BEYOND FALLEN: Interview mit Joe Karavis

06.08.2007 | 14:01

BEYOND FALLEN hatten es mir schon mit ihrer letztjährigen Eigenveröffentlichung "Lost In The Shadows" angetan. Da nun der offizielle Nachfolger "Mindfire" von mindestens ebenbürtiger Qualität ist, stand ein Interview mit Metal-Shouter Joe Karavis nichts im Wege. Der sympathische Fronter beantwortete meine Fragen in absoluter Rekordzeit und brachte mich damit erstmal in Verlegenheit, da ich die Übersetzung leider nicht im gleichen Tempo abliefern konnte. Anyway, zwischenzeitlich werden einige von euch die Band auf dem HOA genossen und sich von den exzellenten Livequalitäten überzeugt haben.


Holger
Ich denke, es ist sinnvoll, wenn du unseren Lesern erst einmal erzählst, wie alles mit BEYOND FALLEN angefangen hat.

Joe:
Steve hat schon lange versucht, eine Band zusammenzustellen, schaffte es aber erstmal nicht, eine konstante Besetzung zusammenzubekommen. Zuerst fand er Chuck, den er aus einer lokalen Cover-Band kannte. Chuck wollte immer schon Heavy Metal machen, so war er sofort Feuer und Flamme. Mike hat sich dann auf eine Anzeige hin gemeldet. Es gab dann noch einen Drummer, der auf unserer ersten EP gespielt hat, aber seit wir Tom in der Band haben, hat sich nichts mehr verändert. Mit diesem Line-up haben wir dann auch "Lost In The Shadows" sowie jetzt "Mindfire" eingespielt.

Holger:
Du hast doch vorher schon mit ANGER REIGN und auch UNLEASHED POWER Erfahrungen sammeln können. Magst du davon mal etwas erzählen?

Joe:
Klar. ANGER REIGN war meine Band. Wir haben Power und Thrash gespielt. Auch wenn es die Band nicht mehr gibt, kann man unser 1990er Demo unter http://www.myspace.com/angereign antesten. UNLEASHED POWER hingegen war die in New York ansässige Band des dänischen Gitarristen Ken Jacobsen. Mit ihnen habe ich zwei Demos aufgenommen. Ken und ich sind immer noch gut befreundet. Vorher hieß die Band AVALON und hat unter diesem Namen ein bislang unveröffentlichtes Album in der Hinterhand. Das Tolle daran ist, dass das gute Ding von Flemming Rassmussen produziert wurde, und als wären das nicht genügend Parallelen zu METALLICA, kann man auf dem Werk auch noch Lars Ulrichs Drum-Techniker Flemming Larsen spielen hören. Ich glaube, UNLEASHED POWER sind momentan noch aktiv. Schaut doch mal unter http://www.unleashedpower.com/ vorbei.

Holger:
Das war ja sehr detailliert, vielen Dank. Wenden wir uns aber BEYOND FALLEN zu. Ihr habt 2003 eure erste EP veröffentlicht, über die ich hier in Deutschland aber nichts lesen konnte. Wusstet ihr nichts über den deutschen Underground?

Joe:
Es war ein langsamer Anfang, da wir alles in Eigenregie organisiert haben. Das Ganze war mehr ein Demo als eine EP, und wir bekamen erst nach und nach mit, wie der Hase läuft. Wir beschlossen, unser ganzes Augenmerk auf die nächste Veröffentlichung zu lenken und begannen unser Network aufzubauen.

Holger:
Der erste Longplayer "Lost In The Shadows" erschien im Jahr 2005, aber die Resonanzen gab es erst 2006. Warum hat das alles so lange gedauert.

Joe:
Verdammt viel Arbeit. Wir haben uns den Arsch abgespielt und alles im Alleingang organisiert. Nun haben wir ein Label im Rücken und erkennen den Unterschied. Die Promotion zum neuen Album läuft einfach viel besser.

Holger:
Wo habt ihr denn bisher die besten Reaktionen geerntet? In den USA oder in Europa?

