CRIPPER: Interview mit Britta, Bass-T, Jonathan, Christian

12.12.2008 | 14:46

Über Jean Tré an der Hobbytheke, Limbo auf der Bühne, lästige Interviews, die Evolution des Kurz-haarigen-Kutten-Metallers und hoffnungslose Bands wie METALLICA. Ein kurzweiliges Interview mit CRIPPER.

Hannover ist eine Stadt voller Freaks. Möchte man meinen, wenn man sich die chaotisch-sympathischen Thrash Metaller von CRIPPER aus der niedersächsischen Metropole so anhört. Die junge Combo um Frontfrau Britta Görtz haben zuerst im Jahr 2007 und dann in fast gleicher Konstellation 2008 mit ihrem Album "Freak Inside" bewiesen, dass sie verstanden haben, wie man verdammt knalligen Thrash Metal auf die Bühne bringt. Nach einer ebenso erfolgreichen wie witzigen Tour und einer kurzen Erholungsphase fanden die mittlerweile doch recht eingespannten Musiker Zeit, sich unseren Fragen zu stellen. Namentlich sind das oben genannte Britta Görtz (Gesang), Bastian "Bass-T" Helwig (na, was wohl?), Jonathan "Mad" Stenger (Gitarre) und Christian Bröhenhorst (Gitarre und Backing Vocals).

Auf Tour mit Jean Tré

"Yeah, die Tour war der Hammer!" eröffnet Bass-T den Interviewreigen und setzt hinterher, "mit HATRED und LOST WORLD ORDER zusammen zu spielen ist immer ein Highlight, vor allem die Aftershow-Parties rocken. Dieses Mal haben wir uns ein Intro-Battle geliefert. Jede Band musste jeden Gig ein neues Intro präsentieren. Die Aufgabe war, sich in Absurdität und Witz zu überbieten. So haben auch die Konzertbesucher immer was Einzigartiges mit nach Hause genommen." Und wenn man sich die Kommentare und Gästebucheinträge auf der Homepage von CRIPPER so anschaut, kam das Besondere dieser Konzerte wohl zu hundert Prozent beim Publikum an. Jonathan ergänzt noch: "Ja, war schon sehr fetzig bisher. Vor allem die Videoklamaukereien mit Jean Tré, Nancy & Mike zeugen von einer gehörigen Portion Absurdität hinter der Bühne. Aber der Limbowettbewerb in Salzgitter toppt noch mal alles!" Wer sich von dem kreativen Potenzial der Teilnehmer der Triple Thrash Tour überzeugen will, kann und soll, nein, muss das im Videoblog der Tour tun. Ein paar herzliche Lacher garantiert!

NANA, PAPA BEAR und PUR???

Da CRIPPER doch einen recht old-schooligen und rumpelnden Sound fahren, erwartet man auf die Frage, wo denn die musikalischen Wurzeln der einzelnen Mitglieder liegen Antworten wie: "Mit 3 zum ersten Mal SLAYER gehört" oder "von James Hetfield aufgezogen" oder "zur Taufe TESTAMENT gespielt". Umso überraschender die etwas arg realistische Beichte von Bass-T: "Uhh, das ist bei mir ein ganz finsteres Kapitel. Ich habe früher mal NANA und PAPA BEAR gehört, aber das war mir dann zu unecht und bin dann zu PUR gewechselt. Dann kam zum Glück der Metal und hat mein Leben revolutioniert!" Na, wenn diese Einflüsse mal nicht zu hören sind auf der aktuellen Platte "Freak Inside".

Jonathan geht da ein wenig mehr ins Detail und überrascht mindestens in der Abfolge. Oder ist es etwa nicht ungewöhnlich, von HENDRIX erst über die Bravo Hits zum Metal zu kommen? "Chronologisch geordnet wären das: SCHLÜMPFE > AC/DC > DIRE STRAITS > BLUES BROTHERS > JIMI HENDRIX > Bravo Hits > NIRVANA > CLAWFINGER > RAGE AGAINST THE MACHINE > METALLICA > Metal! Mittlerweile schlägt mein Herz hauptsächlich für Thrash und Death Metal. Viel Bay-Area-Thrash, aber ruhig auch schon mal moderneres Zeug wie THE HAUNTED. Daneben nach wie vor viel Hard, Sixties und Stoner Rock. Bandtechnisch haben wir (damals noch Christian und ich alleine) mit einer Schnittmenge aus melodischen Göteborg-Klängen und Ami-Thrash-Riffs angefangen. Mittlerweile überwiegt das Geballer ein wenig, dennoch ist unsere gemeinsame Marschrichtung immer noch ein Gebräu aus Old-School-Geholper, Schweden-Tod und Prog-Geleier. Oder so ähnlich..." Hörenswert ist dieses Potpourri auf jeden Fall.

