AMORPHIS: Interview mit Esa Holopainen

13.05.2009 | 13:08

Mit "Skyforger" treten AMORPHIS endgültig die Weltherrschaft im melodischen Metal-Sektor an. Der König der Lead-Gitarre spricht zu seinem Volk – und wir lesen mit.

Am 28. Mai erscheint mit "Skyforger" das lang ersehnte neue Album der finnischen Himmelstürmer von AMORPHIS. Warum das Album "Silent Waters" sogar noch toppen kann und in der Redaktion bereits als ein ganz heißer Kandidat auf das Album des Jahres gehandelt wird, verrät uns hoffentlich Gitarrengott Esa Holopainen auf der POWERMETAL.de-Couch. Und ab dafür! 


Enrico:
Hallo Esa, schön mit dir zu sprechen. Glückwunsch zu eurem neuen Album. Ich weiß, es ist eine dumme Frage, aber: Bist du zufrieden mit dem Ergebnis von "Skyforger"?  

Esa:
Danke zunächst. Ja, ich bin wirklich sehr zufrieden mit "Skyforger". Es klingt zwar auch blöd, aber es ist nun mal so, dass es besser ist, als wir erwartet hätten. Es ist viel mehr heraus zu hören, als ursprünglich geplant war.

Enrico:
Woran liegt das deiner Meinung nach?

Esa:
Hauptsächlich wohl an den wirklich großartigen Vocals von Tomi.

Enrico:
Siehst du es als das ultimative AMORPHIS-Album an? Ich zumindest sehe es so - es ist einfach fantastisch!

Esa:
Möglich, es ist wohl wirklich das Beste, was wir jemals geschaffen haben. Ich glaub auch, dass ich das in zwei Jahren immer noch sagen werde.

Enrico:
"Silent Waters" war großartig, aber ich finde, dass "Skyforger" noch mal um Längen besser ist. Ich bin beim ersten Hören echt ausgefreakt. Woher kommt diese erneute Steigerung?

Esa:
(lacht laut auf) Dankeschön. Ich weiß auch nicht, woran das liegt. Ich mag eigentlich alles, was wir mit Tomi an den Vocals aufgenommen haben. Ich glaube, es gibt viele Gründe für die konstante Entwicklung. Sicher ist das stabile Line-up ein Garant. Wir hatten jetzt seit vier Jahren, seit "Eclipse", keinen Wechsel im Bandkarussell - und das hört man auch. Der Spirit der Band ist einfach großartig. Es muss sich niemand zurechtfinden und niemand neues kommt, und will die Musik ändern. Seit "Eclipse" haben wir uns stetig entwickelt, bis eben zu "Skyforger". Aber was danach kommt, ob das nächste Album "Skyforger" schlagen kann, wissen wir heute noch nicht (lacht).



Enrico:
Ich war überrascht, als ich zum ersten Mal diese verrückten Synthesizer hörte? Es klingt für mich in wenig nach AYREON oder nach so richtig verrückten Psychedelic-Rock-Bands.

Esa:
Unser Keyboarder Santeri steht total auf solche Sounds. Wir wollten einfach neue Dinge einfügen und nicht nur Hammond-Orgeln oder ein Orchester benutzen. Daher findet man wirklich viele neue Elemente auf "Skyforger", die ein neues Bild von AMORPHIS zeigen.




Enrico:
Ist bei 'From The Heaven Of My Heart' sogar ein Kinderchor am Ende zu hören?

Esa:
Nein, es klingt aber wirklich fast so. Da gebe ich dir Recht. Natürlich will ich dir das Bild des Kinderchores nicht ruinieren, aber es sind in Wirklichkeit vier Männer, die im Hintergrund singen, unter anderem Marco Hietala von TAROT (bzw. NIGHTWISH - Anm. d. Red.). Sie haben alle sehr hohe Stimmen, daher klingt es ein wenig nach Kindern oder Frauen.

Enrico:
Warum singt Tomi im Song 'From Earth I Rose' da eigentlich immer über Milch? Schwarze Milch, weiße Milch, rote Milch?

Esa:
Gute Frage, da muss ich nachschauen. (fährt seinen Computer hoch) Es geht um Götter. Der Text stammt nicht von mir, aber ich glaube, es soll bedeuten, dass er schwarze Milch trinkt und dadurch weiße Milch entsteht. Aus Bösem wird also Gutes. Der Preis dafür ist allerdings die rote Milch - Blut.

Enrico:
Hörst du dir die Scheibe selber noch an?

