DIE TAUCHER: Interview mit Dr. Elmex A. & Vince vom Nil

08.09.2019 | 21:02

Die Schwabenrocker DIE TAUCHER hatten Mitte August einen umjubelten Release-Gig zu ihrem Comeback-Album "Landgang", nachzulesen im Livebericht von Kollege Rüdiger Stehle. Und hier ist jetzt auch das von ihm bereits angekündigte Interview, welches wir mit der Band vor ihrem Auftritt führen konnten.

DIE TAUCHER waren Anfang der 90er Jahre der heißeste Scheiß im Illertal. Mit ihrem 1990 erschienenen Debüt  "Aufgetaucht" trafen sie sowohl musikalisch als auch textlich den Nerv der Jugend aus dem Illertal. Trotz eines Fernsehauftritts und eines Artikels in der Bravo (selbst ein Plattenvertrag bei EMI wäre möglich gewesen) hat es damals dann allerdings nicht höheren Rockstar-Ehren gereicht. Es folgte 1992 noch das zweite Album "Hart-Nass-Laut" mit neuem Sänger, was das Ende aber auch nicht mehr verhindern konnte. Auf der offiziellen Webseite der TAUCHER ist die History sehr schön auch mit diversen Zeitungsartikeln aus dieser Zeit aufgearbeitet.

Es war das Jahr 2016, als man sich zum 160-jährigen Jubiläum der Traube Bellenberg für einen als einmalige Sache angedachten Auftritt wieder reformierte. Mit Dr. Elmex A. (Gesang), Vince vom Nil (Gitarre) und Pete Zafungi (Bass) standen an diesem denkwürdigen Abend drei Viertel der Besetzung des Debüts erstmals seit fast 30 Jahren wieder gemeinsam auf der Bühne. Original-Drummer Harry Richter, der sich 2007 tragischerweise dazu entschied, freiwillig aus dem Leben zu scheiden, wurde hierbei durch Manne Lee Owner ersetzt, der schon bei den TAUCHMEISTERN die Stöcke schwang. Denkwürdig war dieser Abend vor allem deshalb, weil 4000 (!!!) Rockfans gekommen waren um bei freiem Eintritt und herrlichstem Sommerwetter die Rückkehr ihrer alten Helden zu feiern. Auf Youtube hat die Band ein Video von diesem Auftritt online gestellt.

Mit einem derartigen Zuspruch hatte niemand gerechnet, was sogar dazu führte, dass die Bierversorgung zusammenbrach. Bei der Hardrock-Legende BONFIRE, die am nächsten Tag am selben Ort auftrat, war die Situation deutlich entspannter. Damit möchte ich an dieser Stelle nur einmal den Stellenwert verdeutlichen, den DIE TAUCHER nach all den Jahren der Abstinenz hier im Illertal immer noch besitzen. Sänger Elmex erinnert sich: "Es war ganz klar, das machen wir einmalig. Wir haben nie über was anders nachgedacht. Aber dann kam dieser Tag, der 13.8.2016. Und draußen auf der Straße sind 4000 Leute gestanden. Nachdem wir wieder von der Bühne gegangen waren, waren wir einfach nur überwältigt. Es war einfach eine geile Party und selbst da war das für uns immer noch eine einmalige Sache. Das entwickelte sich dann erst im Nachhinein, denn eigentlich hat es soviel Laune gemacht nach immerhin 27 Jahren, so dass wir eigentlich auch weitermachen könnten. Im Dezember haben wir dann nochmals in der Traube gespielt und der Laden war wieder bummvoll." Hier hakt dann Gitarrist Vince ein, der neben Elmex als Interviewpartner zur Verfügung stand: "Und dann war das Problem, dass der Elmar wieder vor allen Leuten Sprüche gemacht hat, dass da demnächst eine Scheibe rauskommt. Wir haben da noch gar nichts gewusst davon. Aber so blieb uns dann nichts anderes übrig."

