DARKNESS: Listening-Session zu "Blood On Canvas"

15.04.2024 | 13:07

Was gibt es Schöneres als sonntags nach Essen zu fahren, um mit den Jungs von DARKNESS bei Bier und mit bester Laune über die neue Scheibe zu quatschen? Richtig, und so treffe ich mich voller Vorfreude mit Lacky, Lee, Dominik und Co., die mit "Blood On Canvas" einen brandneuen Appetithappen am Start haben. Natürlich kommt es auch zum ausführlichen Interview mit der Thrash-Metal-Legende, das wir euch an einer anderen Stelle zum Fraß vorwerfen möchten. Hier und jetzt geht es um die neuen Songs, die neuen Abrissbirnen, die neuen Wüteriche aus dem Hause DARKNESS, die uns die Band gemeinsam mit ihrem neuen Gitarristen in ihrem Essener Proberaum vorstellt. Mit dabei eine illustre Runde an Schreiberlingen, eine lockere Atmosphäre und so manch lustiger Spruch, zumal es auch zu jedem Song eine schöne, emotionale oder witzige Anekdote gibt. Richtig, DARKNESS lässt die Tradition der intimen Listening-Sessions wieder aufleben – auch ohne, dass aus dem Nebenraum ein kleines Püppchen mit Dreirad auf uns zukommt.

Im Oktober 2018 wurde die "First Class Violence"-Bestie auf die Menschheit losgelassen und servierte uns einmal mehr allerfeinsten Thrash in bester 80er-Jahre-Manier in moderner Form. Seitdem ist nicht nur auf Mutter Erde viel passiert: Mit Ben haben die Essener einen neuen Bassisten gefunden, mit dem sie 2020 die EP "Over And Out" vorgestellt haben. In Anbetracht des Titels hätte einem schon Angst und Bange werden können, doch DARKNESS ist – Gott sei Dank – noch am Start, zielstrebiger und motivierter denn je – und hat mit Dominik Rothe (SCANNER, TASKFORCE TOXICATOR) auch einen kongenialen Ersatz für Meik gefunden, der mehr als zehn Jahre mit dabei war. An der neuen Platte war der neue Klampfer jedoch noch nicht beteiligt, sondern die wurde zu viert aufgenommen. Mit diesen Infos, einer sehr gespannten, guten Stimmung und der gewissen Vorfreude, nehmen wir uns DARKNESS-Platte Nummer sechs zur Brust. Band und Zuhörer sind gleichermaßen gespannt vom Resultat und so drückt Gitarrist Arndt, der auf dem Album auch die Lead-Gitarre eingeprügelt hat auf Play. Die ersten "Blood On Canvas"-Takte beginnen.

Montagsmorgens, der Wecker klingelt, ihr kennt das – man wacht direkt mit Wut im Bauch auf. Und so wechselt der Opener 'Wake Up In Rage' zwischen drückender Raserei und sägendem Riffing, ehe coole Gangshouts dem Refrain den letzten Schliff verpassen. Dabei darf auch zum Ende hin ein leichter MOTÖRHEAD-Moment von Sänger Lee nicht fehlen. Ein cooler, forscher Beginn.

Drummer Lacky gibt den Takt vor, ehe die Klampfen einsteigen und sich ein fetter Groove breitmacht. Danach rumort 'A Couple Of Kills' auf sehr abwechslungsreiche Art und Weise in der Magengrube, in der sich auch Frontmann Lee mit harschen Vocals sehr wohl fühlt, ehe ein Erste-Sahne-Gitarrensolo brilliert. Eher radiountauglich, wie uns DARKNESS bescheinigt. Doch genau so soll es sein!

Ein geiles Intro: Bass und Schlagzeug geben den Takt vor, die Klampfe gesellt sich dazu, schüttelt ein leider viel zu kurzes Solo aus dem Ärmel, ehe DARKNESS die Nacht der kommenden Revolte einläutet. 'Night In Turmoil' – in Anlehnung an "Athena", das Actiondrama von Romain Gavras über die sozialen Konflikte einer französischen Kleinstadt – drückt auf Teufel komm' raus und die zwischenzeitlichen Up-Tempo-Momente machen den Braten richtig fett.

Die erste Überraschung folgt mit 'Human Flesh Wasted': Zunächst wiegen uns die Thrasher in kuscheliger Sicherheit, ehe das Riffing erfolgt. Instrumental steht der Track KREATOR in nichts nach und prügelt sich unbarmherzig Richtung Solo, das einmal mehr auf halsbrecherische Art und Weise dem Wüterich den letzten Schliff verleiht. Es grenzt an genialer Raserei.