Joe:
Wohl in Europa. Allerdings ist es uns durch die Gemeinschaft "True Metal America" endlich gelungen, weitaus mehr Metalfans in den Staaten zu erreichen. Für eine Band, wie wir es sind, ist es sehr schwer, in den USA Fuß zu fassen und in unserer Region besonders. Die lokalen Medien spielen nur Charts und haben absolut keinen Respekt vor Heavy Metal. Obendrein ist alles total korrupt hier.

Holger:
Immerhin habt ihr schon mit großen Bands wie W.A.S.P. und OVER KILL zusammen auftreten können. Wie ist es dazu gekommen?

Joe:
Unsere erste Show spielten wir als Opener für W.A.S.P. und JOEY BELLADONNA und erzielten tolle Publikumsreaktionen, so dass der Clubbesitzer uns immer häufiger als Support für größere Bands haben wollte. Die Angebote nahmen irgendwann beinahe Überhand, so dass wir einige gar absagen mussten, da unser Drummer nicht immer Zeit hatte.

Holger:
Nicht schlecht. Wenden wir uns nun endlich mal der Musik zu. Wie würdest du die Musik von BEYOND FALLEN jemandem beschreiben, der noch nie von euch gehört hat?

Joe:
Metal! Ganz simpel! Wir versuchen, unsere Songs nicht zu kompliziert zu gestalten, experimentieren aber auch ganz gern ein bisschen herum. Viele Leute, die uns zum ersten Mal gesehen haben, mochten uns sofort, was mich zu dem Schluss kommen lässt, dass ihr uns anchecken solltet, wenn ihr auf klassischen Heavy Metal mit Thrash-Elementen steht. Wir erfinden den Heavy Metal nicht neu, aber wir bieten euch unsere eigene Interpretation.

Holger:
In meinen Ohren klingen bei euch Parallelen zu den grandiosen FORBIDDEN an. Sind sie ein Einfluss auf euer Songwriting?

Joe:
Diese Band ist völlig unterbewertet, und ich mag ihre frühen Alben sehr gerne. Ich würde FORBIDDEN jetzt nicht speziell als Einfluss bezeichnen, aber die stilistische Richtung ist schon ähnlich.

Holger:
Dann lass uns doch mal etwas detaillierter über "Lost In The Shadows" reden. Du hast die ganzen Artworks für das Album allein gemacht. Für mich ist die Person auf dem Cover in dem Labyrinth seines Gewissens verloren.

Joe:
Ich wollte die Idee umsetzen, dass viele Menschen in ihren selbstgebastelten kleinen Leben gefangen sind. Sie bauen ihre Existenzen auf, heiraten, haben haufenweise Kinder, kaufen sich Autos und anderen Kram, den sie sich nicht leisten können. Es ist über Leute, die sich eine falsche Existenz zu erkaufen versuchen, in der sie dann gefangen leben.

Holger:
Hast du schon einmal Cover für andere Bands entworfen?

Joe:
Wenn ich die Zeit dazu hätte, würde ich das liebend gern machen. Ich habe ja auch die Demo-Cover meiner vorherigen Bands alle gemacht.

Holger:
Ich habe den Eindruck, dass die Texte ein wichtiger Bestandteil von BEYOND FALLEN sind. Daher muss ich jetzt fragen, warum dem Debüt kein Textblatt beigefügt war? Eine Kostenfrage?

Joe:
Gute Frage! Und du hast natürlich Recht. Wir haben "Lost In The Shadows" komplett allein finanziert, so dass uns schlussendlich die Knete ausging. Daher würde ich es toll finden, wenn das Album zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal neu veröffentlicht werden würde. Ich habe vor ein paar Jahren mit Rob Halford darüber gesprochen, warum dem ersten FIGHT-Album "War Of The Worlds" kein Textblatt beilag, und er meinte, dass er es bevorzugen würde, wenn die Hörer sich ihre eigenen Gedanken machen würden. Dieser Gesichtspunkt war also auch ein Grund für die Vorgehensweise bei unserem Debüt. Mit den Möglichkeiten des Internets kann ich mir aber auch vorstellen, die Texte demnächst mal online zu stellen.

