BORKNAGAR: Interview mit Øystein G. Brun

01.01.1970 | 01:00

Kaum steht das neue BORKNAGAR-Album "Epic" in den Regalen, schon klingelt Mastermind Øystein G. Brun aus Norwegen bei mir durch. Der gesprächige Gitarrist erzählt mir mehr über das Bombastwerk, die Line-up-Wechsel und ein paar Konzertausfälle.

Carsten:
Hi, wie geht's?

Øystein:
Gut, danke. Und selbst?

Carsten:
Mir auch, danke. Hast du heute viele Interviews zu geben?

Øystein:
Heute sind es eigentlich nur zwei Interviews, es ist also nicht so viel.

Carsten:
Okay, dann lass uns mal loslegen. Zwei Mitglieder haben BORKNAGAR verlassen. Erzähl mir bitte mehr darüber.

Øystein:
Der erste, der die Band verlassen hat, war Jens, der zweite Gitarrist. Das war hauptsächlich wegen unterschiedlicher Ideen und Wünsche, die wir in der Musik und in der Band hatten. Er wollte mehr Liveshows und Tourneen spielen und stand sehr dahinter. Ich bin mehr der Typ, der im Studio sitzen will, um Alben aufzunehmen und Musik zu machen. So hatten wir einfach den Punkt, an dem wir realisierten, dass wir verschiedene Ideen vom Musikmachen haben oder davon, worum es wirklich geht. Wir haben uns dann getrennt, ehe es zu Diskussionen kam. Wir sind aber immer noch gute Freunde. Es gibt also keine Probleme, wir hatten nur verschiedene Ideen und so.

Carsten:
Und euer Schlagzeuger Asgeir hat ja auf dem den neuen Album den Bass übernommen.

Øystein:
Ja, weil Tyr, unser Bassist, einige Probleme zu lösen hatte. Persönliche Streitfragen, die er selbst in den Griff bekommen wollte. Letztes Jahr im Juli war er wegen all dieser Problemen nicht mehr in der Lage, Bass zu spielen. Wir sagten, wir geben ihm mehr Zeit, was wir auch getan haben. Das Album musste letztlich ein halbes Jahr warten. Wir setzten ihm eine Art Deadline für Januar dieses Jahres. Da mussten der Bass und das Album eingespielt werden. Unglücklicher Weise war er nicht in der Lage, das in dieser Zeit zu tun. Also mussten wir ihn ausschließen. Ich meine, wir sind keine zynische Band, die Leute einfach raushält. Aber wir gaben ihm ein halbes Jahr, um seine Streitfragen zu lösen und haben die ganze Albumproduktion für ein halbes Jahr gestoppt. Ich mein, wir machen diese Band professionell und müssen weitergehen, also mussten wir ihm diese Deadline an diesem Punkt setzen. Ja, dann spielte Asgeir den Bass ein, und so sieht's aus.

Carsten:
Ein anderer Punkt im vergangenen Jahr betraf einige abgesagte Konzerte. Beispielsweise das "Summer Breeze" in Deutschland vergangenen Sommer, wo sowohl BORKNAGAR als auch VINTERSORG gecancelt wurden. Was ist passiert?

Øystein:
Ich weiß nicht, was mit Vintersorg war, er hatte wohl ein paar Probleme. Für uns war es die Streitfrage, ob wir jetzt ins Studio gehen oder lange, lange Zeit zu warten. Wir mussten ins Studio gehen oder diese Liveshows spielen. Wir waren nicht in der Lage, beides zu tun. Die ganze Sache lag so, dass wir Prioritäten setzen mussten. Dummerweise mussten wir ein paar Gigs canceln, aber das war zu dieser Zeit die einzige Lösung für uns.

Carsten:
So konntet ihr mehr Zeit im Studio verbringen. Hatte das Einfluss auf das neue Album?

Øystein:
Ja, ich meine, diesmal waren wir hauptsächlich drei oder vier Monate im Studio, aber durch die Geschichte mit unserem Bassisten Tyr hätte das Ganze auf ein Jahr hinauslaufen können. Aber auf der positiven Seite war es natürlich cool und entspannend, über so eine lange Zeit aufnehmen zu können. Du hast die Zeit, über Dinge nachzudenken, sie noch einmal zu machen und zu ändern. Alles in allem war es sehr inspirierend, du hattest keine Probleme am Ende des Tages und es war eine sehr gute Aufnahmesession.

Carsten:
Ich würde sagen, dass "Epic" auf der einen Seite härter und extremer ausgefallen ist als der Vorgänger "Empiricism", aber auf der anderen Seite ist es auch sehr melodisch. Würdest du mir zustimmen oder wie würdest du "Epic" beschreiben?

Øystein:
Ja, das war eine der grundlegenden Ideen dieses Albums, dass wir mehr von allem wollten. Wir wollten mehr ausgedehnten musikalischen Ausdruck. Das war exakt die Idee, die ich hatte, als ich an dem Album arbeitete. Ich wollte auf der einen Seite viel mehr brutale und schnellere Songs als zuvor haben, aber auf der anderen Seite auch mehr atmosphärische Songs. Ich denke, das ist die große Veränderung zum vorigen Album, dass wir wirklich einen ausgedehnteren Ausdruck haben. Du hast alles, auch viel Mystisches.