Für das neue Album ging man dann ungewöhnliche Wege und ließ die Fans entscheiden, welche Stücke letztendlich drauf kommen. "Ich fand die Idee ganz gut, Fans einzuladen auf eine Liveprobe. Die fand in der Krathalle neben dem Roxy in einem der Proberäume der Pop Akademie Ulm statt. Wir haben dazu Leute über Facebook eingeladen und letztendlich waren es dann 100, aus Bermaringen war ein alter Fanclub da. Denen haben wir dann die neuen Stücke vorgestellt", erzählt Elmex. Vince ergänzt: "Wir haben eine Liste gemacht mit den ganzen Stücken, wo man dann ankreuzen konnte, wie einem die Nummer gefallen hat oder eben nicht." Auch wenn die Scheibe wohl schon im Frühsommer 2018 fertig war, dauerte es eben noch fast mehr als ein Jahr bis zur Veröffentlichung. "Eine ganz einfache Sache, wir sind Amateure. Wir haben den Anspruch von professionellem Arbeiten, aber sind an unsere Grenzen gekommen. Nachdem die Aufnahmen letztes Jahr im Juni abgeschlossen waren, stellten wir fest, dass das ganze Edititieren und Mischen Unsummen verschlingen würde. Also haben wir beschlossen, der Winnie übernimmt die Sache selber. Jetzt kannst du erzählen, was du drei Monate gemacht hast", übergibt der Frontmann das Wort an seinen Gitarristen. "Das Problem war, dass die Aufnahmen, die wir gehabt haben mit einer anderen Software gemacht waren als ich besaß. Und in unserem Umfeld und Bekanntenkreis hat die auch keiner gehabt. Früher war es einfacher, die erste Scheibe war in zwei Wochen fertig." Elmex ergänzt: "Das waren 16 Spuren auf einer Bandmaschine, schön analog aufgenommen. Und mittlerweile ist es so, du nimmst sehr viel Zeugs auf, was du letztendlich gar nicht brauchst. Aber beim Editieren musst du das aussortieren. Das ist der pure Wahnsinn und er (Winnie) ist wahnsinnig geworden. Für mich war im Dezember letzten Jahres eigentlich klar, das wird eh nichts, das lassen wir bleiben. Ich hatte echt die Schnauze voll. Da waren vier Monate vergangen und es ging nichts voran." Hilfe bekamen sie dann Anfang dieses Jahres von Jannik Tony aus Vöhringen, der gerade eine Ausbildung zum Toningeneur machte, und das Album dann letztendlich abmischte. "Editiert hat es dann aber doch der Winnie. Denn von der Software, die wir benötigt haben, gab es eine Demoversion für 30 Euro im Monat, von der wir nichts gewusst haben. Von da an war dann auch wieder alles cool und wir hatten voll Bock. Das war dann im Februar, März. Wir haben dann mit Jürgen Schlachter telefoniert, der uns die Scheibe gemastert hat. Der fing dann auch Feuer und fand das Zeugs ganz cool und hat uns das Presswerk in Augsburg vermittelt. Wir sind dann auf unseren alten Lablechef Bernd Gruber von Rockport Records zugegangen und innerhalb von zweieinhalb Stunden stand der Deal. Der gute Mann ist inzwischen 72 und das ist die letzte Platte, die er macht. Aber er macht "Tiefenrausch" auch noch", gibt Elmex gleich noch einen Ausblick auf ein weiteres TAUCHER-Album, und relativiert die Sache auch gleich wieder: "Aber nur wenn wir es bis nächstes Jahr um die Zeit schaffen schwarze Zahlen zu schreiben, und das wird schwer genug. Wir haben uns ja am Schluss auch nicht mehr lumpen lassen. Es wird eine 180 g Vinyl Ausgabe geben und wir machen einen Digipak. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte man den Digipak noch viermal aufklappen können. Ich finde die Platte, wie sie jetzt ist, geil und stelle sie mir voller Stolz ins Regal. Bei der nächsten können wir dann vielleicht noch einen draufsetzen. Und wenn nächstes Jahr die schwarze Null steht, dann können wir uns auch näher damit beschäftigen."