Holger:
Das wäre natürlich auch eine Option. Ein weiterer Kritikpunkt am Erstling waren die verzerrten Vocals bei 'Concrete Lucifer'. Was hat euch denn da geritten?

Joe:
Rückblickend kann ich sagen, dass wir da wohl etwas zu viel herumexperimentiert haben. Wir hatten gehofft, die Fans wären offener für so etwas, aber live spielen wir den Song ohne verzerrten Gesang. In den Staaten kam die Nummer weitaus besser an als bei euch, die haben da kein Problem mit "modernen" Elementen. Ich bin mir nicht sicher, ob wir so etwas noch einmal machen würden. Wir haben lediglich versucht, unseren Sound noch variantenreicher zu gestalten. Auf dem neuen Album gibt es so etwas aber nicht.

Holger:
Stimmt, da klingt ih durch die Bank weg altmodisch thrashig. Ihr seid nun beim neuen holländischen Label Melissa Records unter Vertrag. Wie seid ihr an das Label gekommen, und wie lang ist der Deal mit ihnen?

Joe:
Ich glaube, sie haben uns kontakiert. Durch sie werden wir ein völlig neues Publikum erreichen, vor allem in Europa, aber auch in den USA. Auch wenn es sich um ein neues Label handelt, verfolgen sie doch genau die gleichen Ziele wie wir. Sie machen es möglich, dass wir vor unseren Fans außerhalb der USA auftreten können. Das ist uns sehr wichtig, daher hoffen wir, dass wir auch in Zukunft mit Melissa Records zusammenarbeiten werden. Momentan läuft alles wunderbar, und wir sind sehr zufrieden.

Holger:
Das ist schön zu hören. Wenden wir unsere Aufmerksamkeit nun aber mal konkret auf das aktuelle Album "Mindfire". Das Artwork hat mich schlichtweg umgehauen, da es zum einen den Titel fantastisch umsetzt und zum anderen an die grandiosen Arbeiten von Hugh Syme erinnert.

Joe:
Danke! Ich hatte die Idee für dieses Motiv und habe es auch selbst entworfen. Genau wie beim ersten Album.

Holger:
Wo siehst du die größten Unterschiede zwischen euren beiden Longplayern?

Joe:
Hm, dieses Mal haben wir ein Booklet mit Texten und auch viel mehr Artwork als bei "Lost In The Shadows". Sonst sehe ich nicht so viele Unterschiede, aber ich denke, die Fans werden diese Frage eh besser beantworten können.

Holger:
Verrätst du uns deinen Lieblingstitel vom neuen Album?

Joe:
Das ist schwer. Ich mag das Instrumental "Fields Of Honor" sehr, wahrscheinlich weil ich mich da nicht selbst singen hören muss *lacht*. Der Titelsong ist auch toll. Ach, was rede ich, ich liebe das gesamte Album. Ich denke, es ist eine Scheibe, die mit jedem Hören besser klingt.

Holger:
Als ich zum ersten Mal die Tracklist sah, dachte ich 'Blood On The Ice' wäre eine Coverversion von ANVIL, die einen gleichnamigen Titel auf "Pound For Pound" haben. Kennst du den Song?

Joe:
Nein, den kannte ich nicht, aber du bist nicht der Erste, der mich darauf anspricht. Die anderen Bandmitglieder kannten die Nummer auch alle nicht, und wir wollten definitiv kein Rip-Off damit abliefern. Ich denke, es gibt so viele verschiedene Songs mit gleichen Titeln, da wird das niemanden stören.

Holger:
Natürlich nicht, aber diese Namensgebung ist doch schon ziemlich speziell, insofern kam mir der Gedanke halt sofort. Auch inhaltlich gibt es ja keine Parallelen, da sich die Nummer der Kanadier um Lips mit Eishockey beschäftigt, während ihr euch eher dem Wikinger-Thema gewidmet habt.

Joe:
Stimmt, unser Song war nicht als Hockey-Song gedacht, aber vielleicht schicke ich ihn mal unserem Team, denn die heißen ja "Vikings". Vielleicht spielen sie die Komposition ja bei ihren Spielen.