Carsten:
Ich finde, Vintersorg schreit mehr, andererseits spielt Lars aber auch mehr Keyboards.

Øystein:
(lacht) Ja, sicher, das ist die Organisation, das ist die Balance zwischen allem auf diesem Album. Es war auch die Intention, dieses Album etwas länger zu machen. Wir haben ja zwölf Songs und das Album geht fast eine Stunde. Das ganze Album hat epische Specials, es ist sehr lang, es geht rauf und runter, hat viele Kontraste und Mystisches. Es passieren so viele Dinge. Es ist genau das, was ich haben wollte. Auf der anderen Seite ist es aber auch absolut nicht kommerziell, so wie vielleicht das vorige "Empiricism". Ich meine, das neue Album "Epic" musst du dir drei, vier oder fünf Mal anhören, bevor du es ganz verstehst. Aus musikalischer Sicht ist das natürlich cool, ich finde, es hat eine hohe Qualität.

Carsten:
Können wir das eigentlich noch Black Metal nennen oder wie würdest du den BORKNAGAR-Stil bezeichnen?

Øystein:
Ich denke, dass wir nie wirklich Black Metal gespielt haben. Natürlich haben wir ein paar Black-Metal-Einflüsse. Ich meine keine lyrischen Einflüsse, sondern nur musikalische. Aber ich wollte schon immer Musik machen, die außerhalb von Black Metal oder Death Metal steht. Ich versuche etwas zu machen, um mich und die Musik davon zu distanzieren. Wir nutzen viele Einflüsse von allen Musikstilen und kreieren unseren eigenen Sound. Aber wenn ich es irgendwie einordnen soll, würde ich es extremen Epic Metal mit ein paar progressiven Einflüssen nennen oder so ähnlich.

Carsten:
Wie läuft das eigentlich, wenn ihr neue Songs kreiert und wie groß ist der Anteil von jedem?

Øystein:
Ich mache immer noch grundsätzlich die ganze Musik, also das Songwriting und die Arrangements. Üblicherweise arbeite ich in meinem Heimstudio und schreibe für ein paar Monate Songs. Dann schicke ich sie den anderen und wir kommen mehr und mehr zusammen und arbeiten daran. Die Songs zu schreiben, dauert für mich vielleicht drei Monate, die Songs mit den anderen zu erarbeiten ein halbes Jahr. Aber der Prozess, die Songs zu arrangieren, was sehr wichtig für die Entstehung eines Albums ist, umfasst natürlich alle Bandmitglieder. Vintersorg kümmert sich um die vocal lines und all diese Sachen, Lars macht die Synthesizer, und Asgeir natürlich das Schlagzeug und den Bass. Ich finde, das finale Produkt, das endgültige Album, ist definitiv das Resultat einer Teamarbeit. Selbst wenn ich der Typ bin, der die grundlegende Kopfarbeit macht. (schmunzelt)

Carsten:
Lebt ihr Vier immer noch in verschiedenen Orten in Norwegen und Schweden?

Øystein:
Ja, ich wohne in Bergen, und Lars und Asgeir leben in Oslo. Und Vintersorg lebt im nördlichen Schweden. Es ist also wirklich einiges an Distanz zwischen uns. Aber das ist eigentlich kein großes Problem. Denn wir haben Internet, wir können Mails verschicken und diese Sachen, es ist also wirklich kein Problem.

Carsten:
Wer hatte eigentlich für den Song 'Relate [Dialogue]' die Idee mit diesen Dschingis-Khan-ähnlichen "Hu! Ha!"-Rufen?

Øystein:
(lacht) Das ist eine lustige Geschichte. Ich erinnere mich, als Vintersorg diesen Song für die Pre-Production einsang, machte er aus Spaß einfach diese "He! Hau!"-Laute. Wir dachten "irgenwie cool". Aber doch nicht so cool, dass wir es benutzen würden. Aber als wir ins Studio kamen und an den vocal lines und den Gitarren arbeiteten, dachten wir: "Fuck! Irgendetwas fehlt hier." Wir mussten diese Stelle also irgendwie einsingen. Und ich glaube, Asgeir, Lars und Børge (Finstad, Produzent) konnten sich vor Lachen kaum halten.

Carsten:
Hat sich lustig angehört. Kannst du mir auch mehr über die Texte erzählen?

Øystein:
Ja, was kann ich sagen... Generell gesprochen, ist es die selbe Art, die wir schon zuvor gemacht haben. Wir haben keine revolutionären Nachrichten, die wir den Leuten irgendwie predigen. Es geht kontinuierlich um diese epischen Geschichten über die Natur, die vier Elemente und all diese Sachen. Und natürlich ist auf diesem neuen Album sehr viel Philosophisches, wie ich meine. Es ist sehr philosophisch in einigen Textstellen. Es ist sehr auf existenzielle Fragen und solche Dinge fokussiert. Der zweiten Song beispielsweise, 'Traveller', handelt von Philosophie im Generellen, die Art zu Denken und so etwas. Wir nutzen die Natur und ihre Kräfte für Szenarien und eine expressive Art, uns auszudrücken.