Esa:
Na klar, ich höre sie jeden Tag im Auto. Das mache ich bei jedem Album mittlerweile so. Es ist dann immer so, dass ich es am Tag der Veröffentlichung nicht mehr hören kann (lacht). Aber ich habe das Gefühl, dass dies bei "Skyforger" nicht so sein wird. 

Enrico:
Und was ist im Moment dein Lieblingssong?

Esa:
Zurzeit steh ich total auf 'Skyforger', 'Sky Is Mine' und 'Majestic Beast'.

Enrico:
Lass uns mal über das Wetter reden. Wir hatten in den letzten Wochen ziemliche Temperatur- und Wetterschwankungen. Welches Wetter ist ideal für "Skyforger"?

Esa:
Ich glaube, der Frühling. Es ist noch nicht so warm wie im Sommer, aber der Winter ist endlich vorbei. Das richtige Wetter, um die neue Scheibe zu genießen.

Enrico:
Wie sehr bist auf die Reaktionen der Fans gespannt?

Esa:

Ich bin da sehr aufgeregt. Daher machen Menschen ja auch Musik. Sehr erfreut haben mich bisher die Musikkritiker. Sie scheinen das Album echt zu mögen. Das freut mich natürlich sehr und gibt am Ende eines Tage ein schönes Gefühl, weil man offenbar einiges richtig gemacht hat. Man hat echt harte Arbeit hinter sich und kann dann nur noch abwarten. Wenn dann positive Reaktionen kommen und man fröhliche Gesichter sieht, ist das einfach toll.

Enrico:
Von 'Silver Bride' ist ja nun auch das Video erschienen.

Esa:
Ja, genau. Wir waren auf die finale Version echt gespannt. Wir haben einige Teile hier in Helsinki aufgenommen, aber auch in Schweden gedreht. Ich hatte ein wenig Angst, weil wir noch nie so ein aufwändiges Video gedreht haben. Aber ich glaube, dass es ganz gut geworden ist.

Enrico:
Wo siehst du die größten Unterschiede zum Vorgänger "Silent Waters"?

Esa:
Ich denke, dass "Silent Waters" düsterer war. Auch thematisch war es schwärzer, immerhin ging es in die Unterwelt. Die Songs waren in der Gesamtheit dunkler und einfacher gestrickt. 




Enrico:

Um welches Thema dreht sich das neue Werk?



Esa:
Inhaltlich geht es bei "Skyforger" um Schöpfung. Die Skyforger als Götter werden in der finnischen Mythologie ja als Schöpfer von Himmel und Erde angesehen. Es dreht sich inhaltlich viel um Kreationen und was die Götter alles geschaffen haben. Musikalisch ist es daher auch ein wenig schneller und melodischer, aber auch epischer und dramatischer. Es passiert einfach mehr. Es war sehr herausfordernd, wir haben insgesamt 17 Songs aufgenommen, wovon zehn auf dem Album gelandet sind. Wir haben viel geprobt um zu sehen, welche Songs die Besten sind. Hoffentlich haben wir die richtigen Entscheidungen getroffen (lacht).

Enrico:
Ich glaube schon. Nach all den Jahren scheint ihr immer noch so wahnsinnig fasziniert von der Kalevala zu sein. Woher kommt dies?

Esa:
Es ist einfach ein Teil von AMORPHIS. Wir haben die Kalevala immer sehr nah an uns gebunden, sei es in Form von Bildern oder eben der Musik. Daher wäre es für uns sehr seltsam, wenn wir plötzlich ein Album abseits der Kalevala machen würden. Es beeinflusst uns immens und gibt uns so viele Ideen, dass wir darauf nicht verzichten wollen.

Enrico:
Mittlerweile sind AMORPHIS schon seit 19 Jahren im Geschäft. Wie motivierst du dich nach solch langer Zeit?

Esa:
Sobald du an neuen Songs arbeitest, kommt die Motivation ganz schnell. Du braucht aber auch einfach ab und zu Abstand zur Musik, um dich dann wieder richtig darauf konzentrieren zu können.

Enrico:
Wie gehst du an das Komponieren heran?

Esa:
Sobald ich eine Melodie im Kopf habe, kann es losgehen. Manchmal geht es dann ganz leicht von der Hand, manchmal kämpft man sich richtig durch. Auf meinem Computer sind wirklich viele Songs drauf, bei denen ich in eine Sackgasse geraten bin.

Enrico:
Sind die für immer verloren oder gibst du ihnen noch eine Chance?

Esa:
Vielleicht öffne ich sei eines Tages wieder.

Enrico:
Wie sehr spielt Tomi eine Rolle bei der Motivation für AMORPHIS.

Esa:
Seitdem Tomi in der Band ist, herrscht eine ganz andere Stimmung. Es macht allen wieder Spaß, es war für uns fast wie ein Neuanfang. Da kam die Motivation dann ganz von allein.