Dass Britta eher von der klassischen Metal-Richtung geprägt wurde, hört man den harschen Tönen, die sie so von sich gibt, eher nicht an. "Mein großer Bruder ist an allem schuld", erklärt die hübsche Frontröhre. "Er ist zehn Jahre älter als ich und hat mich schon von klein auf mit IRON MAIDEN und AC/DC bekannt gemacht. Nach ein paar früh-pubertären Ausflügen bin ich zwar nicht durchgängig beim Metal, aber doch zumindest immer bei extremen oder auch experimentellen Musikrichtungen gelandet." Als letzter im Bunde fasst Christian das bisher gesagte auf interessant-abstrakte Weise zusammen: "Fast so lang ich denken kann gibt's satt aufe Ohren. Viel Geknöter, Gekessl und Geschaller. Ab und an etwas Gesalla und Gefusel. Das ist mein Lieblings-Gericht."

Jobangebot: "Killer Escort Service"

Eine Tour, der Griff nach den Sternen, folgende Frage muss einer jungen, aufstrebenden Band einfach gestellt werden: Hat sich euer (Band-)Leben seit der ersten Veröffentlichung "Killer Escort Service" verändert? Wenn ja, inwiefern? "Kaum noch Zeit, ständig diese lästigen Interviews", kontert Jonathan. "Natürlich hat sich unser aller Leben ziemlich gewandelt. Die Band steht immer im Vordergrund und so bleibt beruflich und privat oft 'ne Menge auf der Strecke, weil man entweder tourt, Songs schreibt oder Promo veranstaltet. Dazu natürlich noch der ganze Management-Kram. Vom Merchandise und dem dazugehörigen Artwork-Krempel mal abgesehen. Aber das ist es allemal wert! Ich hoffe, da geht noch was!" Puh, Fettnäpfchen mit Bravour gemeistert.

Im wunderbaren Jahr 1985 n. C. wurden die noch recht jungen HELLOWEEN gefragt, ob sie sich vorstellen können, irgendwann das Hobby zum Beruf zu machen und hauptamtlich mit der Band Geld verdienen zu können. Ein vorsichtig enthusiastischer Kai Hansen antwortete darauf: "Ja, irgendwann schon, wenn es gut läuft..." Nun, man hat gesehen, wie gut es in den folgenden Jahren lief. Wie steht die Sache bei CRIPPER? "Klar, immer her damit. Ich glaube, da würde jeder von uns mitziehen. Das wäre echt ein Traum, wenn das ginge", meint Bass-T und ist sich darin einig mit Jonathan: "Wäre schon super. Ob ich das ständige Touren durchhalten würde, ist dabei eine andere Frage, aber wegen mir könnte ich durchaus zehn Stunden am Tag Songs schreiben und Bandkram erledigen."

Britta sieht das ein wenig differenzierter: "Hmm, ich finde das ehrlich gesagt schwierig zu beantworten. Wenn man dann Songs schreiben muss, weil man ausschließlich damit seine Brötchen verdient, kann das schnell auf Kosten der Musik oder des Bandklimas gehen. Ich hab mich da letztes Jahr mal mit Matti [Kärki (Gesang) – d. Verf.] von DISMEMBER drüber unterhalten. Bei denen läuft das 50/50: Einen großen Teil des Jahres sind sie unterwegs und können in der Zeit davon leben. Den Rest des Jahres gehen aber wohl fast alle einem Job nach. So zweigleisig zu fahren, gefiele mir sehr gut. Wie es im Moment bei uns läuft ist teilweise sehr anstrengend. Wir haben alle Jobs und machen CRIPPER eigentlich nur "nebenbei". In manchen Zeiten bedeutet dieses "nebenbei" allerdings mehrere Stunden Einsatz täglich. Insofern wäre es toll, wenn man zumindest Teile des Lebensunterhalts mit der Band bestreiten könnte." Auf gewohnt ungewohnte Art ergänzt Christian das Gesagte, wenn auch ein wenig kryptisch: "Wenn sich vom Rockstargehalt auch noch ein Ghostwriter finanzieren ließe: gerne! Dann gäb's auch keinen Zeitdruck beim Schreiben der Songs; die Bandfreaks blieben Freunde, Friede - Freude - Pustekuchen. Mit Alkoholfüllung. Und Schirmchen." Ah ja...

