MIR ZUR FEIER - Nachtwächter
Mehr über Mir Zur Feier
- Genre:
- Death Metal
- ∅-Note:
- 7.50
- Label:
- Noizgate Records
- Release:
- 10.05.2024
- Prolog
- Ein jeder Engel
- Der Wahnsinn
- Gethsemane
- Jede Nacht
- Nachtwächter
- Metall & Glas
- Einsamkeit
- Der Ritter
- Epilog
Rainer Maria Rilke würde Death Metal lieben!?
"Wer, wenn ich schriee, hörte mich denn aus der Engel Ordnungen?" erklingt nach dem instrumentalen Prolog als reiner A-cappella-Gesang. Die Düsternis dieser Frage steigert sich im Refrain: "Ein jeder Engel ist schrecklich!". Kenner deutscher Literatur und Lyrik werden sofort merken: Es handelt sich um Rainer Maria Rilke! Der große Dichter der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, der durch seine Kritik an den damaligen Verhältnissen und Weltanschauungen eine kaum vergleichbare Bedrückheit in seinem Werk entwickelte. Demnach bleibt auch MIR ZUR FEIER seiner Linie treu. Die deutsche (Melodic) Death-Metal-Band vertont, genau wie auf ihrem selbstbetitelten Debüt, auf dem Zweitlingswerk "Nachtwächter" die Gedichte des berühmten Lyrikers.
Textlich bleiben bei diesem Konzept natürlich keine Fragen offen. Wer den großen Poeten ernsthaft kritisieren möchte, der werfe bitte sofort den ersten Stein! Rilkes Texte pendeln zwischen den Welten, sind kritisch und destruktiv und damit wie geschaffen für deutschsprachigen Death Metal, von dem es ohnhein gar nicht so viel gibt. Die große Frage ist natürlich, ob das Bielfelder Trio dem Autor musikalisch gerecht werden kann.
Die Antwort kann kurz und knapp ausfallen: Ja, kann es! Grundsätzlich wird solider bis guter Death Metal mit ordentlicher Gitarrenarbeit geboten, der nahtlos an den Vorgänger anknüpft. Das Death-Metal-Einmaleins kann die Rhythmusgruppe von MIR ZUR FEIER im Schlaf aufsagen. Im Fokus steht jedoch ganz klar Sängerin Mara Bach mit ihrer Art, die Lyrics zu rezitieren. Mal spricht, mal singt, mal growlt sie die Texte. Dabei hat sie eine ganz eigene Aussprache der Worte. Es schwingt eine gewisse Abstraktheit mit und über allem liegt eine stimmungsvolle Düsternis. Das liegt auch daran, dass die Gedichte natürlich nicht unbedingt den klassischen Strophe-Refrain-Aufbau besitzen, den man normalerweise von Songtexten kennt. Dies wird teilweise angepasst, jedoch nicht immer. Elementare Sätze und Aussagen Rilkes werden dafür beispielsweise eindringlich wiederholt. Im ersten Moment mag dies ungewohnt wirken, doch gerade diese Elemente machen den Reiz von "Nachtwächter" aus, denn so wird die Scheibe von einer Schwere umgegeben, die einen zugleich abstößt und in ihren Bann zieht. Es braucht schon mehrere Hördurchgänge, in die man sich aber sicher gerne hineinbegibt, bis sich das Konzept vollständig erschließt.
Rainer Maria Rilke passt wie die Faust aufs Auge zum Death Metal. Ob er Fan des Genres gewesen wäre, wenn es damals schon Metal gegeben hätte? Man wird es nie erfahren, aber er braucht sich anlässlich der Interpretation seiner Gedichte von MIR ZUR FEIER nicht im Grabe umzudrehen. "Nachtwächter" ist eine gelungene Scheibe, die der Lyrik Rilkes neues Leben einhaucht und auf spannende und interessante Weise neu interpretiert.
- Note:
- 7.50
- Redakteur:
- Dominik Feldmann