Enrico:
Du musst wohl immer noch sehr glücklich sein, über die Entscheidung Tomi in die Band geholt zu haben. Er hat AMORPHIS neues Leben eingehaucht.

Esa:
Ja, wir sind wirklich total glücklich, ihn gefunden zu haben. Er ist so wahnsinnig talentiert - einfach ein perfekter Sänger.

Enrico:
Aber woher nimmst du die Zeit, um auf solch großartigen Gitarrenriffs oder Soli zu kommen? Warst du ein Jahr allein in deiner Mökki (finnische Hütte - Anm. d. Red.)?

Esa:
Haha. Nein, das war ich nicht. Wenn ich die Songs komponiere, dreht sich zunächst alles um die Melodielinie. Die Lead-Gitarre füge ich erst ganz zum Schluss dazu. Natürlich behalte ich die möglichen Soli im Fokus, damit sie auch ins Bild passen. Aber um zu deiner Frage zurück zu kommen: Ich brauche keine Seen im Winter oder solche Sachen fürs Komponieren. Das einzige was ich benötige ist Ruhe. Ich muss allein sein um mich richtig konzentrieren zu können.

Enrico:
Mit oder ohne Alkohol?

Esa:
Meistens ohne (lacht). Wenn ich trinke, will ich Musik hören. Wenn ich nicht trinke, will ich Musik erschaffen.

Enrico:
Was hörst du denn da so im Moment?

Esa:
Jegliche Art an Musik. Natürlich sind Alben von LED ZEPPELIN, JETHRO TULL und BLACK SABATH in meiner Playlist enthalten. Ich mag aber auch neuere Sachen wie MASTODON oder RIVERSIDE aus Polen - zwei wirklich großartige Bands. PORCUPINE TREE darf ich natürlich nicht vergessen und selbstverständlich die Death-Metal-Klassiker wie MORBID ANGEL oder CARCASS. Wenn ich in Stimmung bin, dann zieh ich mir die harten Sachen rein (lacht).




Enrico:

Lass uns noch mal kurz auf die Milch zu sprechen kommen. Ich war vor einigen Wochen bei den Abschieds-Gigs von HANOI ROCKS in Helsinki.

Esa:
Oh, cool.

Enrico:
Und als ich in den Supermärkten war, fand ich Milch mit 0% Fett. Trinkt ihr Finnen so was wirklich?

Esa:
(lacht) Ja, das stimmt. Ich habe diese Milch sogar hier bei mir zu Hause.

Enrico:
Die schmeckt doch wie Wasser?

Esa:
Das stimmt, die schmeckt wirklich so. Aber wenn du dich daran gewöhnt hast, schmeckt normale Milch wie Sahne. Diese Milch ist echt total beliebt hier.

Enrico:
Musik-DVDs sind im Moment auch sehr beliebt. Wann plant ihr endlich eine DVD?

Esa:
Die Planungen laufen schon, so dass wir im nächsten Jahr eine Live-DVD veröffentlichen werden. Da wir nächstes Jahr den zwanzigsten Geburtstag von AMORPHIS feiern, scheint das der richtige Augenblick zu sein. Wir wollen in etwa einem halben Jahr einige Shows aufnehmen, um neben vielen alten Shows auch neue auf die DVD zu packen. Wir haben so viel altes Material auf VHS, dies müssen wir bald mal durchschauen.

Enrico:
Weil wir gerade bei der Tour sind. Wieso wart ihr Anfang März und im April in Finnland auf Tour, also vor der Veröffentlichung von "Skyforger"?

Esa:
Wir hielten das für eine gute Sache um die neue Scheibe zu promoten. Die Konzerte liefen verdammt gut. Jedoch spielten wir mit 'Silver Bride' nur einen neuen Song. Es hat auch Sinn gemacht, denn direkt nach der Veröffentlichung von "Skyforger" beginnen ja schon die finnischen Sommerfestivals. Und wir haben davon jede Menge. Daher müssen die finnischen Fans eventuell bis nächstes Jahr warten, um uns in Clubs spielen zu sehen. Nach dem Sommer geht es erstmal quer durch das restliche Europa und nach Südamerika wollen wir auch noch.

Enrico:

Im Oktober kommt ihr endlich auch als Headliner wieder nach Deutschland.

Esa:
Genau. In Berlin geht es los und wir versprechen euch Fans wirklich eine tolle Show mit einer großartigen Setlist. Habt noch ein wenig Geduld und checkt in der Zwischenzeit "Skyforger" an.


Redakteur:
Enrico Ahlig

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