Die Spezies des Kurz-Haar-Kuttenträger-Metallers

Gerade wegen den klassischen Wurzeln, die den CRIPPER-Sound-Salat ausmachen, ist es interessant, welche metallischen Sub-Arten von Fans sich vor der Bühne bei einem Konzert der Hannoveraner tummeln: eher kultige Kuttenträger oder kurzhaarige Extrem-Metaller? Bass-T geht der Sache mit der gewissen biologisch-wissenschaftlichen Nase auf den Grund: "Das ist schwer zu sagen. Beide Arten findet man in ihrem gewohnten Lebensraum vor der Bühne. Die Kuttenträger sowie die Rasse der Blond-Langhaarigen und der Dunkel-Langhaarigen führen dort des Öfteren ihre Kopfschütteltänze aus. Kurzhaarige Modern-Metaller nutzen die Beschallung meistens für Machtkampf-Rituale, die an engem, rhythmischem Zusammendrängen zu erkennen sind. Wobei es auch einige Exemplare gibt, die vor der Bühne ihre berühmten Paarungs-Tänze aufführen. Dabei bewegen sie sich meist kreisförmig und versuchen den Vordermann nach vorne zu schubsen. Diese Tänze scheinen auch von Erfolg zu tragen, da immer mehr Kreuzungen zwischen diesen Rassen beobachtet wurden. Kurzhaarige Kutten-Metaller. Zu meiner Freude darf ich mitteilen, dass diese mittlerweile sowohl hell- als auch dunkelhaarig gesichtet wurden." Vielen Dank für die erhellenden und Nobel-Preis-verdächtigen Ausführung, Professor Mr. Bass-T.

Revival des Thrash Metals

Der Erfolg, den CRIPPER im Moment unbestreitbar genießen, hängt nicht zuletzt mit einem gewissen Revival des Thrash Metals zusammen, der gegenwärtig festzustellen ist. "Viele alte Haudegen kommen wieder zurück und mähen alles um (TESTAMENT, EXODUS, DEATH ANGEL)", stimmt auch Jonathan dieser Beobachtung zu. "Auf der anderen Seite gibt es viele frische Kapellen, die den guten alten Klängen frönen und eine Prise Innovation beisteuern. Selbst hoffnungslose Fälle wie METALLICA besinnen sich wieder auf den alten Scheiß! Und der Mainstream kriegt auch immer mehr Breitseite durch thrashig angehauchte Bubis wie BULLET FOR MY VALENTINE und TRIVIUM. Ich würde sagen, wir sind genau am richtigen Punkt und hoffentlich auch Teil dieses Revivals."

Clowns, Freaks und neue Platten

Der Platten-Titel "Freak Inside" schreit ja geradezu nach einer genaueren Betrachtung. Britta tut uns den Gefallen und bringt ein wenig Licht ins Dunkel des thematischen Hintergrunds der aktuellen Platte: "Textlich dreht es sich auf dem Freak eigentlich durchweg um persönliche Erfahrungen und Aspekte mitten aus dem Leben gegriffen. Häufig auch um den Freak, der irgendwie in uns allen steckt. So fasst die Textzeile aus dem Song 'Break Out' "Can't control the freak inside" das Album eigentlich ganz gut zusammen. Dabei geht es weniger um Ausrasten oder Durchdrehen, sondern vielmehr darum, dass man auf gewisse Bereiche der eigenen Persönlichkeit eben keinen Einfluss hat."

Zum Thema Ausrasten passt ja ganz gut die Frage nach dem nächsten Album. Thematisch wird noch nichts verraten, aber musikalisch wird wohl so einiges geboten, wie Bass-T erklärt: "Das nächste Album wird nächstes Jahr über euch hinwegrollen. Wir sind gerade beim Songwriting und fast fertig damit. Es wird wesentlich vielseitiger als das letzte Album, aber auch härter und schneller. Manche der neuen Songs treiben uns alle an unsere Grenzen und das ist ein gutes Zeichen, denn es zeigt uns, dass wir uns nicht wiederholen. Im Sommer werden wir dann das neue Album auf die Festivalbesucher loslassen und zusammen mit ihnen feiern!" Also wird das Jahr 2009 wohl das nächste fette Glied in der CRIPPER-Erfolgskette. Wer sich fragt, wo er denn das neue Album der Thrasher zu hören bekommen kann: Bis jetzt ist lediglich das Mosh It Up-Festival im April in Aachen bestätigt.

Sabina Doro Görtz und das Leben im Web 2.0

Obwohl es schon seit den Achtzigern Grand Dames im Metal gibt (um nur zwei zu nennen: Uns-DORO oder Sabina Classen von HOLY MOSES) scheint es mir so, dass immer mehr Frauen ans Tageslicht der metallischen Ursuppe drängen. Doch Bass-T stimmt dem nicht völlig überein: "Solche Bands mit einer Frontfrau gab es schon die ganze Zeit, man musste nur danach suchen. Allein bei Myspace gibt es unheimlich viele, die auch schon seit längerer Zeit existieren. Es kommt einem nur so vor, dass sich etwas ändert, weil es immer mehr zum öffentlichen Interesse kommt. Und das ist gut so!" Dem kann man nur zustimmen.