Das erste Stück auf dem gerade erschienenen neuen Werk 'Unsterblich' ist dem verstorbenen Schlagzeuger Harry gewidmet: "Da muss ich dazu sagen, der Text ist nicht von uns. Der stammt von Tom Vuk, dem Schlagzeuger von BELLYBUTTON & THE KNOCKWELLS, gute Freunde von uns, mit denen wir früher immer mal wieder zusammengespielt haben. Der Tom hat eine Platte mit deutschsprachigen Chansons gemacht, da war dieses 'Unsterblich' mit dabei. Ich habe ja eine Radiosendung bei Free FM, wo ich nur deutschsprachige Musik spiele. Und da war Tom mal mit seiner Wandergitarre zu Gast um sein Album vorzustellen. Und das erste Stück, das er spielte, war 'Unsterblich'. Und ohne Lügen, ich hatte innerhalb von einer Minute Gänsehaut und Tränen in den Augen. Den BELLYBUTTONS ist es genauso gegangen wie uns. Wir haben den Harry verloren und sie den Rolf, ihren Gitarristen, der sich leider Gottes tot gesoffen hat. Und unser Harry war auf dem gleichen Weg. Mir war klar, diese Nummer muss ich spielen, die muss ich singen. Winnie weiß, was ich für Musik mag. Meine absoluten Faves sind KISS und AC/DC und auch die HELLACOPTERS, diese ganzen High Energy Rockbands. Und genau so eine Nummer machte er da draus", erzählt Elmex. Bei zwei Stücken auf "Landgang" handelt es sich quasi um Fortsetzungen alter Nummern. So ist 'Eddie & Elektra' der zweite Teil des alten Gassenhauers 'Riding On The Feldweg' und 'Wer war's' geht auf 'Ich muss aufs Klo' zurück. Elmex äußert sich wie folgt: "Früher ist man ja mit 120 mit dem Moped über den Feldweg und heute staubt man im Keller seine Elektra ab und ist ein alter Rocker mit weißem Bart. Diese Fortführung und Verbindung find ich ganz cool. Wir haben 1990 den Nerv der Jugend im Illertal einfach getroffen. Die standen auf uns, weil wir das gemacht haben, was sie gemacht hätten, wenn sie Musik gemacht hätten. Bei 'Popper der Nation' geht es um irgendwelche Idioten aus dem "Flair" [eine damalige Popperdisco in Illertissen - Anm. d. Verf.]. 1990 am Baggersee in Au gab es keinen Kassettenrecorder, wo nicht TAUCHER gelaufen sind. Und das ist geil und macht dich stolz."

Mit 'Diekönnunsnix' erweitert man das ansonsten auf Schlagzeug, Bass und Gitarre beschränkte musikalische Spektrum mit einem Bläsersatz. Der Frontmann erklärt dies wie folgt: "Das Stück stammt aus der Feder vom Alex Milano, die zweite Hälfte von POF, was ich von '92 bis '97 gemacht habe, der auch ein guter Freund von uns ist. Und der Alex hatte als Keyboarder eben diese Melodie im Kopf. Wir sind dann auf die Idee gekommen, Keyboards sind da scheiße, hier brauchen wir echte Bläser. Das Coole war dann, dass Jens Haag, bei dem wir im Studio in Pfaffenhofen aufgenommen haben, einige Leute kannte, die Blasinstrumente spielen. Da haben wir dann vier eingeladen, jeder hat ein Vesper und ein Bier bekommen, und die haben uns das dann so eingespielt. Wir wollten auf dem Album unsere musikalische Vielfalt zeigen. Wir sind nicht nur eine einfache Hauruck-Kapelle, obwohl ich das schon liebe. Wir wollten für einen gewissen Aha-Effekt sorgen und die Leute auch ein bisschen überraschen. Und ich denke, das ist uns ganz gut gelungen.“

