Folge geklärt, zum anderen sprechen wir über ULVER, die Gesellschaft und die Natur.

12.46 – Blauer Himmel, Natursekt und gute-Laune-Lotus

Nachdem die letzte Folge so unverschämt geendet hat, bitte ich hiermit um Verzeihung. Nicht für das Ende in der letzten, sondern für die Auflösung in dieser Folge. Denn: Das Ereignis, durchaus mit der weitläufigen Epik des Versuchs Frodos zu vergleichen, den Ring im Schicksalsberg zu zerstören, war nicht mehr als ein offener Schnürsenkel meinerseits. Doch tatsächlich kann so ein Schnürsenkel auch reißen, was unweigerlich zum Ende der Reise geführt hätte. So ging aber zum Glück alles gut aus und wir tun diesen versuchten Alpinterrorismus meines Schuhs mit einem Lächeln ab.

Bleibt der Raum für die drei wichtigsten Alben von Max: "Bei mir ist das recht einfach: KAMPFAR - "Mellom Skogkledde Aaser" (Malicious Records 1997), das war das erste KAMPFAR-Album, das ich mir gekauft habe. Eine wahnsinnige Intensität, die ich so bislang noch nicht gehört habe. Dann Album Nummer Zwei: ULVER - "Bergtatt - Et Eeventyr i 5 Capitler" (Head Not Found 1994), bzw. auch "Kveldssanger" (Head Not Found 1995), einfach daher, weil es fantastische Kompositionen sind. Es sind Alben, die ich mir immer wieder anhören kann." Eine gemeinsame Vergangenheit im extremen Metal verbindet das HELFAHRT-Trio also schon mal. Uns alle verbindet allerdings der Wunsch nach dem ersten kühlen Blonden des Tages, und so ist die Freude groß, als wir in nicht allzu großer Ferne eine Alm mit Wirtschaft entdecken. Motiviert von der Farbe der anstehenden Hopfen-Kalt-Schale beginnt nun eine wüste Philosophiererei über Natursekt und Unterschwäsche mit Lotuseffekt. Ein wenig ernsthafter ist der Gedanke, der sich bei Anblick der wunderbaren sattgrünen Bergwiesen um uns herum breitmacht. Noch nicht ganz spruchreif fallen Stichworte wie: Konzert, Alm, limitierte Karten, weit oben in den Bergen, Freiluft, etc etc. Doch bevor diese Pläne konkret ausgedacht werden können, erreichen wir eine nette kleine Alm und - als wäre das eine Regieanweisung in einem Heimatfilm - springen förmlich in das sich vor uns durch weichende Wolken eröffnende Postkarten-Panorama. Nach einer kurzen Konversion mit den anwesenden Einheimischen (so große, vor Schreck oder Überraschung geweitete Augen habe ich selten gesehen) entern wir einen Tisch mit schönem Ausblick und verlieren uns in der schönen Aussicht an der Nordseite des Bergs.

Kann man das als ein reines Naturerlebnis auffassen? "Natur ist für mich, wenn ich raus gehe – und am besten natürlich alleine – auf gewisse Weise raus aus der menschlichen Gesellschaft", beschreibt Basti. "Da merkst du dann, dass es mehr "Sein" gibt. Und überhaupt die Kraft vom "Sein" an sich, die man vielleicht in einer menschlichen Gesellschaft, die mit so vielen aufgebauschten und eingebildeten Problemen kämpft und zugegebenermaßen – so klischeehaft das jetzt auch klingt – so wenig funktioniert, gar nicht findet. Und im Rausgehen in die Stille und die Schönheit der Natur kann man einfach nur aufgehen und reines Sein erleben. Man merkt plötzlich, was da für eine Kraft ist." Trotz einer Biertischgarnitur vor sich, einer Gemeinde zu Füßen des Berges, einer Industrieanlage im Tal? "Ja, das stimmt natürlich", gibt Basti zu und setzt nach: "Das ist aber genau das, was HELFAHRT so düster und eben nicht so fröhlich macht. Ganz einfache Frage: Wo kannst du hingehen, dass du keine Spuren mehr von Menschen siehst – bei uns in Deutschland? Wieviel Quadratkilometer gibt’s da? Eben, und genau das wissen wir auch. Und so ist dieses Thema bei uns immer wieder dabei. Verlust und Unwiederbringbarkeit des Ursprünglichen. Deswegen machen wir eben keine Party-Musik." Dennoch ist dieser Moment für uns alle ein Genuss, wie es Max treffend auf den Punkt bringt: "Gut, sicherlich sind hier die Wanderwege und ist vieles verbaut, man sieht also ganz deutlich, dass hier der Mensch gewirkt hat. Aber das zählt in diesem Moment nicht. Ich konzentriere mich lieber auf die herrliche Aussicht oder auf das tolle Wetter."

Dass es Probleme in unserer Gesellschaft gibt, sich mit der Natur zu arrangieren, auf "Augenhöhe" zu agieren, kann allerdings nicht weggeredet werden. In unserer Gesellschaft gibt es wenigstens immer wieder ein gewisses Maß an Interesse an der Umwelt, gegenwärtig nicht zuletzt wegen dem Klimawandel. Eine gute Entwicklung? Basti sieht das differenzierter: "Man muss aber auch sagen, dass sie das Problem auch ausgelöst hat. Folglich reagiert die Gesellschaft nur auf das, was sie selber gemacht hat. Ohne die Gesellschaft würde es eine Klimawandeldiskussion gar nicht geben." Und haben wir eine Chance, in Einklag mit der Natur leben zu können? "Es ist wahrscheinlich schwierig. Sieben Milliarden Menschen wollen ernährt werden," erklärt Basti. "Klar gibt es da Konzepte wie die der Vegetarier oder so, aber das würde ja ganz neue Probleme aufwerfen. Die Gesellschaft an sich kann natürlich im Einklang mit der Natur leben, wenn sie klein genug ist, wie ursprüngliche Indianervölker oder so. Aber die moderne Gesellschaft?" Max führt den Gedanken weiter: "Bei diesen Nomadenstämmen – oder Naturvölkern, z.B. die Sami oder Innuit, jagen oder bauen sie das an, was sie brauchen. Aber die haben auch noch ein ganz anderen Bezug zur Natur. Wir sind schlicht zu viele, als dass jeder im Einklang mit der Natur leben könnte." Außerdem ist da noch das Grundproblem unserer Gesellschaft: Neid und Habsucht. Diese zwei negativen Eckpfeiler machen allgemeine Ansätze im Prinzip schon am Anfang zunichte, darin sind sich alle einig.

Wie die Zeit doch vergeht. Kaum angekommen, ein bisschen geredet und ein Kühles geschlürft, machen wir uns schon wieder auf in Richtung Gipfel. Noch kurz in guter Pro-Patria-Bavariae-Manier vor einer wunderschön blau-weißen Flagge in Alpenambiente gepost und auf gehts in Richtung Gipfel. In der nächsten Folge werden wir uns dann mit Stalin beschäftigen. Dieser Mann soll ja unglaubliche Cover entworfen haben - verwirrt? Macht nix, seid gespannt.


Redakteur:
Julian Rohrer

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