Eine andere Entwicklung ist, dass sich die neuen Medien immer stärker durchsetzen. Auch die Jungs von CRIPPER können sich mit den Vorteilen von Onlinemagazinen anfreunden: "Ich find's super, weil man so schnell und viel über seine Lieblingsbands herausfinden kann. Bei Magazinen ist es ja immer so, dass man immer drauf wartet, dass sie was dazu schreiben und dann verpasst man auch noch 'ne Ausgabe und kommt nicht mehr an die Artikel ran. Online kann man einfach im Archiv schauen und fertig", führt Bass-T aus. Christian vermisst bei den Onlinern lediglich die Praxis-Kompatibilität: "An Aktualität haben die Onliner natürlich klar den Riechkolben vorn. Außerdem sind die Möglichkeiten der Interaktion für die Leserschaft womöglich interessanter: Kann man doch flugs seine Kommentare in (Foren-) Diskussionen beisteuern, während man im Printbereich "nur" eine umständlichere Auseinandersetzung per Leserbriefe führen müsste. Dennoch würde ich die gedruckten Metal-Hefte vermissen. Wo? Auf dem Scheißhaus, in der Bahn und beim Frauenarzt."

"Der Weihnachtsmann im Yeti-Land" oder "wie Lemmy mein Onkel wurde"

Angesichts der weihnachtlichen Zeit muss ich die bösen Herren und die einzige Dame im Korb doch direkt mit dem Weihnachtsmann und seinem Wunschzettel konfrontieren, was zu folgenden - sagen wir mal unterschiedlichen - Reaktionen führt. Doch lest selbst: Bass-T notiert fleißig auf dem imaginären Wunschzettel an den roten Mann mit dem weißen Bart: "Also ich wünsche mir eine ausgedehnte Welttour mit einem großen Metalact. Ich bin auch das ganze Jahr über ganz lieb gewesen". Britta wendet sich mit den Worten "Weihnachtsmann? Ich muss weg!" fluchtartig zur Tür, während Christian die ganze Angelegenheit eher abgeklärt und trocken kommentiert: "Yetis liegen mir eher." Ob die allerdings auf Wünsche hören, bleibt fraglich.

Jonathan liebt es da ein wenig handfester und meint grinsend: "Eine Welttour wäre klasse. Außerdem wieder ein paar große Festivals wären auch geil. Und natürlich, dass die neue Scheibe alles wegbläst und tausendfach verkauft wird!" Auf die Frage, ob es bald eine CRIPPER-Version von 'Oh du fröhliche' geben wird, kommt die Antwort von Jonathan prompt: "Oh du Fröhliche stinkt!" – Okay, da gab es in der Vergangenheit wohl tendenziell ungute Erfahrungen. Bass-T erklärt: "Naja, sowas haben wir schon mal gemacht und zwar für einen X-Mas-Sampler. Wir haben 'We Three Kings' (im Original von Reverend John Henry Hopkins aus dem Jahr 1857) gecovert. Diesen Song kann man auch bei uns auf der Website umsonst downloaden." Diese Version des ursprünglich besinnlichen Songs ist allein schon wegen dem Intro absolut hörenswert.

Zum Schluss dieses Interviews habe ich den sympathischen Haufen gebeten, noch folgende Sätze zu vervollständigen: Metal ist... ein anstrengendes Thema, wenn man sich selbst zu ernst nimmt. Blumen finde ich... romantisch. Und Romantik ist Krieg. Forderung zum Duell oder Angebot zur Versöhnung? Solange ich keinen Lederhandschuh dabei hab, bin ich erstmal für Versöhnung. Ich mag Freaks, weil... es schon genug angepasstes Volk gibt. Römms. Sind wir heute aber gesellschaftskritisch. Mein Lieblings-Metal-Onkel wäre... Lemmy James Wyldo.

Und so geht wiederum ein kurzweiliges Interview zu Ende. Wer CRIPPER noch nicht auf dem Plan hatte, aber auf coolen Thrash Metal mit uneingeschränkter Live-Tauglichkeit steht, ist quasi verpflichtet, mal reinzuhören. Check it out. In diesem Sinne: Fröhliche Weihnachten mit möglichst vielen Yetis unter dem mit Blumen behängten Weihnachtsbaum!

Redakteur:
Julian Rohrer

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