Viele Stücke sind damals dem jugendlichen Zeitgeist entsprungen. Auf die Frage, wie er sich fühlt heute Nummern wie 'Popper der Nation' zu singen, entgegnet der Sänger: "Genauso wie damals. Ich finds immer noch geil wie die Leute auch heute noch abgehen bei 'Popper der Nation'. Aber eine Nummer gibt es schon, da haben wir heute einen Anstoß, 'Ein Karren voller Narren', weil wir keinen Zivildienst mehr machen und diesen daher auch nicht mehr im Programm haben. Aber mit den anderen Sachen kann ich auch heute noch sehr gut leben. Der 'Popper der Nation' und 'Ich steh auf dich' ist unser 'Satisfaction'." In diesem Zusammenhang muss allerdings auch ein Blick zurück gestattet sein, wo ja wie schon erwähnt nicht alles so gelaufen ist, wie es hätte laufen können. Elmex sieht die Sache hier ziemlich nüchtern: "Ich behaupte jetzt mal, es ist alles so gelaufen, wie es hätte laufen sollen. Eben gerade mit unserem Harry, der wäre wahrscheinlich noch schneller durchs Raster gefallen, wenn das wirklich abgegangen wäre. Da hätten wir damals schon einen neuen Schlagzeuger gebraucht. Wenn wir wirklich Rockstars geworden wären, wer weiß, was aus uns geworden wäre, wahnsinnige Größen, wahnsinnige Vollidioten? Es ist wie es ist und das ist ganz gut so. Der Traum ist ja immer noch da, sonst würde ich es ja nicht machen." Anbieten würde sich hierbei auch eine gemeinsame Tour mit LUSTFINGER. Mit den Münchnern befand man sich damals gemeinsam auf Konzertreise, bevor man von der Tour abgesprungen ist. Elmex hat ebenfalls schon daran gedacht: "Seit vier Wochen habe ich die Telefonnummer vom Tom Fock und werde mich mit ihm auch irgendwann in Verbindung setzen. Was natürlich der Unterschied ist zu uns: LUSTFINGER ist halt nur der Tom Fock. Der hat um sich herum ein Konstrukt gebaut. Mir gefällt die Mucke und es würde sich echt anbieten, da was zusammen zu machen. Vor allem weil die ja seiner Zeit auch auf dem Sampler "Festival der Volxmusik" waren. Und man könnte ja mal wieder eine "Volxmusik"-Tour machen. Die haben ja vor 'nem Vierteljahr 'ne Scheibe rausgebracht und wir jetzt, das wäre perfekt."

Es sind ja jetzt nicht nur DIE TAUCHER, die sich nach langer Zeit der Abstinenz wieder reformiert haben. Man kann sagen, das Illertal erwacht aus einem gewissen Dornröschenschlaf. Die Urgesteine GRAVESTONE haben ja vor kurzem erst eine umjubelte Reunion gefeiert. Und beim kommenden Gig am 5. Oktober im Riffelhof in Burgrieden wird mit STRANGER eine weitere Band auf die Bühnen zurückkehren. Der Sänger zeigt sich davon begeistert: "Ich freu mich auch, dass GRAVESTONE wieder spielt, das sind die Helden meiner Jugend. Der Matze ist ein guter Freund von mir. Wir durften auch immer, wo es ging, mit ihnen spielen. Und auch cool, dass der Gerd Salewski jetzt auch mit STRANGER was macht. CHROMING ROSE wär zwar cooler, aber das geht wohl aus verschiedenen Gründen nicht."

Rüdiger stellt dann zum Ende noch die durchaus berechtigte Frage, ob nie zur Disposition stand mal was auf Schwäbisch zu machen. "Da gibt es sogar ein Stück, den 'Mugge Blues', den wir nicht mehr spielen, der aber vielleicht wieder kommt. Aber was das Problem an dem Schwäbischen ist, das habe ich damals an SCHWOISSFUASS gesehen, auch Helden meiner Jugend: Hinter Stuttgart war da Feierabend. Und ich habe einen furchtbaren Dialekt, Englisch wäre da schon mal gar nicht gegangen. Das Hochdeutsch bring ich halbwegs hin." Traditionell überlassen wir das Schlusswort auf POWERMETAL.de unserem Interviewpartner. Und auch Elmex möchte hier ungern mit alten Traditionen brechen: "Ich möchte nach wie vor meine Oma Ruprecht Herta im Himmel grüßen. Die habe ich immer gegrüßt bei Interviews und heute mache ich das auch."

Redakteur:
Tommy Schmelz

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