Was schon jetzt auffällt, ist der drückende, aggressive Sound, für den Cornelius Rambadt zuständig war. Zwar hat er schon die Vorgängerplatten "First Class Violence" und "Over And Out" produziert, noch in den Rambado Recording Studios einen brutalen und wütenden Klang für die neue Platte entworfen. Und da siegende Teams nicht getauscht werden sollten, hat sich die Band einmal mehr mit Timon Kokott zusammengetan, der "Blood On Canvas" ein sehr geiles Artwork verpasst hat. Weiter geht es:

Ein straighter Thrasher ist 'This And My Heart Beside' geworden, der konsequent das Gaspedal im Auge hat und pointiert und wohldosiert selbiges durchtritt. Einmal mehr zeigt Lee sehr viel Volumen in seiner Stimme, ein perfekter Song zum Headbangen, Moshen und Fäusterecken, vor allem, wenn die starken Gangshouts zum Ende hin nochmals ausgepackt werden. Der Hintergrund könnte emotionaler kaum sein, wie uns Sänger Lee verrät. Trotz des viel zu frühen Ablebens seiner Mutter hatte diese noch Zeit und Kraft, ihm jene Werte mitzugeben, die ihn bis heute prägen. Eine wundervolle Hommage an alle Mütter dieser Welt.

Es geht weiter mit einem kräftigen Zug an der Zigarette: Tief durchatmen, denn manchmal muss man einfach feststellen, dass die Wahrheit eine Hure ist. Der "Metal-Song" dieser Platte ist ein sehr verspieltes, rockiges Stück, bei dem schon früh das Klampfensolo ausgepackt wird und eine herrliche "Leck mich am Arsch"-Attitüde an den Tag legt. Ja, die braucht man manchmal, wenn sich die unbarmherzige Wahrheit meldet. Die Wahrheit für 'Truth Is A Whore'? Straight, rotzig und zum Ende hin kalt wie eine Hundeschnauze. "Die Wahrheit ist nur die Summe von Lügen, auf die wir uns einigen", die Stelle geht runter wie Öl.

'Defcon Four' läutet das letzte Songdrittel rasant und furios ein: DARKNESS tritt mit voller Wucht besagtes Gaspedal durch und hält durch die Bank weg dieses angriffslustige Tempo. Mit dreieinhalb Minuten der kürzeste und genau deshalb der schnellste Track auf "Blood On Canvas", der es bei mehrmaligem Durchgang faustdick hinter den Ohren hat.

Die Wurzeln des Widerstands haben ein Riffing am Start, das sich so hartnäckig und penetrant durch die Gehörwände bohrt, ehe wieder das Up-Tempo das Heft in die Hand nimmt. DARKNESS zersägt in den Strophen von 'Roots Of Resistance' alles, was sich anbahnt. Mit starken Shouts und Passagen, die an Tom und SODOM erinnern, steht der vorletzte Track stellvertretend für die widerstandsfähige Stärke der Scheibe.

Abschließend haben Lee und Co. mit dem Titeltrack noch einmal ein richtiges Sahneschnittchen am Start, das mit über acht Minuten auch die bisherige DARKNESS-Schallmauer durchbricht: ein ruhiger, akustischer Bass-Beginn, wunderbar zum Eintauchen, und gemeinsam mit der Gitarre erzeugen die ersten anderthalb Minuten eine recht besonnene Atmosphäre, ehe sich der Urschrei ankündigt und mit zunehmender Spielzeit in herrlichste Raserei abdriftet. Wer sämtliche Stärken der Essener in unter 10 Minuten hören will, muss zu 'Blood On Canvas' – auch liebevoll das 'Keeper Of The Seven Keys' auf Thrash genannt – greifen: fette Groove-Momente, feinste Abriss-Sequenzen, doch auch melodische Momente erzeugen eine wunderbare Abwechslung und drücken der gleichnamigen Scheibe zum Ende hin noch einmal einen aussagekräftigen Stempel auf.

Fazit: "Blood On Canvas" kann was! Dieses Rundum-sorglos-Paket aus dem Hause DARKNESS liefert alles, was dem Thrasher von Welt auf der Seele liegt: thrashiger Facettenreichtum, jede Menge Druck auf dem Köcher, teils explosive Sequenzen und diese gewisse Kaltschnäuzigkeit, die ich speziell bei Bands aus dem Ruhrgebiet so liebe und schätze. Definitiv ist "Blood On Canvas" die bis dato abwechslungsreichste Scheibe der Jungs geworden und ob sie auch die beste wird, darf der Zahn der Zeit entscheiden. Im Hier und Jetzt jedenfalls bockt das sechste DARKNESS-Album durch die Bank weg und macht Appetit auf künftige Live-Abrisspartys.


Fotocredits: Henriette Tressin

Redakteur:
Marcel Rapp

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