Carsten:
Und wofür steht der Albumtitel "Epic" im Speziellen?

Øystein:
Ich denke, es ist der einleuchtendste Titel, den wir je hatten. Es steckt nichts Magisches dahinter, wirklich. Es steht einfach perfekt für das Album. Das Album selbst ist lang, es ist fast wie ein Märchen. Es ist einfach ein Gefühl, ich finde es sehr episch. Es war für uns also sehr natürlich, es wirklich "Epic" zu nennen. Wir hatten auch viele andere Ideen. Wir hatten ein Brainstorming und Ideen von uns allen. Viele coole Ideen, aber schließlich hat keine so richtig für das Ganze gepasst, ebenso wenig wie einer der Songtitel. Dann kam jemand mit "Epic". Und ich denke, das trifft das ganze Album, die ganze Präsenz von mystischen Texten und alles. Und das lange Album geht ja auch fast sechzig Minuten, darin steckt schon Episches.

Carsten:
Was ist denn dein Lieblingssong auf "Epic"?

Øystein:
Das ist schwer zu sagen. Alle Songs haben Qualitäten und Persönliches, was ich mag. 'Future Reminiscence' ist ein cooler Song. Ich mag auch den letzten Song, ich mag 'Relate'... Ich mag sie alle, wirklich. (schmunzelt)

Carsten:
Dann lass uns mal einen Blick in die Zukunft werfen. Werdet ihr auf Festivals spielen oder auf Tour gehen?

Øystein:
Wir halten uns momentan mit solchen Sachen etwas zurück. Im Moment sind wir mehr eine im Studio arbeitende Band. Ich meine, wir werden definitiv in Zukunft Liveshows spielen, vielleicht nächstes Jahr. Aber zunächst brauchen wir ja einen Session-Gitarristen und auch einen Bassisten. Wir werden sehen. Jetzt haben wir ja viel Musik und viele Projekte zu laufen. Ich habe ein Projekt nebenbei, und die anderen sind auch in verschiedenen Musikrichtungen involviert. Zur Zeit ist es einfach schön, ein bisschen zu relaxen und einfach an Musik zu arbeiten, Musik zu machen. Wir werden sehen.

Carsten:
Ich hoffe, euch bald mal wieder live zu sehen. Das letzte Mal war 1998 in Frankfurt, mit CRADLE OF FILTH und NAPALM DEATH. Vortex (inzwischen Bassist und Background-Sänger bei DIMMU BORGIR) hat damals noch bei euch gesungen. By the way: Stehst du noch in Kontakt mit ihm und den anderen ehemaligen Mitgliedern?

Øystein:
Ja, von Zeit zu Zeit habe ich Kontakt mit Vortex. Er ruft mich von Zeit zu Zeit an und ich rufe ihn an. Mit den anderen Kerlen hab ich nicht so viel Kontakt. Garm (Sänger der ersten beiden BORKNAGAR-Scheiben) treffe ich ab und zu in Oslo, aber das ist alles. Natürlich stehe ich noch mit Jens, dem zweiten Gitarristen vom "Empiricism"-Album, in direktem Kontakt, denn er ist der Onkel meines Kindes. (lacht) Eine Art Familienbeziehung. Aber mit den anderen bin ich nicht wirklich in Kontakt.

Carsten:
Wo wir gerade bei ehemaligen Mitgliedern sind: Denkst du, BORKNAGAR wird ewig eine Band mit ständig wechselndem Line-up sein?

Øystein:
Ich weiß es nicht, es sieht irgendwie so aus. Aber das Zentrum der Band besteht ja nun seit ein paar Jahren und wir haben einen guten Stil entwickelt. Ich denke, dass das jetzt die letzten Wechsel gewesen sein dürften. Dieses Mal sind wir viel mehr auf das Line-up fokussiert und machen keine Kompromisse. Wenn etwas in der Band getan wird, müssen alle zustimmen. Wir hoffen jedenfalls, dass das Line-up diesmal hält.

Carsten:
Gibt es noch etwas, das du zum Album oder zu den Zukunftsplänen ergänzen willst?

Øystein:
Ja, wir arbeiten an einem Video und werden in den nächsten Wochen dafür Material aufnehmen. Es ist zu dem ersten Song, 'Futur Reminiscence'. Und, hey, heut kommt das Album ja schon in Europa raus. Es wird auch als Limited Edition erscheinen, mit ein paar Tools, dem Video und etwas Dokumentation über die Aufnahmen. Wir arbeiten noch an dem Material.

Carsten:
Und willst du noch speziell euren Fans etwas sagen?

Øystein:
Checkt das neue Album und wir sehen uns definitiv irgendwann auf Tour. Nicht jetzt, aber vielleicht nächstes Jahr.

Redakteur:
Carsten Praeg

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