Holger:
Woher kommt denn die Faszination für Wikinger?

Joe:
Ich bin in Minnesota aufgewachsen, einem Staat, der im Norden an Kanada angrenzt. Dort gab es ein Footballteam namens Minnesota Vikings, das ich ganz toll fand. Ich liebte ihre Trikots mit den Hörnern auf ihren Helmen und den Fakt, dass sie immer in der eisigen Kälte im Freien spielten. Der Name der Mannschaft stammte von den Skandinaviern, die dort wohnten. Das Team war von den auswärtigen Gegnern gefürchtet, da es für andere sehr hart war, unter den dortigen Bedingungen zu spielen. Da ich immer noch ein großer Fan von ihnen bin, habe ich über die Wikinger-Feldzüge geschrieben. Da kamen also zwei Faktoren zusammen: Geschichte und Sport.

Holger:
Eine andere tolle Headline lautet 'Enemy Of An Open Mind'. Ich denke mal, es geht nicht um engstirnige Old-School-Metaller, oder? ;)

Joe:
Nein. Es geht um die Gefahren, die engstirniges Denken mit sich bringt. Etwa ein Viertel der Songs auf dem Album handelt davon. Ich denke übrigens, dass Old-School-Metalheads genau das Gegenteil sind. Sie sind meist sehr offen in ihrer Denkweise, und ich bin stolz einer von ihnen zu sein.

Holger:
Sehe ich genauso. Die Nummer 'Bomb Inside Your Head' stand schon auf eurer ersten EP. Warum habt ihr sie für "Mindfire" noch einmal neu eingespielt?

Joe:
Unser Drummer Tom hat ja auf der EP noch zur Besetzung von BEYOND FALLEN gehört. Da gerade dieser Track immer noch zu unserem Liverepertoire gehört und bei den Fans sehr gut ankommt, wollte er ihn gern neu einspielen. Man könnte ihn als eine Art Bonus auf dem aktuellen Album ansehen. Vielleicht werden wir in Zukunft noch weitere alte Kompositionen neu bearbeiten. Mal sehen.


Holger:
Gerade bei diesem Song freut mich das ungemein, da die Nummer sehr gut ist. Kommen wir zu einem ganz anderen Thema: "True Metal America". Was hat es mit dieser Organisation auf sich?

Joe:
Bob Mitchell (ATTACKER) kann das sicher besser beantworten, da er das ins Leben gerufen hat, aber ich will es auch versuchen. TMA ist eine Art Bruderschaft von Metalbands, die zusammen auftreten. Der Slogan ist "by the bands – for the fans". Es werden tolle Konzerte unter diesem Banner veranstaltet, um das Erbe des Heavy Metal in den USA am Leben zu erhalten. Wir haben auch schon eine Show für TMA gespielt, und weitere sind gebucht. Bob leistet hier einen wundervollen Job, und wir sind stolz, daran teilhaben zu dürfen. Er ist einer der wenigen, die sich wirklich um die Fans kümmern. Ein toller Typ.

Holger:
Das klingt großartig. Was sind denn sonst noch eure Zukunftspläne?

Joe:
Ich möchte gern so lange wie möglich Musik machen und mit der Band in so vielen Ländern wie möglich touren. Ich wünsche mir, dass es noch lange so weiter läuft wie gerade, denn es macht sehr viel Spaß.

Holger:
Da kann ich nur alle Daumen drücken, denn BEYOND FALLEN sind eine wirkliche Bereicherung für die Szene. Kannst du schlussendlich einmal deine Top-5-Alben nennen?

Joe:
Oh Gott, das wir hart. BLACK SABBATH - "The Mob Rules"; JUDAS PRIEST - "Defenders Of The Faith"; IRON MAIDEN – "Powerslave"; PINK FLOYD - "The Wall"; METALLICA – "Master Of Puppets".

Holger:
Eine schöne Liste. Ein Schlusswort?

Joe:
Vielen Dank für das Interview! Gute Fragen.

Holger:
Wir haben zu danken!

Redakteur:
Holger Andrae

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